Asienhaus-Rundbrief 10/2004, 11.5.2004

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In Kürze:
1.) Wahlen in Indonesien und den Philippinen

2.)19.5., Essen: Film "Münster - Globale Stadt"

3.) 3.7., Bonn: Workshop zur Gesundheitsversorgung in China

4) Südasien4/2003 erschienen

5.) Analyse: Die Rolle der Zivilgesellschaft in Japan
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ad 1) Wahlen in Indonesien und den Philippinen
Kontakt: klaus.fritsche@asienhaus.de 

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ad 2) Veranstaltungen: 19.5. in Essen (Münster - Globale Stadt) und 26.5. in Köln (Burma)
Kontakt: ulrike.bey@asienhaus.de , 0201/8303825 

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ad 3) 3.7., Bonn: Workshop zur Gesundheitsversorgung in China
Kontakt: chinaag@asienhaus.de 

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Programm und Anmeldeforumular finden Sie unter www.asienhaus.de/china/chinaworkshop030704.pdf .

Ort der Veranstaltung ist das Haus der Kirche, 53113 Bonn, Konrad-Adenauerallee 37.

Für die Seminarteilnahme wird ein Teilnehmerbeitrag von 10 Euro erhoben (Getränek und Mittagessen sind eingeschlossen). Der Anmeldeschluß ist der 28. Juni 2004.

Ziel des Seminars ist es, einen Überblick über Probleme und Perspektiven des chinesischen Gesundheitssystems zu geben (Dr. Margot Schüller, Institut für Asienkunde, Hamburg und Christine Winkelmann, M.A., Universität Köln) sowie über die Folge der Kommerzialisierung (Dr. Zhang Peng, Hamburg). Ein Erfahrungsbericht über den Aufbau eines deutsch-chinesischen Krankenhauses (Dr. med. Franz Koettnitz, Potsdam) runden das Programm ab.

Wir freuen uns, wenn Sie diese Information an interessierte Kollegen und Kolleginnen weiterleiten.

ad 4) Ausgabe 4/2003 der Zeitschrift "Südasien" erschienen
Kontakt und weitere Informationen: suedasienbuero@suedasien.de 

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Die neueste Ausgabe der vom Südasienbüro in Bonn herausgegebenen Zeitschrift u.a. mit der Waffenruhe in Kaschmir, dem durch deutsche Medien verbreiteten Pakistanbild und analysiert die Rolle des pakistanischen Präsidenten Musharraf. Ausführliche Artikel zur Entwicklung in Afghanistan (insbesondere zum Drogenanbau), Sri Lanka und Indien geben einen Überblick über wichtige Entwicklungen in der südasiatischen Region.

Das Heft ist zum Preis von 6,50 Euro über die obige e-mail-Adresse oder per Telefon 0228-9125605 zu beziehen.

ad 5) Analyse: Die Rolle der Zivilgesellschaft in Japan 
von Karoline Haufe, 

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Karoline Haufe studiert Japanologie und Soziologie im 10. Semester an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Ihre Magisterarbeit wird sich mit der Rolle von wohlfahrtsstaatlichen NPOs im Rahmen der japanischen Pflegeversicherung befassen.

Die Rolle der Zivilgesellschaft in Japan

Seit dem Ende des Kalten Kriegs wird in nahezu allen Industriegesellschaften eine Stärkung und Ausweitung zivilgesellschaftlicher Strukturen und Institutionen beobachtet. Dies gilt auch für Japan. Anders als in den westlichen Industrieländern wird jedoch im Falle Japans Zivilgesellschaft als eine historisch neue Entwicklung angesehen, die im Vergleich zu anderen Ländern weitaus weniger stark ausgeprägt ist.

Der folgende Beitrag soll einen kurzen Überblick über Entwicklung und aktuellen Stand der Rolle von Zivilgesellschaft in Japan geben.

Das Konzept Zivilgesellschaft in Japan 

Im Zuge der Demokratisierung und Modernisierung Japans lassen sich verschiedene Entwicklungsetappen der Zivilgesellschaft ausmachen, die jeweils durch das Engagement verschiedener zivilgesellschaftlicher Akteure charakterisiert wurden und die (theoretische) Debatte über zivilgesellschaftliche Phänomene bestimm(t)en. In diesem Zusammenhang sind vor allem die Besatzungszeit (1945-52), in der es galt, Institutionen, die außerhalb des Staates operieren, zu stärken sowie die 1960er und 70er Jahre, die eine Periode progressiver Umwelt- und Friedensbewegungen darstellten, zu nennen. Zwischen Mitte und Ende der 1980er Jahre engagierten sich zivile Gruppierungen und Bewegungen überwiegend in den Bereichen sozialer Wohlfahrt und community building. Infolge des NPO-Booms der 1990er Jahre werden heute in der japanischen Diskussion mit dem Begriff Zivilgesellschaft in der Regel Phänomene wie Freiwilligenbewegungen, Nonprofit Organisationen (NPOs), oder Bürgerbewegungen im Allgemeinen verbunden. Dagegen wird mit dem Begriff Zivilgesellschaft weniger Autonomie und (kritische) Distanz zum Staat assoziiert. 

Historische und kulturelle Hintergründe

In international vergleichender Perspektive wird Japan bezüglich der Herausbildung einer Zivilgesellschaft oft als Nachzügler beschrieben, da die Zivilgesellschaft nach wie vor vergleichsweise schwach ausgebildet und zudem politisch nahezu wirkungslos erscheint. Als Ursachen für die relative Schwäche werden vor allem folgende Aspekte genannt: das Konzept Zivilgesellschaft widerspricht traditionellen Werten in der japanischen Gesellschaft. So waren z.B. Pluralität, Diversität und Eigenbestimmung als elementare Voraussetzungen für eine Zivilgesellschaft in der japanischen Gesellschaft, welche sich lange Zeit durch Homogenität, Konsens und Harmonie charakterisierte, weitaus weniger im Bewusstsein der Bürger verankert. Zudem nahm der Staat seit der Öffnung des Landes 1868 gemeinsam mit der Wirtschaft eine zentrale Stellung ein, um die wirtschaftliche Entwicklung des Landes nach westlichem Vorbild voranzutreiben, was jedoch die gegenseitige Durchdringung der öffentlichen und privaten Sphären zur Folge hatte. 

Öffentlicher Raum zwischen beiden Sektoren war somit für die Entstehung einer Zivilgesellschaft kaum existent. Die mangelnde Trennung von politischem und ökonomischen System bewirkte schließlich, dass private Organisationen aus Sicht der Bürokratie eine untergeordnete Rolle einnahmen und nur in dem Ausmaß nützlich erschienen, in dem sie Funktionen des Staates ausführten. Historisch gesehen nahm der Staat damit NPOs gegenüber generell eine negative Haltung ein, infolgedessen eine Zivilgesellschaft entstand, die durch eine Vielzahl kleiner, lokaler Gruppen und einer marginalen Gruppe von internationalen, professionalisierten und unabhängigen Organisationen gekennzeichnet ist. 

Externe und interne Faktoren als Katalysatoren der Entwicklung einer Zivilgesellschaft

Einen deutlichen Bedeutungszugewinn erfuhren zivilgesellschaftliche Akteure im Zuge der Vorbereitungen zu der UNCED-Konferenz in Rio 1992. Auslöser dürfte die erstmalige Beteiligung von NGOs und NPOs aus aller Welt an einer internationalen Konferenz dieser Reichweite gewesen sein. In Japan schloss zu dieser Zeit die japanische Regierung NGOs jedoch noch von jeglicher politischer Mitbestimmung aus. Für diese Missachtung zivilgesellschaftlicher Akteure wurde die japanische Regierung international stark kritisiert, woraufhin bei der nächsten UN-Konferenz in Kairo die Regierung drei NGOs einlud, um die japanische Delegation zu begleiten. 

Dabei löste die deutliche Diskrepanz von starken NGOs vor allem aus den USA und Westeuropa und auffallend schwachen Organisationen aus Japan einen Wandel in der Einstellung von Regierung und Öffentlichkeit hinsichtlich des zivilgesellschaftlichen Engagements aus. Schließlich sah sich die japanische Regierung dazu gezwungen, mit zivilgesellschaftlichen Organisationen in Anbetracht neuer sozialer Probleme wie Umweltbelastungen in den Ländern des Südens zu kooperieren. Die stärkere Einbindung in Konferenzen dieser Art verhalf den NGOs bzw. NPOs dazu, sich untereinander auszutauschen und Netzwerke zu bilden. 

Positiv für die weitere Entwicklung von zivilgesellschaftlichem Engagement in Japan dürfte sich auch die seit Anfang der 1990er Jahre immer stärker werdende Politikverdrossenheit der Bevölkerung ausgewirkt haben. Infolge mangelnder Transparenz politischer Entscheidungen und der Aufdeckung mehrerer Skandale, in die Politiker und Beamte involviert waren und öffentliche Gelder missbraucht wurden, nahm das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung dramatisch ab. Dies zeigte sich nicht zuletzt bei den 1993 stattfindenden Parlamentswahlen, als die konservative LDP nach 38 Jahren Regierungsmacht durch eine neue Koalitionsregierung abgelöst wurde. 

Dennoch führte der Regierungswechsel zu keiner Stärkung des Wählervertrauens. Anfang des Jahres 2001 hatten nur noch 9% der Japaner Vertrauen in ihr Parlament und die nationale Bürokratie. Ein Großteil der Bevölkerung war nun überzeugt, dass die Regierung allein nicht die Kompetenz besitzt, Probleme adäquat anzusprechen und zu lösen. Am deutlichsten zeigten sich die zunehmende Inkompetenz der Regierung in den Augen der Öffentlichkeit sowie die steigende Popularität des Konzeptes der Zivilgesellschaft im Jahr 1995, als bei dem Große Hanshin-Awaji Erdbeben in der Region Kobe-Osaka 6.430 Menschen starben und weitere 310.000 evakuiert werden mussten. In Reaktion auf eine desorganisierte Regierung organisierten sich spontan 1,3 Mio. freiwillige Helfer um die Opfer zu unterstützen. Einhergehend mit der Berichterstattung der Medien entwickelte sich ein „NPO-Boom“. Die Bedeutung von Organisationen ohne legalen Status wurde zunehmend akzeptiert. Zugleich wurde mit NPOs nicht länger das Image von regierungsfeindlichen Organisationen verbunden. 

Rechtliche Rahmenbedingungen

Japans rechtliche Bestimmungen zur Inkorporierung von NPOs gelten im Vergleich zu anderen demokratisch verfassten Gesellschaften als sehr strikt. Gesetzliche Rahmenbedingungen und Bestimmungen, welche sich mit der Zulassung und Tätigkeit von zivilgesellschaftlichen Organisationen befassen, wurden seit der Meiji-Zeit bis 1998 unverändert durch das japanische Zivilrecht (Civil Code) geregelt. Danach werden Vereine oder Organisationen nur dann anerkannt, wenn sie Kriterien des Gemeinwohls erfüllen, die aber wiederum willkürlich von Ministerialbeamten bestimmt werden, da diesen kein verbindlicher Kriterienkatalog vorliegt, und sie somit alleinige Definitionsmacht besitzen. Erhalten Organisationen endlich die fallabhängige amtliche Anerkennung, sind sie weiterhin staatlicher Kontrolle ausgesetzt, da sie jährlich den zuständigen Ministerien Finanz- und Aktivitätspläne zustellen müssen. Zusätzlich müssen die Organisationen eine hohe finanzielle Ausstattung vorweisen, die nur schwierig zu erreichen ist, da sich die Spendenakquise aufgrund der Tatsache, dass Spenden nicht steuerlich absetzbar sind, kompliziert darstellt. 

Aufgrund des umfangreichen Prozesses der Antragstellung verzichteten viele Gruppen auf die rechtliche Anerkennung und somit auf steuerliche und finanzielle Vorteile. Die Mehrzahl der aktivsten Gruppen blieb somit ohne legalen Status. Mit dem Erdbeben in Kobe wurde die Kritik an den bestehenden rechtlichen Bestimmungen lauter, die schließlich nach langer Debatte über ein neues Gesetz zum Statuserwerb von NPOs in der Verabschiedung des NPO-Gesetzes am 19. März 1998 im Parlament mündete. Das NPO-Gesetz eröffnet den zivilen Organisationen neue Konstitutionsbedingungen. 

Von den zivilen Akteuren selbst wird vor allem die Legitimationsfunktion positiv bewertet, da sie nun nicht mehr im semi-legalen Raum operieren und somit auch eine bessere gesellschaftliche Position erlangen. Zusammenfassend wurde das Registrierungsverfahren in folgenden Punkten vereinfacht: lokal agierende Gruppen können jetzt auch auf lokaler Ebene einen Antrag stellen, das frühere Registrierungsverfahren auf nationaler Ebene wird also gelockert; die Bearbeitungszeit der Anträge ist auf ein Zeitraum von zwei Monaten beschränkt, und im Falle der Ablehnung muss eine Begründung erfolgen, was die Behördenwillkür sehr einschränkt; und schließlich ist die finanzielle Grundausstattung als Voraussetzung für eine Gründung abgeschafft worden. Die Aktivitäten der NPOs sind allerdings laut des Gesetzes eingeschränkt: sie dürfen weder religiöse Werte verbreiten noch politische Parteien unterstützen. Das Gesetz beinhaltet hingegen keine steuerrechtlichen Vergünstigungen für die NPOs. Mit der Revision des Gesetzes im Jahre 2001 wurde dieser Aspekt nur begrenzt verbessert, denn neben der Möglichkeit, dass Spender bis zu einem gewissen Betrag diesen von der Steuer absetzen können, bestehen für die NPOs selbst keine steuerlichen Verbesserungen. 

Größe, Aktivitäten und Funding des NPO-Sektors

In dem Zeitraum seit dem Inkrafttreten des Gesetzes (Dez. 1998) bis Dezember 2001 haben 6.547 Organisationen einen Antrag auf Anerkennung i. S. einer rechtsfähigen Körperschaft gestellt, wovon 5.625 der legale Status zugesprochen wurde. Diese Zahl gewinnt besonders an Bedeutung, wenn man sie den ca. 26.000 gemeinnützigen Organisationen gegenüberstellt, welche insgesamt seit der Meiji-Zeit unter dem Code Civil anerkannt wurden. Die Aktivitäten des NPO-Sektors sind breit gefächert: 37% der Organisationen sind im Bereich der sozialen Wohlfahrt engagiert, 17% in dem Bereich Bildung/Kultur/Sport, 5% der NPOs sind in dem Bereich der Entwicklungshilfe und internationalen Kooperation tätig. 17% konzentrieren ihre Aktivitäten auf die Stärkung des sozialen Zusammenhalts auf lokaler Ebene, 10% setzen sich für Umweltschutz ein und etwa 5% engagieren sich in dem Bereich der medizinischen Versorgung. Wenn man die Zusammensetzung des NPO-Sektors nach dem Bestehen der Organisationen betrachtet, ist auffällig, dass die Mehrheit erst seit den 1980er Jahren besteht, und ein Viertel aller Organisationen erst nach 1991 gegründet wurde. Dagegen macht der Anteil der zivilen Gruppen, die sich vor 1960 etablierten, nicht mal ein Zehntel aus. Die Finanzressourcen der NPOs lassen sich in öffentliche Gelder, private Spenden sowie Mitgliederbeiträge unterteilen. Die finanziellen Mittel der japanischen NPOs setzen sich im Allgemeinen zu über 50% aus Beiträgen und Gebühren der Mitglieder zusammen, daraus kann man allerdings nicht schließen, dass sie stark genug sind sich selbst zu finanzieren. Vielmehr sind andere Ressourcen so gering, so dass eine Abhängigkeit von diesen Beiträgen besteht. Der Anteil der öffentlichen Gelder an der finanziellen Ausstattung der NPOs beträgt über 40% und der der privaten Spenden übersteigt die Grenze von 3% nicht. Die finanzielle Situation der vielen kleinen Graswurzelgruppen gestaltet sich noch dramatischer, so können nur ungefähr 10% von einem Büro aus operieren und nur 20% können bezahlte Mitarbeiter einstellen, was deutlicht macht, dass diese Gruppen auf Freiwilligen-Aktivitäten angewiesen sind.

Abschließend lässt sich festhalten, dass der japanische Staat mit politischen Maßnahmen, welche zunehmende Deregulierung, Dezentralisierung und Privatisierung bewirken, den Handlungsspielraum für die Zivilgesellschaft ausweitet. Das NPO-Gesetz ist nur eins von vielen weiteren, welche die Beziehung zwischen Staat und Gesellschaft neu formen, dabei darf man allerdings nicht aus den Augen verlieren, dass immer noch die Zentralregierung die Grenzen der Freiwilligenaktivitäten, das Ausmaß ihrer Einbeziehung sowie ihre Arbeitsbedingungen in Form von Gesetzen definiert. Zudem ruft die Pluralisierung der Werthaltungen infolge wirtschaftlicher und politischer Veränderungen eine Vielfalt an neuen Bedürfnissen in der Bevölkerung hervor, die aber vom Staat nicht erfüllt werden können. Genau in dieser „Nische“ tun sich für zivilgesellschaftliche Akteure viele Chancen auf, offen bleibt dabei zunächst, ob die Akteure diese neuen Möglichkeiten auch ausschöpfen werden. 

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