Asienhaus-Rundbrief 21/2003, 27.6.2003

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In Kürze:
1.) 11.7.-3.8., Essen, Orangerie in der Gruga: Rikscha-Ausstellung 
2.) 14.7., 10-18 Uhr, Asienhaus: Workshop "Demokratisierung in Ost- und Südostasien"
3.) Öffnungszeiten der Bibliothek: Angebot für Berufstätige
3.) Jörg Denker, Afghanistan: Frieden für welchen Preis?

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Die Bestellmöglichkeit finden Sie unter www.asienhaus.de/angebote/mailing.htm
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ad 1) 11.7.-3.8., Essen, Orangerie in der Gruga: Rikscha-Ausstellung
Kontakt: uwe.pfromm@asienhaus.de

Vom 11. Juli bis 3. August zeigt das Asienhaus in Essen die Ausstellung "Rikscha-Rikscha - Das Ökotaxi" (mehr Informationen unter www.rikscha-rikscha.de).

Die Ausstellungseröffnung findet statt am 11. Juli, 18 Uhr. Zur Eröffnung sprechen:

Führungen durch die Ausstellung finden jeweils Samstags und Sonntags um 15 Uhr statt. Weitere Führungen, insbesondere für Schulen, können auf Anfrage organisiert werden.

ad 2) 14.7., 10-18 Uhr, Asienhaus: Workshop "Demokratisierung in Ost- und Südostasien"

Gemeinsame Seminartagung von Mitgliedern des Asienhauses und Studierenden der Universität Duisburg-Essen zum Thema "Demokratisierung und Zivilgesellschaft in Ost- und Südostasien"

Impulsreferat von Prof. Dr. Mark R. Thompson, Universität Erlangen-Nürnberg : Grenzen der Demokratisierung in Asien-Pazifik

Am Montag, 14.07.2003, findet im Asienhaus Essen die Abschlusstagung eines Hauptseminars von Studierenden der Politikwissenschaft (Universität Duisburg-Essen) statt. In Zusammenarbeit mit dem Asienhaus und unter Leitung von Thomas Heberer und Claudia Derichs haben die Studierenden Team-Präsentationen zu folgenden Themen vorbereitet, die auf der Tagung kritisch diskutiert werden sollen:

  1.  Demokratie und gesellschaftlich-politischer Diskurs in Ost- und Südostasien

  2. Demokratisierung, Entwicklung und sozialer Gerechtigkeit: Ihre Interdependenz aus modernisierungskritischer Sicht

  3. Der 11. September 2001 und seine Auswirkung auf den Demokratisierungsprozess in Südostasien

  4. Zivilgesellschaften in Ost- und Südostasien: Ihre Rolle für Entwicklung und Demokratisierung

  5. Die Rolle externer Kräfte (regionale und internationale Organisationen, Geberländer in der Entwicklungszusammenarbeit etc.) für Entwicklung und Demokratisierung in Südostasien

ad 3) Öffnungszeiten der Bibliothek: Ein Angebot für Berufstätige
Kontakt: Fritz Seeberger, bibliothek@asienhaus.de, 0201/8303823

Um auch Berufstätigen die Möglichkeit der Nutzung der Asienhaus-Bibliothek zu geben, führen wir ab 1. Juli versuchsweise den Mittwoch als "Dienstleistungstag" ein: Mittwochs wird die Bibliothek statt vormittags nachmittags und abends von 16 - 21 Uhr geöffnet sein. Nach wie vor wird jedoch um Terminrücksprache gebeten.

ad 4) Jörg Denker, "Afghanistan: Frieden - für welchen Preis?"
Rückmeldungen an den Autor an joergdenker@web.de.  

Spätestens nach dem Anschlag auf die deutschen ISAF-Einheiten, ist die Sicherheitslage in Afghanistan auch in Deutschland wieder verstärkt in die Diskussion gerückt. Jörg Denker, der in der Takhar Provinz in Nord-Afghanistan für eine internationale Organisation tätig ist, hat den folgenden Kommentar geschrieben. Er unterstützt darin die Forderung von 79 internationalen NRO, das Mandat der internationalen Schutztruppe ISAF über Kabul hinaus auszudehnen.

Frieden - für welchen Preis?
Afghanistan zwischen brüchigem Frieden und Chaos

“Für die Mehrheit der Afghanen ist die Sicherheitslage prekär und kontrolliert von regionalen Warlords, Drogenhändlern und Gruppen mit terroristischen Verbindungen. Die Situation verschlechtert sich und es gibt keinen strategischen Plan, die Spirale der Gewalt zu stoppen.” (übersetzt aus dem Englischen). So argumentierten 79 Nichtregierungsorganisationen Mitte Juni in einem offenen Brief an die internationale Gemeinschaft, um führende Regierungen und die NATO dazu zu bewegen, das Mandat der Internationalen Schutztruppe (ISAF) über Kabul hinaus auszuweiten. 

Prekäre Sicherheitslage

Dieser Aufruf steht im krassen Kontrast zu der Ansicht der amerikanischen Regierung, die Donald Rumsfeld bei seinem Besuch in Kabul im April zum Ausdruck brachte, als er sagte, dass weite Teile des Landes sicher seien und dass die Kämpfe größtenteils vorbei seien. In internationalen Kreisen in Kabul fragte man sich, ob Herr Rumsfeld Witze machte oder einfach nicht informiert war.

Es kann nicht die Rede davon sein, dass der Konflikt vorbei ist. Im Gegenteil- amerikanische Einheiten waren in den letzten Monaten wiederholt in schwere Kämpfe in Südafghanistan verwickelt, meist in den Provinzen Spin Bodak und Helmand.  

Die amerikanische Armee hatte sich, nachdem sie im November 2001 in Afghanistan einmarschierten, verstärkt auf die gegen die Taliban kämpfende Nordallianz gestützt. Die Nordallianz bestand zu einem großen Teil aus ethnischen Tajiken. Die Taliban, die ihren Ursprung in Kandahar haben, waren anfänglich eine zum großen Teil von Pashtunen unterstützte Bewegung. Die neue Zentralregierung wird meist von ehemaligen Nordallianz Führern gestellt, und das hat dazu geführt, dass sich die Pashtunen im Süden des Landes zunehmend aus den politischen Prozessen ausgeschlossen fühlen. Das ist die Voraussetzung für das Wiedererstarken der Taliban. Viele Afghanen erkennen, dass die jetzige Sicherheitslage bedenklicher ist als unter den Taliban. Trotz aller internationaler Truppen, erinnert diese vielmehr an die Zeit, nachdem die Sowjettruppen abgezogen waren und  die Mujaheddin um die Macht in Kabul kämpften.

Dieselben Warlords, die zu Beginn der 90er das Land komplett zerstörten, sind immer noch an der Macht, entweder in der Zentralregierung oder in den Provinzen.

Verstärkter Einfluß der Warlords

Die afghanische Zentralregierung kontrolliert außer Kabul vielleicht noch den Nordosten des Landes, das sind die Provinzen Badakhshan Kunduz und Takhar, die das angestammte Gebiet der Nordallianz darstellen. Andere Provinzen werden von Warlords wie dem mächtigen Ismael Khan in Herat oder General Dostum in Mazaar-I-Sharif kontrolliert. Süden und Osten des Landes sind teilweise unter der Kontrolle von Warlords, die den Taliban nahe stehen und/oder mit Drogengeschäften sehr reich geworden sind.

Alle diese Warlords, aber auch  Mitglieder der jetzigen Zentralregierung tragen einen großen Teil an Verantwortung für die Zerstörung Afghanistan nach der Niederlage und Abzug der Sowjettruppen. Alle diese Warlords haben ihre eigenen Machtinteressen, und es steht außer Frage, dass nicht nur ehemalige Taliban der Zentralregierung schaden wollen. Die Zentralregierung in Kabul ist bemüht, zumindest rhetorisch eine Einheit darzustellen. In diesem Zusammenhang muss man das ständige Bemühen von Regierungssprechern verstehen, die nach jedem Anschlag auf Al Qaida verweisen. Nach dem Anschlag auf die deutschen ISAF-Truppen sagte Präsident Karzai sogar, dass die internationale Gemeinschaft sehen wird, dass keine Afghanen beteiligt waren. Viele Afghanen jedoch gehen davon aus, dass dieser Anschlag von der Hisb Islami Gruppierung um Hekmatyar ausgeführt wurde.  Es ist wahrscheinlich, dass diese Gruppierung wie auch die Taliban im Süden des Landes von der internationalen Terrorszene unterstützt werden, jedoch erscheint es eher unwahrscheinlich, dass internationale Terroristen in Afghanistan operieren, ohne Wissen und Unterstützung von mächtigen Warlords. Die afghanische Zentralregierung argumentiert viel mehr wie eine Regierung, die von internen Problemen ablenkt und auf externe Täter verweist. 

Man bedenke- Afghanistan hat in der jüngeren Vergangenheit nur Einigkeit unter dem Druck eines gemeinsamen Feindes erreicht. Al Qaida ist da ein willkommener Feind, so wie es die Sowjettruppen waren.

Es ist daher verwunderlich, dass die deutsche Regierung, wie auch andere westliche Regierungen, diese Argumentation so einfach übernehmen. Al Qaida ist auch ein Afghanistan ein Schlagwort geworden, mit dem alle Feinde der Regierung bezeichnet werden.

Verpflichtung der internationalen Gemeinschaft

Die internationale Gemeinschaft muss erkennen, dass mit den jetzigen Interventionsmethoden Afghanistan nicht eine funktionierende, friedliche Zivilgesellschaft entwickeln kann. Die Provinzen mit ihren verschiedenen Machtstrukturen müssen zusammenwachsen, um langfristigen Frieden zu erreichen. Die afghanische Bevölkerung soll im momentanen Verfassungsprozess dazu einen Beitrag leisten.  

Die internationale Gemeinschaft ist in der Verantwortung, dass dieser Prozess Erfolg hat. Die Ausweitung des Mandats der Internationalen Friedenstruppe ist ein Instrument, um den afghanischen Macht- und Interessensgruppen zu zeigen, dass die internationale Gemeinschaft Afghanistan nicht wieder vergisst, und der Prozess eines friedlichen Zusammenwachsens von Afghanistan auch international als sehr wichtig angesehen wird. Sobald dieses Interesse der internationalen Gemeinschaft schwindet, sobald die afghanische Bevölkerung wieder das Gefühl bekommt, sich nach anderen Verbündeten umsehen zu müssen, wird der Frieden zerbrechen. Die Afghanen sind ein Volk, das seit  über 25 Jahren Kriege und Konflikte kennt. Die Afghanen haben gelernt zu überleben. Eine Strategie war die Fähigkeit zu entwickeln, unter sehr verschiedenen Machtstrukturen, zwischen kompletter Anarchie und schlimmster Diktatur, zu überleben. Wenn die jetzige Regierung es nicht schafft, Sicherheit und Entwicklung für alle Afghanen zu gewährleisten, werden sich Bevölkerungsgruppen an anderen, vielleicht dann stärkeren weil brutaleren Gruppierungen orientieren..

Landesweit operierende internationale Friedenstruppe notwendig

Wenn es die internationale Gemeinschaft ernst meint mit dem Friedensplan für Afghanistan, dann müssen auch die Risiken mitgetragen werden. Kabul ist nicht Afghanistan und nicht nur in Kabul  wird sich die Zukunft Afghanistans entscheiden. Die Strukturen, auf die eine Friedenstruppe in den Provinzen treffen würde, ist jedoch sehr verschieden von Kabul, da die Zentralregierung mit der Unterstützung der Amerikaner an die Macht kam. Warlords wie Ismael Khan oder General Dostum verfügen über machtvolle Milizen, die alle Konflikte, auch den Fahnenwechsel zu den Taliban, überstanden haben. So muss man die zwei Antworten  verstehen, die Ismael Khan der Assessment Mission der Bundeswehr letzte Woche gegeben hat. Er brauche keine Internationale Friedenstruppe, da Herat sicher sei, sagte der Warlord und im zweiten Satz, dass er nicht für die Sicherheit  der deutschen ISAF Truppen garantieren könne. Deutlicher kann man nicht darstellen, dass eine Einmischung einer Internationalen Friedenstruppe nicht erwünscht ist. Jedoch ist der Schritt, die ISAF Truppen auszuweiten, enorm wichtig für den Friedensprozess im Lande, nicht nur für die internationalen Organisationen, die heute schon in einigen Regionen des Landes gar nicht mehr oder nur unter erschwerten Bedingungen operieren. 

Eine internationale Friedenstruppe trägt auch hohe Symbolkraft, dass die internationale Gemeinschaft Afghanistan nicht vergisst. 

Entwicklungsprogramme überfällig

Außerdem müssen die Geberländer und ihre Institutionen den Prozess von reiner Nothilfe zu Entwicklungsprogrammen beschleunigen.  Afghanistan war über Jahre abhängig von internationaler Nothilfe, und der soziale Sektor wäre ohne internationale Organisationen schon lange zusammengebrochen. Jedoch kann Frieden und Sicherheit nur erreicht werden, wenn die Menschen Perspektiven haben. Das Verteilen von Decken und Zelten, die notdürftige Rehabilitation von Infrastruktur gibt jedoch nur kurzfristige  Perspektiven. Die afghanische Bevölkerung braucht langfristige Ausbildungs- und Beschäftigungsprogramme, den Aufbau der Zivilgesellschaft, die Schaffung eines privaten Sektors und die dringend benötigte Beseitigung der durch den Konflikt bedingten Umweltschäden. Nur mit solchen langfristigen Programmen kann auch eine Entwaffnung der verschiedenen Milizen beginnen. Milizen ohne Einkommen und Perspektiven werden ihre Waffen nicht abgeben. Aber die afghanische Bevölkerung braucht Werte, die man nicht so schnell wieder aufgibt. Programme dieser Art gibt es leider zu wenig und zu viele Gelder sind in reine Nothilfeprojekte geflossen.

Ein dauerhafter Frieden kann weder durch eine kleine Schutztruppe in Kabul, noch durch kurzfristige Rehabilitationsmaßnahmen erreicht werden. Die internationale Gemeinschaft muss dafür mehr investieren und auch riskieren. Investitionen finanzieller Art müssen perspektivgebend und zukunftweisend sein. Eine internationale Friedenstruppe muss in andere Landesteile ausgeweitet werden, um das Zusammenwachsen des Landes zu fördern und allen Afghanen das Gefühl zu vermitteln, das die internationale Gemeinschaft an ihrer Seite steht. Auch für die deutsche Bundeswehr würde das neue Risiken und neue Herausforderungen bedeuten. Schon mehrfach haben internationale Organisationen die Internationale Friedenstruppe aufgefordert, ihr Mandat auf die Provinzen zu erweitern. Je länger man zögert, desto mächtiger werden die Warlords….desto größer die Risiken für unsere Soldaten.

Die internationale Gemeinschaft sollte ein Interesse an einem Erfolg der Mission Afghanistan haben. Ein Rückfall Afghanistans in Chaos und Gewalt würde vor allem in der muslimischen Welt als ein Erfolg radikaler, fundamentalistischer Kräfte gesehen werden- die globalen Auswirkungen einer solchen Entwicklung wären nicht abzusehen.

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