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Asienhaus-Rundbrief 5/2008, 14.4.2008 |
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In
Kürze:
1) Ankündigung
Broschüre: "China und die Olympischen Spiele"
2) Südostasien
1/2008: 10 Jahre nach der Asienkrise
3) Neu: Das Asienhaus 2007 - Wir erstatten Bericht
4.) Links zur
Tibet-Diskussion
5.) Kommentar: Olympia-Debatte: Es geht
nicht nur um Tibet
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ad 1) Broschüre:
"China und die Olympischen Spiele" |
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Schneller, höher, weiter: China überholt sich selbst. Unter diesem Titel erscheint Anfang Mai eine von Nora Sausmikat und Klaus Fritsche (Asienstiftung) im Rahmen des Projekts "EU-China: Partnerschaft für soziale und ökologische Gerechtigkeit" herausgegebene Broschüre. Sie hat einen Umfang von 52 Seiten und ist zum Preis von 5,00 Euro (plus Porto) erhältlich. Weiterverkäufer erhalten einen Rabatt (Preis ab 5 Exemplare: 4,00 Euro, ab 10 Exemplare: 10 Euro). In der Ankündigung heißt es:
Die XXIX. Olympischen Spiele in Beijing waren schon bei ihrer Vergabe wegen der Menschenrechtssituation in China umstritten. Nach den Unruhen in Tibet verschärft sich die Auseinandersetzung. Die vorliegende Broschüre beschreibt nicht nur diesen Konflikt, sondern wirft einen Blick auf die Bedeutung der Olympischen Spiele für die ökonomische, soziale und politische Entwicklung des größten Landes der Welt. Sie liefert ungewöhnliche Hintergrundinformationen aus der Feder ausgewiesener Journalisten, Wissenschaftler und Aktivisten. Hinweise auf Arbeitsmaterialien zum Thema runden das Heft ab.
Mit Beiträgen von Sven Hansen (Kontroverse um das Olympialand), Kristin Kupfer (Was bedeutet Olympia für China), Nationalitätenpolitik in China (Thomas Heberer), China als Global Player (Gudrun Wacker), Kirsten Wenk (Wer baut die Sportstätten), Falk Kagelmacher (Olympia und Probleme der Stadtentwicklung), Klaus Heidel (Business Olympia), Tobias Birkendorf (Ökonomische Bedeutung der Spiele für China) u.a.
ad 2) südostasien
1/2008: 10 Jahre nach der Asienkrise |
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Mit den Folgen der Asienkrise befasst sich die Ausgabe 1/2008 der Zeitschrift südostasien. Auf 92 Seiten wird verschiedenen Aspekten der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung seit 1998 nachgegangen. Online finden sich ausgewählte Artikel aus dem Heft, das zum Preis von 6 Euro (plus Versandkosten) beim Vertrieb des Asienhauses bestellt werden kann.
ad 3) Neu: Das
Asienhaus 2007: Wir erstatten Bericht |
Mit dem Bericht "Das Asienhaus 2007" informieren wir über die Aktivitäten des Asienhauses und seiner Mitgliedsvereine im vergangenen Jahr. Der Bericht steht online zur Verfügung. Auf Nachfrage senden wir Ihnen aber auch gerne eine gedruckte Ausgabe zu.
ad 4) Links zur
Tibet-Debatte |
Zur Diskussion über die Auseinandersetzungen in Tibet verweisen wir auf folgende Links, die aus unserer Sicht für eine differenzierte Diskussion von Interesse sind.
Um den Hintergrund der Ereignisse zu verdeutlichen, veröffentlichen wir einen kürzlich erschienenen Artikel von Professor Thomas Heberer, der am Beispiel der Auseinandersetzung über "Verwaltungsmaßnahmen für die Reinkarnation Lebender Buddhas des tibetischen Buddhismus" Ursachen, Verlauf und mögliche Lösungen des Tibet-Konflikts diskutiert. Professor Heberer lehrt an der Universität Duisburg-Essen und ist Mitglied im Vorstand der Asienstiftung. Wir danken der Zeitschrift "Zeitschrift für chinesisches Recht" für die Abdruckgenehmigung.
Thomas Heberer ordnet in seinem Artikel die Tibetfrage in den Gesamtkontext der chinesischen Nationalitätenpolitik ein: Tibet ist kein Einzelfall.
30 chinesische Schriftsteller haben am 22. März einen offenen Brief "Zwölf Vorschläge von einigen chinesischen Intellektuellen, um mit der Situation in Tibet umzugehen" verfasst. Einer der Autoren ist der bekannte Schriftsteller Wang Lixiong, der schon früher mit Artikeln und Stellungnahmen zur Tibetfrage an die Öffentlichkeit getreten ist. So veröffentlichte er z.B. den Artikel "Reflections on Tibet" in der März-April-Ausgabe 2002 in der New Left Review.
In einem Interview mit der taz (9.4.2008) erklären die chinesischen Intellektuellen He und Fang, dass Proteste im Westen nur zur Solidarisierung der chinesischen Bevölkerung mit ihrer Regierung führen. Sie fordern gleichzeitig eine Veränderung der Politik Beijings in der Nationalitätenfrage.
Tibet: "Festung des Bösen" oder Paradies auf Erden, von Michael von Brück. Diese Buchbesprechung setzt sich mit den verschiedenen Projektionen auseinander, die seit langer Zeit die Tibet-Wahrnehmungen bestimmen.
Friendly Feudalism: The Tibet Myth, von Michael Parenti. In diesem Aufsatz wird die Geschichte Tibets, seine Beziehungen zu China und die Rolle des Dalai Lama analysiert.
Die Politik des Dalai Lamas und die Entwicklung seiner Position gegenüber China schildert der Aufsatz "The politics of the Dalai Lama's new initiative for autonomy" von Oktober 2005.
Eine Sondersitzung des "Human Rights Council" fordern eine große Zahl von asiatischen Nichtregierungsorganisationen. Ein Netzwerk asiatischer NGOs hat am 4.4. ein "Statement auf Concern" veröffentlicht (langsamer Zugriff auf diese Seite).
ad 5) Kommentar: Es
geht nicht nur um Tibet |
Der folgende Kommentar wurde am 31. März geschrieben. Er ist in der Zwischenzeit in leicht veränderter Form am 4. April in der taz veröffentlicht worden. Der Autor ist Geschäftsführer der Asienstiftung und des Asienhauses (Essen). Er ist dort für das EU-China-Projekt zuständig. Mit diesem Kommentar wendet sich der Autor gegen die einseitige Tibet- und Chinaberichterstattung und stellt die These auf, dass es bei vielen Reaktionen nicht nur um Gerechtigkeit für Tibet geht, sondern um einen aus anderen Quellen gespeisten Reflex gegen die wachsende ökonomische und politische Bedeutung Chinas.
Die Unruhen in Tibet und die darauf folgende Reaktion der chinesischen Behörden haben zu heftigen Reaktionen – insbesondere von Seiten der EU und einiger europäischer Länder - geführt, auf die die chinesische Seite wiederum mit verschärften Reaktionen reagiert hat. Alles scheint dabei ganz einfach, die chinesische Regierung hat ihr wahres Gesicht gezeigt, der Westen tritt ein für Freiheit und Demokratie. Als probates Mittel scheint die Drohung mit einem Olympiaboykott. Die Welt scheint in Ordnung: Gut und Böse wieder am rechten Platz.
Auch meine ersten Reaktionen auf die Meldungen
aus Tibet war eindeutig: die jahrzehntelange Unterdrückung wird wieder mit den
altbekannten Mitteln fortgesetzt. Erneut waren friedliebende tibetische
Demonstranten niedergeschlagen und getötet worden. Es dauerte einige Tage, dann
kamen mir Fragen. Es scheint so gewesen zu sein, dass die Ereignisse am 10. März
mit friedlichen Demonstrationen begannen, um dann nach vier Tagen in gewalttätige
Aktionen von Tibetern – nicht von Chinesen – explodierten. Dabei wurden
Geschäfte von Han-Chinesen und anderen Minderheiten in Brand gesteckt und geplündert.
Erst danach sind die chinesischen Ordnungskräfte eingeschritten – sicherlich
auch mit erheblicher Gewalt. viele Verhaftungen folgten – und was mit diesen
Menschen geschieht, darüber lässt sich nur spekulieren, die Erfahrungen der
Vergangenheit lassen nichts Gutes erwarten. Die Gewaltausbrüche von vor allem
jungen Tibetern als Explosion des Frustes sind erklärbar - nach
jahrzehntelanger chinesischer Fremdherrschaft und der damit einhergehenden
kulturellen und sozialen Unterdrückung. Gebilligt werden müssen sie aber
dennoch nicht.
Was erstaunlich ist: eine solche Darstellung der Ereignisse hat bisher kaum Eingang in die Medien und Politik gefunden. Auch wenn von Toten berichtet wird – unabhängig von unterschiedlichen Zahlenangaben – ist immer noch unklar, wie viele Chinesen oder Mitglieder anderer Minoritäten den Tod gefunden haben – und wie viele Tibeter.
Genauere Informationen darüber gibt es nicht, entweder sie sind nicht bekannt oder sie werden nicht berichtet. Sicher ist aber, dass chinesische Zivilisten Opfer der von Tibetern ausgehenden Gewalttätigkeiten geworden sind. Und diese Darstellung kommt nicht von den chinesischen Behörden, sondern von unabhängigen westlichen Journalisten, deren Zugang nach Tibet von allen Seiten gefordert wird.
Ob diese Darstellung vollständig ist, darüber lässt sich nur spekulieren. Um nur einige offene Fragen zu nennen: Welcher Funken hat die Explosion von Gewalt zum Ausbruch gebracht? Es gibt Berichte, nach denen sich bereits seit einem Jahr gewalttätige Auseinandersetzungen um Tibet herum stattgefunden haben. Welchen Einfluss hat das auf die Unruhen im März gehabt? Auch bleibt unklar, warum die chinesischen Sicherheitskräfte trotz massiver Präsenz in Lhasa erst nach zwei Tagen eingegriffen haben. Überraschung? Überforderung? Oder eine Falle? Viele Fragen, keine ausreichenden Antworten.
Zu erwarten wäre dabei eine Berichterstattung, die dieser Widersprüchlichkeit der Entwicklung und der damit verbundenen offenen Fragen Rechnung trägt. Und selbst, wenn der oben skizzierte Gang der Ereignisse nicht als vollständig sicher gelten kann, hätte ihm zumindest in der Berichterstattung nachgegangen werden müssen. Zu Gewaltverzicht aufzurufen, wie es der Dalai Lama getan hat, ist eine Seite. Sich ernsthaft mit den Problemen der neuen Generation der Tibeter und auch dem Schicksal der oft unfreiwillig in Tibet wohnenden Han-Chinesen auseinander zu setzen, ist die andere Seite. Zu dieser Situation haben natürlich auch die Reaktionen der chinesischen Behörden beigetragen. Statt zur Klärung dieser Fragen beizutragen, hat sie durch ihre Aktionen wie die Sperrung Tibets für die ausländische Presse und den Rückfall in kulturrevolutionäre Beschimpfungen des Dalai Lama in alte Muster zurückgefallen sind und den Eindruck nahe legten, dass es Einiges zu verbergen ist. Sie hat damit einer einseitigen Berichterstattung Vorschub geleistet.
Und auch zu den Stellungnahmen einiger Politiker, die jetzt wegen der Ereignisse einen Olympia-Boykott fordern – interessanterweise rufen dazu weder der Dalai Lama noch wichtige Menschenrechtsorganisationen auf – stellen sich Fragen. Dass es in China Menschenrechtsprobleme gibt und nationale Minderheiten – übrigens nicht nur in Tibet – benachteiligt werden, ist nichts Neues, ebenso wenig, dass die von Peking versprochene Autonomie für die Minderheiten vielfach nur auf dem Papier steht: Das war schon vor der Vergabe der Olympischen Spiele bekannt – und in der Zwischenzeit hat es z.B. in der von Muslimen bewohnten Region Xinjiang schwere Auseinandersetzungen gegeben, ohne dass der Westen seine Stimme erhoben hat.
Eines hat sich aber gegenüber 2001, dem Zeitpunkt der Vergabe der Olympischen Spiele, geändert. China hat an internationaler politischer und wirtschaftlicher Bedeutung gewonnen, tritt als zunehmender Konkurrent in Erscheinung. In Deutschland haben sich die Stimmen gemehrt, die Ängste vor China schüren und eine stärkere Abgrenzung von China fordern. Eine konsistente Politik der Europäischen Union gegenüber China ist jedoch nicht vorhanden, wie z.B. die Auseinandersetzungen um das Waffenembargo oder die Weiterführung der Entwicklungshilfe an China zeigen.
Und so scheinen Einigen die gegenwärtigen Ereignisse in und um Tibet nur recht zu kommen, um China auf die Anklagebank zu setzen. Damit geht einher, dass in vielen Beiträgen von westlichen Medien und Stellungnahmen ebenfalls in alte Muster der Berichterstattung zurückgefallen wird, die den differenzierten und widersprüchlichen Entwicklungen in China nicht Rechnung tragen. Zynisch lässt sich die Frage stellen, ob das tibetische Volk und seine Forderungen jetzt zum Instrument westlicher Politik werden, mit dem ganz andere Ziele durchgesetzt werden sollen.
Das heißt aber nicht, dass wir still sein sollen, zu dem, was in Tibet und in China passiert. Wir sollen eintreten für die Unterstützung des tibetischen Volkes für Autonomie, den Zugang ausländischer Beobachter – nicht nur in das Land -, sondern auch zu den zu erwartenden Prozessen. Wir sollen dafür Sorge tragen, dass über die Lebenssituation der Tibeter eine dauerhafte Aufklärung erfolgt, die negativen Folgen der chinesischen Nationalitätenpolitik kritisieren und uns mit unseren chinesischen Partnern darüber auseinandersetzen. Ein Ansatz könnten die Gedanken sein, die 30 chinesische Künstler und Schriftsteller am 22. März in Beijing veröffentlicht haben.
Um ernst genommen zu werden, ist es aber auch notwendig, dass wir die Trauer über die Opfer unter der chinesisch-stämmigen Bevölkerung ernst nehmen.
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verantwortlich: Klaus Fritsche
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