Asienhaus-Rundbrief 9/2003, 28.2.2003

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In Kürze:
1.) Burma-Nachrichten: Neues Angebot der Burma.Initiative
2.) EU: NRO wenden sich gegen neue Regeln zur Entwicklungszusammenarbeit
3.) Buddhistische Stimme gegen den Krieg: Nicht-Dualität und Gewaltlosigkeit
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ad 1) Burma-Nachrichten: Neues Angebot der Burma.Initiative
Zu bestellen unter
www.asienhaus.de/burma/angebot/burma-nachrichten.htm
Kontakt: ulrike.bey@asienhaus.de

Ab sofort bietet die Burma.Initiative im Asienhaus regelmäßig Nachrichten in und um Burma an. Die Burma-Nachrichten werden ca. vierzehntägig erscheinen und bieten Informationen über die Entwicklungen in und um Burma.

ad 2) EU: NRO wenden sich gegen neue Regeln zur Entwicklungszusammenarbeit
Kontakt: Klaus Fritsche@asienhaus.de

Mit einer Erklärung haben sich 11 europäische Nichtregierungsorganisationen gegen die Pläne der Europäischen Kommission gewendet, die bestehenden Regeln für die Entwicklungszusammenarbeit mit Asien und Lateinamerika zu verändern. Während in den bestehenden Regeln Armutsbekämpfung das Hauptziel der Entwicklungszusammenarbeit darstellt und auch spezielle Mittel zum Schutz der natürlichen Ressourcen bereit stellt, enthält der Entwurf für die neuen Regeln keine politischen Ziele und unterstreicht nur die Notwendigkeit für mehr Flexibilität.

Verfasser der Erklärung sind WWF, Action Aid Alliance, ALOP, BOND, Eurostep, FERN, Hivos, Movimondo, SAAPE, TNI, 11.11.11.

"Die NRO haben die Befürchtung, dass die Mittel zukünftig dazu genutzt werden, um europäische Interessen im Bereich Verteidigung, Sicherheit und Handel zu fördern, statt den Armen in Asien und Lateinamerika zu helfen", erklärte Simon Stocker, Direktor von Eurostep. "Es wäre ein Skandal", heißt es weiter, "wenn die Entwicklungshilfe zu einem Instrument der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik werden würde."

Inzwischen haben bereits Hearings im Europa-Parlament und im niederländischen Parlament zu dieser Frage stattgefunden. Über die Ergebnisse werden wir in einem der nächsten Asienhaus-Rundbriefe informieren. Das Asienhaus plant, gemeinsam mit anderen NRO sich mit einer gemeinsamen Erklärung an die deutschen Entscheidungsträger zu wenden.

Hier finden Sie die Dokumente:

ad 3) Buddhistische Stimme gegen den Krieg: Nicht-Dualität und Gewaltlosigkeit

Während sich weltweit die Stimmen gegen einen drohenden Irak-Krieg verstärken, fand vom 4.-9. Februar in Chiang Mai, Thailand, eine Konferenz des "International Network of Engaged Buddhists" zum Thema "Buddhist Responses to Violence" statt.  Im Rahmen dieser Konferenz wurde der folgende Beitrag von Phra Paisan Visalo, Abt der nordthailändischen Klöster Pa Sukhato und Pa Mahawan in Chaiyaphum, gehalten. Ins Deutsche übersetzt wurde der Beitrag von Gerd Köberlin, der an dieser Konferenz teilgenommen hat.

Nähere Informationen über das International Network of Engaged Buddhists finden Sie im Internet in deutsch unter http://www.buddhanetz.org/ineb.htm, die internationalen Seiten unter http://www.sulak-sivaraksa.org/network22.php.

Nicht-Dualität und Gewaltlosigkeit
von Phra Paisan Visalo

Nicht-Dualität

Wir neigen dazu, die Welt in dualistischer Weise zu betrachten. Dazu differenzieren wir die Dinge in zwei gegensätzliche Kategorien: Gut und Böse, Glück und Leiden, Erfolg und Versagen. Jede Kategorie ist anscheinend von der anderen getrennt. Gleichzeitig mit dieser Unterscheidung geben wir dem einen den Vorzug gegenüber dem anderen.

Nicht-Dualität ist die 'Absage an ein solches dualistisches Denken. Grundlegend für Nicht-Dualität ist die Idee von der gegenseitigen Abhängigkeit in der Welt (Interdependenz), und zwar begrifflich und körperlich. Gut hängt von Böse ab. Wir können Gut nicht identifizieren, ohne auf Böse Bezug zu nehmen. Das Dunkel der Schatten existiert immer zusammen mit dem Licht. Die Sehnsucht nach Glück bringt es immer mit sich, daß wir uns mit Leiden beschäftigen.

Entgegengesetzte Kategorien gibt es nicht nur miteinander, sondern sie gibt es auch in sich selbst. Leiden ist auch ein Bestandteil von Glück, und umgekehrt. In der Kälte können wir auch Wärme finden und umgekehrt. Wenn man der Nicht-Dualität folgt, dann ist die Welt ein nicht-plurales, zusammenhängendes Ganzes, nicht eine Summe von Einzelbestandteilen.

Nicht-Dualität ist die zentrale Lehre des Buddhismus. Sie legt damit alles Gewicht auf die integrale Beziehung aller Dinge. Eine nicht-duale Wahrnehmung ist daher für jeden entscheidend, der eine spirituelle Befreiung vom Kreislauf aller Dinge (samsara) gewinnen möchte, ein Kreislauf, der sich um das Verhaftetsein an die entgegengesetzten Kategorien dreht. Die Nicht-Dualität spielt nicht nur für die geistliche Entwicklung eine Rolle, sondern auch für die weltlichen Tätigkeiten.

Gewaltlosigkeit

Aus buddhistischer Perspektive  sollte Gewaltlosigkeit nicht eine bloße Methode oder Strategie des “Kampfes” sein, für weltliche Ziele. Sie sollte gleichermaßen eine spirituelle Praxis des Friedens und des rechten Tuns sein, sei sie persönliche oder kollektive Praxis. Damit das auch möglich wird, müßte gewaltfreie Aktion von Anfang bis Ende aud Nicht-Dualität beruhen.

Nicht-Unterscheidung von Ich und dem Anderen

Gewaltfreie Aktion sollte nicht nur den eigenen Aufgaben dienen. Sie sollte so aufgebaut sein, daß sie auch den Zielen und Aufgaben der Anderen dient. Eine solche gewaltfreie Aktion ist nur möglich, wenn sie aus nicht-dualem Denken kommt, das die Unterscheidung zwischen “Ich” und den “Anderen” nicht mitmacht. Wenn andere leiden, erfahre auch ich Leiden. Nicht-duale Wahrnehmung führt zu Mitleiden, und das ist der Geist, aus dem gewaltfreie Aktion entsteht.

Verneinung von Schwarz-Weiß-Wahrnehmung

Bei einem Konflikt oder in einer Konfrontation wird man den Gegner auf der Seite der Falschheit sehen oder, noch schlimmer, auf der Seite des Bösen. Eine solche Wahrnehmung bringt denjenigen, der sich als gut betrachtet, dazu, daß er sich gerechtfertigt sieht, mit jeder Methode gegen den anderen vorzugehen, auch mit gewaltsamen Mitteln, im Namen der Gerechtigkeit.

Wenn man nicht-dual denkt, ist man sich dessen bewußt, daß es niemanden gibt, der absolut falsch oder absolut richtig ist. Das Verhalten des Gegners ist immer verknüpft mit dem eigenen Verhalten. Die Herrscher können immer nur schlecht oder grausam handeln, weil ihr Volk es zuläßt oder unterstützt. Wie könnten sonst 30.000 englische Soldaten 300 Millionen Inder beherrschen, wenn Letztere es nicht zugelassen hätten, fragte Gandhi.

Das Fehlverhalten von Leuten ist oftmals eine Konsequenz von ungesunden gesellschaftlichen Strukturen und Systemen, die wir selbst unterstützen oder aufrechterhalten. Wir können daher nicht unsere Verantwortung verleugnen, die wir für ihr Fehlverhalten haben.

Nicht-Dualität ist nicht nur eine Erinnerung daran, daß wir stets am Beitrag zu ihrem unerwünschten Verhalten beteiligt sind, sondern sie sagt uns auch, daß wir die Welt nicht Scharz und Weiß sehen sollten: wir sind die Guten, sie die Bösen. So gute Menschen wir auch sein mögen, so sehr wird doch das Böse oder seine Wurzeln tief in unserem Herzen sitzen, wie Ärger, Haß, Verblendung, Ichsucht, Einbildung. Niemand hat das wohl besser gesagt als Solschenizyn:

“Wenn es nur so einfach wäre! Wenn die bösen Menschen nur an irgendeiner Stelle wären, wo sie voller Gemeinheit ihre bösen Taten vollbrächten und es nur darauf ankäme, sie von uns übrigen Menschen zu trennen und zu zerstören. Aber die Trennungslinie zwischen Gut und Böse schneidet sich durch jedes menschliche Herz. Und wer wäre bereit, ein Stück seines eigenen Herzens zu zerstören?”

Da wir selbst am Fehlverhalten von jemand beteiligt sind, wenn auch nur indirekt, können wir nicht das Recht beanspruchen, Gewalt zu seiner Beseitigung zu gebrauchen oder zu unterstützen. Weil das Böse ebenso in unserem eigenen Herzen wohnt, müssen wir darauf verzichten, Gewalt gegen andere anzuwenden. Gewalt ist der Nährboden des Bösen. Je mehr man sie gebraucht, desto mehr entwickelt sich das Böse im eigenen Herzen, und schließlich verwandelt sie einen zu einem bösen Menschen. Es gibt Polizisten, die häufig hinterhältige Methoden gegen Kriminelle anwenden, und dann selbst kriminell werden.

Die Geschichte lehrt uns immer wieder, daß Schwarz-Weiß-Weltanschauungen stets viel Leiden und Tragödien für die Menschheit mit sich bringen. Der Völkermord Hitlers, Stalins und Pol Pots ist das Ergebnis solchen Denkens und ist der konsequente Versuch, das Böse aus ihrer Welt auszurotten. Am Ende werden sie selbst zu noch böseren Menschen als die, die sie auszurotten versuchen. Osama bin Laden und George Bush sind die neuesten Beispiele für eine solche Denkungsart, die in der ganzen Welt Leiden erzeugt.

Nicht-duales Denken ist die feste Grundlage für gewaltfreie Aktion. Mit solchem Denken kann man merken, daß nur Gewaltfreiheit dem Bösen ein Ende machen kann. Gewalt kann allerhöchstens die “Täter des Bösen” zeitweilig ausrotten, aber sie wird das Böse nicht los. Das Böse exisitert so lange, wie die zwei Faktoren intakt sind: die ungesunden und unheilvollen gesellschcaftlichen Systeme und das Böse im Herzen der Menschen. Beide Faktoren können nicht mit Gewalt verwandelt oder ausgerottet werden. Nur gewaltfreie Aktion kann das tun, indem sie alternative Systeme erschafft und die Herzen der Menschen anreichert – mit Liebe, Mitleiden und innerem Frieden.

Gewalt versagt nicht nur bei der Ausrottung des Bösen, sondern sie vermehrt letztendlich die Zahl der “Täter des Bösen”. Die neu entstehenden Täter des Bösen entstammen den Tätern der Gewalt, auch wenn sie im Namen des Guten geschieht, und entstammen den Opfern von deren Gewalt .

Nicht-duales Tun

Gewaltfreie Aktion muß wesensgemäß auf Nicht-Dualität gegründet sein, aus folgenden Gründen:

- Handeln durch Nicht-Tun

In einer gewaltfreien Perspektive kann Aktion und Nicht-Aktion nicht voneinander getrennt werden. Gewaltfreie Aktion zeigt sich oft als Nicht-Tun, d.h. als Nicht-Kooperation, als Wehrdienstverweigerung, als Sitzdemonstration vor einer Fabrik oder vor einer Panzerkolonne.

- Nicht-Unterscheidung von Meditation und Aktion

Meditation ist gemäß dem dualistischen Denken vom Handeln entfernt, so wie Spiritualität von sozialer Aktion. Aber im nicht-dualen Denken von gewaltfreien buddhistischen Aktivisten kann beides nicht voneinander getrennt werden. Soziale Aktion ist Bestandteil der spirituellen Entwicklung und hilft dazu, daß sich solche heilsamen Qualitäten wie Mitleiden entwickeln, oder hilft beispielsweise dazu, daß man die Transformation von Ärger und Haß lernt.

Während also soziale Aktion ein Bestandteil der Meditation ist, so kann Meditation ein Teil von sozialer und politischer Aktion sein. Der Ashram von Gandhi war ein Ort, an den die Leute zum Meditieren oder zum einfachen Leben kamen. Aber gleichzeitig stellte er eine politische Position und Aktion dar, die einen sehr großen Einfluß hatte, und schließlich den englischen Kolonialismus im Kern erschütterte.

Das nicht-duale Wesen der Meditiation und Aktion wird auch in der Lehre Buddhas ausgedrückt: Sich selbst schützen heißt andere schützen. Andere schützen heißt sich selbst schützen.

- Tun ohne Täter

Jedes Tun, das in dem Gefühl geschieht, daß das Ich der Täter ist, steht in der Gefahr, daß es zum eigenen Vorteil geschieht, obwohl sein ursprüngliches Ziel der Dienst am anderen war. Sobald  der Eindruck des Ich als Täter entsteht, wird dieses Tun zu “meinem” und demzufolge zu einem Verhaftetsein. Es entsteht Konflikt und Feindschaft, sobald “meine” Arbeit kritisiert wird oder ihr widersprochen wird. Sobald Kritik persönlich genommen wird, wird die Beziehung untergraben.

Neben solcher gestörten Beziehung bringt dieses Verhaftetsein “meiner” Arbeit auch Leiden für das “Ich” des Täters mit sich. Wenn “meine” Arbeit scheitert, scheitert auch mein “Ich”. Wenn “meine” Arbeit gelingt, gibt es Verhaftetsein mit dem Erfolg, und es entsteht Leiden, wenn die Arbeit scheitert

Nicht-duales Denken hilft dazu, auf die Nicht-Unterscheidung von Tun und Täter aufmerksam zu werden. Mit anderen Worten: Es gibt das Tun, aber nicht den Täter. Mit dieser Haltung verringert sich das Verhaftetsein des gewaltfreien Aktivisten an seiner Arbeit und ihrem Ergebnis. Dann kann man in Harmonie mit anderen arbeiten, obwohl es Kritik und Hindernisse gibt. Auch Evaluierungen können dann in objektiver Art geschehen, ohne Voreingenommenheiten. Dadurch wird gewaltfreie Aktion als geistliche Praxis von hohem Rang möglich: Lernen, wie Befreiung von der Verblendung des “Ich” erreicht wird, und echtes Glück erfahren.

Schlußfolgerung

Nicht-Dualität ist das entscheidende Element gewaltfreier Aktion, auf jedem Schritt. Nicht-Dualität gibt der gewaltfreien Aktion eine buddhistische Richtung. Kurz, buddhistische Gewaltfreiheit muß sich auf Nicht-Dualität gründen.

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