Den Preis zahlen die Armen

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Vanida Tantivitayapitak
Assembly of the Poor, Thailand

Die thailändische Umweltschützerin AUS Bangkok engagiert sich seit den 70er Jahren für benachteiligte Gruppen in der thailändischen Gesellschaft. Bekannt wurde sie vor allem durch ihr Engagement im Zusammenhang mit einer Kampagne gegen den Bau des Pak Mool Damm in Ubon Ratchathani. Zur Zeit arbeitet sie mit der thailändischen NRO "Assembly of the Poor".

Frage: In den deutschen Zeitungen lassen sich seit Beginn der sogenannten Asienkrise viele Berichte über die Folgen für das Wirtschaftssystem in Südostasien finden. Es läßt sich jedoch kaum ein Artikel über die Folgen für die armen Menschen finden. Welche konkrete Folgen hat die Asienkrise in Thailand für die einfachen Leute?

Vanida Tantivitayapitak: Die Wirtschaftskrise hat vor allem die Armen schwer getroffen. Die Regierung lädt jetzt einen großen Teil der Probleme auf ihre Schultern. So haben z.B. der IWF und die anderen internationalen Geldgeber nachdrücklich empfohlen, die Sozialausgaben der Regierung zu kürzen, um so die Rückzahlung der Kredite an den IWF zu garantieren. In Thailand haben wir aber kaum so etwas wie Sozialhilfe. Seit sechs Jahren haben wir z.B. eine günstige medizinische Versorgung in den öffentlichen Krankenhäusern für die armen Menschen in der Bevölkerung, aber jetzt werden die Leistungen wieder eingeschränkt, und die Behandlungskosten steigen wieder an, so daß manche Menschen sich medizinische Versorgung nicht mehr leisten können.

Wie sieht es mit den Dingen des täglichen Bedarfs aus?

Die Preise für das öffentliche Bussystem wurden um mehr als 20 % erhöht, aber die Menschen müssen diese Busse nehmen. Sie haben keine Ausweichmöglichkeit. Die Preise für Nahrungsmittel sind ebenfalls stark gestiegen. Teilweise kosten Nudeln an einem Straßenstand 70 % mehr. Auch wurde der Benzinpreis erhöht. Aber wirklich hart trifft die Armen der Anstieg der Preise für Nahrungsmittel.

Wie sieht es mit der Arbeitslosigkeit aus?

Einige Firmen mußten bereits schließen. Ich schätze, daß wir Ende des Jahres mit 3 Millionen Arbeitslosen zu rechnen haben. Man sollte dabei nicht vergessen, daß es keine oder kaum finanzielle Hilfen für diese Menschen gibt. Viele Eltern haben ihre Kinder, insbesondere im Alter zwischen 13-15, von der Schule genommen, damit sie Geld verdienen helfen. Gerade vielen älteren, ungelernten Arbeitern wurde gekündigt, weil sie durch ihre längere Lebensarbeitszeit oft mehr verdienen als jüngere Arbeiter. Aber diese Leute finden in diesem Alter kaum noch Arbeit, und zurück auf die Dörfer können sie häufig auch nicht mehr, da sie schon zu lange in der Stadt leben. Sie haben häufig auch keine Familie mehr in ihren Heimatdörfern, besitzen kein Land und viele besitzen nicht mehr die Kenntnisse, um in der Landwirtschaft zu arbeiten. Die jungen Leute haben in der Regel zwei Jobs. In der Regenzeit arbeiten sie in der Landwirtschaft. In der restlichen Zeit gehen sie in die Städte, um im Niedriglohnsektor niedrig qualifizierte Jobs zu suchen. Genaue Schätzungen, wieviele Menschen jedoch nun dauerhaft die Städte verlassen und wieder zurück in die Dörfer gehen, werden zur Zeit vom Arbeitsministerium angestellt. Aber von einer großen Stadtflucht kann man noch nicht reden.

Was tut die Regierung für die Arbeitslosen?

Die Regierung hat kürzlich ein Programm für die Arbeitslosen gestartet. Sie können einen günstigen Kredit von 10.000 Baht (ca. 400 DM, Stand 5/98) beantragen, aber es warten bereits 50.000 Menschen auf ihr Geld, da nach kurzer Zeit die Regierungsmittel erschöpft waren.

Vor sechs Jahren hatte uns die Regierung gesagt — übrigens der gleiche Premierminister wie heute, Chuan Leekphai — die Menschen sollen in der Industrie oder im Dienstleistungssektor arbeiten um zur Modernisierung Thailands beizutragen. Heute sagt derselbe Premier, die Landwirtschaft sei das Rückgrat der thailändischen Gesellschaft und die Menschen sollten wieder zurück auf die Dörfer gehen. Doch jetzt sind durch die Industrialisierung und Modernisierung des Landes und den Verlust der natürlichen Ressourcen nicht mehr die Voraussetzungen gegeben, allen Menschen eine Existenz auf dem Land zu sichern.

Welche Vorschläge haben Sie, um den Armen zu helfen?

Um den Armen zu helfen, brauchen wir u.a. eine Landreform. Es gibt viel Land in den Händen von Spekulanten, die das Land nicht bestellt haben. Dieses Land muß den Menschen zur Verfügung gestellt oder zurückgegeben werden, die in den letzten Jahrzehnten, z.B. durch die grüne Revolution, ihr Land verkaufen mußten oder verloren haben. Um dies zu erreichen, sollte die thailändische Regierung entweder eine Steuer für die Landbesitzer erheben, die große Flächen an Land besitzen, oder verbieten, daß man mehr als 10 rai besitzt.

Akzeptieren die Menschen ihr Schicksal und sehen sie die Situation als gegeben an?

Die meisten Menschen sehen die Situation als gegeben an. Man könne nichts dagegen tun. Es gibt aber eine kleine Gruppe von Aktivisten, Sozialkritikern und Akademikern, die vorschlagen, man solle sich mehr vom Weltmarkt abschotten. Wird die Situation sich jedoch nicht bald verbessern, werden die Menschen vermutlich bald auf die Straße gehen. Viele Mitglieder der »Versammlung der Armen« fordern baldige Neuwahlen, da Chuan Leekphai in ihren Augen nur die Erfüllung der IWF-Bedingungen beabsichtigt und nicht an das Volk denkt. Aber ich denke, daß wir keine Alternative haben. Entweder Leekphai oder Chavalit — dies sind keine Alternativen. Einige Gruppen versuchen auch den ehemaligen Premier Anand Panyarachun zur Kandidatur zu überreden zu kandidieren. Er ist zwar ein Mann, der den Ruf hat, schnell und konsequent zu handeln, aber während seiner Amtszeit hat er viele Entscheidungen aus persönlichem Interesse getroffen. Vor wenigen Tagen hat nun aber Chuan Leekphai erklärt, daß er nicht daran denkt neue Wahlen auszurufen.

(Quelle: südostasien 2-98, S.24-25)

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Stand: 10. August 1998, © Asienhaus Essen / Asia House Essen
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