Menschen(ge)recht, Sozial(ge)recht, Umwelt(ge)recht"
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China-Informationen 2/2008, 29.2.2008
www.asienhaus.de/china-informationen

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In Kürze:
1) Gesucht: Chinesische Blogs zu Olympia: Diskussion verfolgen und übersetzen

2) Neue Publikation: Olympia - Chinas Minderheiten fordern ihre Rechte
3) 23.-27.4., Köln: Chinesische Filmszene zu Gast beim Frauenfilmfestival
4.) Chinas neues Arbeitsrecht: Lackmustest für Pekings Glaubwürdigkeit
5.) "Labour Action China": Spielzeugindustrie, Kodizes und das neue Arbeitsrecht
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ad 1) Gesucht: Chinesische Blogs zu Olympia: Diskussion verfolgen und übersetzen
Kontakt: klaus.fritsche@asienhaus.de, www.stimmen-aus-china.de 

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Mit dem Blog "Stimmen aus China" will die Asienstiftung Debatten in chinesischen Blogs in Deutschland vermitteln. Dieses Angebot soll in Zukunft im Rahmen unseres China-Projektes ausgebaut werden. Wir suchen deine Mitarbeiterin/einen Mitarbeiter, der auf Honorarbasis vorerst sich auf die Diskussionen über die Olympischen Spiele konzentriert. Vorschläge zu anderen Themen sind willkommen. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an Klaus Fritsche.

 

ad 2) Neue Publikation: Olympia - Chinas Minderheiten fordern ihre Rechte 
mehr Informationen hier

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Mit der Situation von Minderheiten - ethnischen wie religiösen - befasst sich die Ausgabe 246 (2/2008) der Zeitschrift "pogrom", herausgegeben von der Gesellschaft für bedrohte Völker. Das Heft umfasst 42 Seiten und ist zum Preis von 4,60 zu beziehen. 

ad 3) 23.-27.4., Köln: Chinas Filmszene zum Gast beim Frauenfilmfestival
Kontakt: presse@frauenfilmfestival.eu

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Vom 23.-24. April findet das Internationale Frauenfilmfestival Dortmund/Köln mit einem Focus auf China statt. Der folgenden Presseerklärung sind die wichtigen, auf China bezogenen Informationen zu entnehmen. Die Asienstiftung ist als Kooperationspartner bei der Durchführung des Werkstattgesprächs "Dokumentarfilm im Dialog - China und Deutschland" beteiligt, das am 24. April in der Filmpalette (10-15 Uhr) stattfinden wird.

Ausführliche Informationen über die Teilnehmenden und das Programm finden Sie hier.

ad 4) Chinas neues Arbeitsrecht: Lackmustest für Pekings Glaubwürdigkeit
von Christa Wichterich

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Am 1. Januar trat in China das neue Arbeitsrecht in Kraft. Seitdem werden viele Diskussionen über die Wirksamkeit und die Folgen dieser neuen Gesetzeslage diskutiert. Christa Wichterich diskutiert in ihrem Beitrag die hier deutlich werdenden Chancen wie Widersprüche, die sich insbesondere aus den Problemen der Umsetzung und fehlender Möglichkeiten der unabhängigen Interessenvertretung der Arbeitenden ergeben. Der Artikel ist in der Januarausgabe des "Informationsbriefes für Weltwirtschaft & Entwicklung" erschienen.  Wir danken für die Möglichkeit der Übernahme dieses Beitrags.

Zum Artikel geht es hier!

ad 5)  Labour Action China: Spielzeugindustrie, Kodizes und das neue Arbeitsrecht
Kontakt: uwe.kleinert@woek.de, Webseite "Aktion fair spielt", Beitrag in pdf

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Im Rahmen der Nürnberger Spielzeugmesse veranstaltete die "Aktion fair spielt" ein Pressegespräch und forderte Markenhersteller und Handel dazu auf, ihren Teil der Verantwortung für gesundheitsschädliches Spielzeug und miserable Arbeitsbedingungen in den asiatischen Spielzeugfabriken zu übernehmen. Wir dokumentieren den Beitrag, den Suki Chung von "Labour Action China" (Hongkong) dort gehalten hat. (Hinweis: CSR steht für Corporate Social Responsibility oder Gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, ICTI für International Council of Toy Industries, also den internationalen Dachverband der Spielzeugindustrie)

Herausforderungen und Chancen des ICTI-Kodex und des chinesischen Arbeitervertragsgesetzes aus Arbeiterperspektive

Übersicht über CSR-Initiativen in Bezug auf den ICTI-Kodex

1995 in Kraft getreten, wird der ICTI-Kodex nun seit über zehn Jahren praktiziert. Dieser Kodex ist eine der ersten CSR-Initiativen auf Branchenebene gewesen, die von multinationalen Firmen übernommen wurden, um auf Unregelmäßigkeiten in Bezug auf die Arbeitsbedingungen bei den Produktionsabläufen ihrer Zulieferer und Subunternehmer in Entwicklungsländern zu reagieren. Die Anstrengungen zur Einführung und Anwendung des Kodex haben dazu beigetragen, „ethische Maßstäbe für den Markt“ zu entwickeln. Die Etablierung des „ICTI CARE-Prozesses“ im Jahr 2006 zeigt, dass die Spielzeugindustrie zu (auch finanziellen) Anstrengungen bereit ist, ethisch vertretbare Produktionsbedingungen in der Spielzeugherstellung zu befürworten und weiter voranzutreiben. 

Aus der Perspektive von NGOs wird der Kodex als ein möglicher Ansatzpunkt betrachtet, um die Rechte von Arbeiterinnen und Arbeitern auf Fabrikebene zu fördern. In den letzten Jahren haben NGOs und Unternehmen mehrere gemeinsame Initiativen gestartet, die die Umsetzung der im Kodex vorgesehenen Standards und Prinzipien in China zum Ziel hatten, wo 75% des weltweit produzierten Spielzeugs gefertigt werden. Dennoch: Während die Konzeption der CSR in der Geschäftswelt immer populärer wird, ist die Kritik an der Art und Weise, in der sich multinationale Unternehmen in diesem Rahmen engagieren, keineswegs verstummt. Dies gibt Anlass zu einer grundlegenden Frage: Können durch CSR-Initiativen, wie den ICTI-Kodex, Arbeitsbedingungen in Entwicklungsländern überhaupt spürbar verbessert werden? Vor dem Hintergrund von Beobachtungen und Recherchen der letzten Jahre können wir sehen, dass solche freiwilligen Initiativen in China nur begrenzt dazu beitragen können.

Das erste Problem ist, dass der Kodex auf Grund seiner Eigenschaft als freiwillige Selbstverpflichtung keineswegs garantiert, dass alle Firmen und Subunternehmer die nationalen und internationalen Arbeitsstandards einhalten. Die Einhaltung des Kodex bleibt zweifelhaft, angesichts immer noch vorhandener Beweise von Ausbeutung und Fälschungen in vielen Spielzeugfabriken in China. Das zweite Problem ist, dass der gesamte Prozess der Entwicklung und Umsetzung des Kodex von oben nach unten verlaufen ist, ein Prozess zur Verteidigung der „Arbeiterrechte“ ohne Beteiligung der Arbeiter. Diese werden im Dunkeln gelassen, während die internationalen Firmen, bei denen sie beschäftigt sind, ihre Arbeitsstandards ausarbeiten, festlegen, umsetzen und auswerten. Arbeiter sind eher Objekte als Beteiligte bei der Durchsetzung ihrer eigenen Rechte und Interessen. 

Die Ethik der Produktion ist also in gewisser Weise „managerisiert“ worden. Beraten von ihren Fabrikinspektoren  präsentiert das Management seine Akten, Register und Bilanzen als Beweise für die Einhaltung des Kodex. Die Anwendung dieser Praktiken mag Vorteile haben für die Käufer, Prüfer und Subunternehmer. Aber letzten Endes stellen sie sich doch eher als Arbeit auf dem Papier heraus, denn als tatsächliche Fortschritte in der Verteidigung von Arbeiterrechten. Außerdem ziehen es die meisten Unternehmen vor, immer wenn es um CSR geht, die technischen Aspekte in den Vordergrund zu stellen. Wenn es um Umweltrechte geht, tendieren die Unternehmen beispielsweise dazu, technische Maßnahmen zur Reduktion von Emissionen zu ergreifen. Aufgrund dieser Bevorzugung technischer Ansätze ist Arbeitssicherheit für die Unternehmen ein relativ unproblematisches Thema, da viele Probleme technisch gelöst werden können, d.h. indem sie die Produktionsanlagen verbessern, um die Gesundheit der Arbeiter zu schützen oder Arbeitsunfälle zu vermeiden. 

Wir erkennen durchaus an, dass der Kodex signifikante Verbesserungen in Bezug auf das Recht auf Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz (OSH) gebracht hat. Dennoch können nicht alle Bereiche des Arbeiterschutzes ausschließlich auf technischer Ebene behandelt werden. Einige Kernprobleme wie Löhne und Arbeitszeiten sind in der Spielzeugindustrie immer noch ungelöst. Diese Art von Problemen kann nicht durch Fortschritte auf der technischen Ebene alleine gelöst werden. Sie stehen nicht nur mit einer Reform der Managementstrukturen in Zusammenhang, sondern auch mit den sensibelsten Bereichen, wie dem Recht der Arbeiter, mit dem Management zu verhandeln, wenn ihre Interessen berührt sind.

Heute geben sogar Unternehmen selber zu, dass ihre CSR-Programme ineffektiv sind. Einige von ihnen haben das Versagen ihrer CSR-Programme der schlechten Durchsetzung von Gesetzen in China zugeschrieben. Allerdings gibt es hier einen entscheidenden Widerspruch: Wenn es ein gutes Rechtssystem gäbe, eine angemessene Durchsetzung der Gesetze, und Gewerkschaften, die wirklich die Interessen der Arbeiter vertreten, wären Verhaltenskodizes überhaupt nicht nötig. Natürlich sind internationale Unternehmen nicht für die Versäumnisse chinesischer Regierungsführung verantwortlich, aber wenn sie ihren guten Ruf bewahren wollen, können sie auch nicht einfach die Augen davor verschließen. Gut gemeinte Verhaltenskodizes in die Praxis umzusetzen, erfordert deren Übertragung in landesspezifische Prozesse. Und die Effektivität der Kodizes kann nur dadurch sichergestellt werden, dass man die grundlegenden Fragen anspricht, nämlich das Recht auf Kollektivverhandlungen und das Recht auf Selbstorganisation der Arbeiter auf Fabrikebene.

Die Inkraftsetzung des Arbeitsvertragsgesetzes

Am 1. Januar 2008 hat die chinesische Regierung eine weitere wichtige Komponente zu ihrem bereits bestehenden substanziellen Kanon von Arbeitsrechten hinzugefügt: das Arbeitsvertragsgesetz. Seit der Abfassung des Gewerkschaftsgesetzes 1992 und des Arbeitsgesetzes 1994 hat die Regierung regelmäßig neue Gesetze und Regeln eingeführt, die die Rechte und Interessen der Arbeiter schützen sollen, und somit, aus rechtlicher Perspektive, den Schutz der Arbeiterrechte in China systematisch verbessert. Allerdings sind die Rechte der Arbeiter, während sie zunehmend gesetzlich verankert wurden, auf Fabrikebene prekär geblieben und werden routinemäßig durch die Unternehmensführungen ignoriert oder verletzt. Die Ursache für diese offensichtliche Widersprüchlichkeit ist nicht schwer auszumachen; einfach gesagt, haben Arbeiter in China noch immer nicht das Recht auf Kollektivverhandlungen. 

Das neue Arbeitervertragsgesetz kommt nun zu einem guten Zeitpunkt und nimmt einen bevorzugten Platz in Chinas rechtlicher Landschaft ein. Es ist ein günstiger Zeitpunkt, weil sowohl die Zentralregierung in Peking als auch die einfachen Arbeiter überall im Land darin übereinstimmen, dass – nach drei Jahrzehnten angestauter Spannungen zwischen Management und Arbeiterschaft – etwas getan werden muss. Wenn der gegenwärtige Zustand bestehen bleibt, in dem das Management routinemäßig die Arbeiter ausbeutet und ihre Rechte straflos verletzt, werden die Arbeiter, wie in der Vergangenheit, in zunehmendem Maße auf Protest und sogar Gewalt zurückgreifen, um Wiedergutmachung zu fordern – und das wird niemandem nützen. Das Gesetz nimmt eine gute Position ein, weil es effektiv auf dem bestehenden Fundament existierender Arbeitsgesetzgebung und -regulierung aufbaut. Vor allem bestimmt das Gesetz, dass der Arbeitgeber verpflichtet ist, mit den Vertretern der Arbeiterschaft einen kollektiven Arbeitsvertrag auszuhandeln.

Angesichts der Implementierung des Arbeitsvertragsgesetzes denken wir, dass multinationale Unternehmen am besten damit beraten sind, auf Fabrikebene direkt mit den Repräsentanten der Arbeiter zusammen zu arbeiten, die rechtlich bevollmächtigt und von der Regierung zum Aushandeln kollektiver Verträge ermutigt worden sind. Und wir denken, dass die Zeit reif ist für die Gewerkschaft, in tatsächliche, kollektive Verhandlungen einzutreten, anstelle der „kollektiven Konsultationen“, die sie bisher bevorzugt hat. Da ein kollektiver Vertrag rechtlich durchsetzbar ist, sind die chinesischen Zulieferfirmen dazu verpflichtet, sich an seine Bestimmungen zu halten. Dies gibt internationalen Einkäufern eine effektivere Garantie dafür, dass sie ihre Ziele sozialer Verantwortung einhalten können. Darüber hinaus haben nach dem Gesetz die Arbeiter das Recht, ihre eigenen Repräsentanten auszuwählen, die an der Gestaltung kollektiver Verträge teilnehmen und ihre Implementierung direkt überwachen dürfen. Dadurch kann ein solcher Vertrag schneller und vollständiger umgesetzt werden.

Aus der Perspektive der CSR hat ein kollektives Arbeitsvertragssystem drei Vorzüge:

In der Durchsetzung kollektiver Verträge in chinesischen Zulieferfirmen sehen wir eine dreifache Gewinnsituation für alle beteiligten Parteien. Die internationalen Einkäufer können ihre Verpflichtung zu sozialer Verantwortung realisieren und so ihre ethische und soziale Reputation verbessern. Die chinesischen Zulieferfirmen werden stabile Arbeitsbedingungen in ihren Fabriken bekommen. Und die chinesischen Arbeiter werden den Schutz ihrer Rechte und Interessen sichern können.

Die rechtliche Umgebung in China verbessert sich. Wir denken, dass Chinas gegenwärtige soziale, ökonomische, politische und rechtliche Umwelt es sowohl nötig als auch möglich macht, das kollektive Vertragssystem in chinesischen Zulieferfirmen voranzutreiben und umzusetzen. In Bezug auf die Spielzeugindustrie – inklusive multinationaler Spielzeugkonzerne – ist es, zwölf Jahre nach der Übernahme des ICTI-Kodexes, für alle Beteiligten – Arbeiter, Regierungen und NGOs – an der Zeit, die CSR von guter Absicht in umfassende und nachhaltige Praxis vor Ort umzusetzen.

Die Übersetzung besorgte Martin Stimmler, zur Zeit Asienhaus

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