Menschen(ge)recht, Sozial(ge)recht, Umwelt(ge)recht"
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China-Informationen 4/2008, 25.4.2008
www.asienhaus.de/china-informationen

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In Kürze:
1) Broschüre: China und die Olympischen Spiele

2) Tibet, China und Olympia: Weitere Links zur Diskussion
3) Hintergrund: "Ökologisches Wasser" für den Tarim
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ad 1) Broschüre: "China und die Olympischen Spiele"
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Schneller, höher, weiter: China überholt sich selbst.  
Unter diesem Titel erscheint Anfang Mai eine von Nora Sausmikat und Klaus Fritsche (Asienstiftung) im Rahmen des Projekts "EU-China: Partnerschaft für soziale und ökologische Gerechtigkeit" herausgegebene Broschüre. Sie hat einen Umfang von 52 Seiten und ist zum Preis von 5,00 Euro (plus Porto) erhältlich. Weiterverkäufer erhalten einen Rabatt (Preis ab 5 Exemplare: 4,00 Euro, ab 10 Exemplare: 10 Euro). In der Ankündigung heißt es:

Die XXIX. Olympischen Spiele in Beijing waren schon bei ihrer Vergabe wegen der Menschenrechtssituation in China umstritten. Nach den Unruhen in Tibet verschärft sich die Auseinandersetzung. Die vorliegende Broschüre beschreibt nicht nur diesen Konflikt, sondern wirft einen Blick auf die Bedeutung der Olympischen Spiele für die ökonomische, soziale und politische Entwicklung des größten Landes der Welt. Sie liefert ungewöhnliche Hintergrundinformationen aus der Feder ausgewiesener Journalisten, Wissenschaftler und Aktivisten. Hinweise auf Arbeitsmaterialien zum Thema runden das Heft ab.

ad 2) Tibet, China und Olympia: Weitere Links zur Diskussion

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An dieser Stelle ergänzen wir die Links, die wir in den China-Informationen 3/08 veröffentlicht haben. Wir haben auch eine gesonderte Information auf unsere Homepage eingerichtet, auf der wir diese Links zusammenfassend darstellen: www.asienhaus.de/tibet

ad 3) "Ökologisches Wasser" für den Tarim
von Niels Thevs, Text zum Download als pdf-Datei 

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Niels Thevs analysiert das Problem der "Flussregulierung zwischen Naturschutz, Landnahme und ethnischen Gegensätzen bei der Regulierung des Tarim, Xinjiang. Er wirft damit einen Blick auf eine weitere wichtige, von Minderheiten besiedelte Region Chinas.

Er ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Botanik und Landschaftsökologie an der Universität Greifswald. 2006 hat er über Ökologie und Nutzung der Tugai (Auenvegetation) am Tarim promoviert.

Seit dem Jahr 2000 wird jedes Jahr Wasser in den 300 km langen Unterlauf des Tarim geleitet, nachdem dieser Flussabschnitt seit Beginn der 70ziger Jahre des 20. Jahrhunderts komplett trockengefallen war. Ziel dieser Maßnahme, über die in ganz China in den Medien unter dem Stickwort „ökologisches Wasser für den grünen Korridor entlang des Tarim“ (gei talimu he de lüse zoulang tigong shengtai shui) berichtet worden ist, ist der Erhalt der Auenwaldvegetation am Unterlauf des Tarim und die Wiederherstellung des Detama-Sees, des ehemaligen Endsees des Tarim. Das Wasser wird aus dem benachbarten Baghrash See-Kenqi-Flusssystem sowie aus dem Binnendelta am Mittellauf des Tarim entnommen. Diese Wassertransfers sind Teil der Tarim-Regulierung. 

Der Tarim-Unterlauf mit seinem nur 500 m breiten Auenwaldstreifen verläuft zwischen den Wüsten Taklamakan und Lop vom Nordrand des Tarim-Beckens bis zu seinem Südrand bei Qarlik (Ruoqiang). Ökologische Gründe, ebenso wie Armutsbekämpfung, aber auch strategische Interessen haben bei der Konzeption der teilweise von der Weltbank finanzierten Tarim-Regulierung eine Rolle gespielt. Eine der beiden Straßen, die Xinjiang mit Zentralchina verbinden, verläuft entlang des Tarim-Unterlaufs und drohte durch häufige Sandstürme zu oft unpassierbar zu werden. Ein intakter Auenwald zu beiden Seiten des Tarim und der Straße schützt diese Anbindung Xinjiangs vor Sandverwehungen. 

Die Geschichte des Tarim

Der Tarim, 1321 km lang, fließt entlang des Nordrandes der Taklamaken-Wüste und ist die Lebensader für Landnutzung, Siedlungen sowie sämtliche Ökosysteme am Nordrand des Tarim-Beckens. Der Tarim ist bis in die 50ziger Jahre des 20. Jahrhunderts von den Flüssen Aksu, Kashgar sowie Yarkant und Hotan gespeist worden, die in den Gebirgen Tianshan, Pamir bzw. Kunlun entspringen. Die Quellflüsse wurden und werden ausschließlich vom Schmelzwasser der Gletscher sowie durch Sommerniederschläge in den Gebirgen gespeist. Die Flüsse im Tarim-Becken führen daher im Sommer Hochwasser. Sobald der Tarim die Berge verlässt, erhält er kein Wasser mehr, sondern gibt Wasser an die Umgebung ab. Die Wasserabgabe erfolgt durch Kanäle bzw. natürliche Nebenarme in das Hinterland, durch Infiltration in den Grundwasserleiter sowie durch Verdunstung in die Atmosphäre. Aus dem Grundwasser versorgt sich die natürliche Auenvegetation.

Bis 1949 konzentrierte sich die Landwirtschaft auf die Oasen auf den Schwemmfächern, wie Kashgar, Yarkant, Aksu oder Kuqa, die Oasen, die es schon zur Zeit der Seidenstraße gab. Am Tarim gab es damals nur wenige kleine Siedlungen, bewohnt von Uighuren sowie Lopliks. Der Tarim bildete damals eine undurchdringbare Wasserwildnis. Am Mittellauf spaltete der Tarim sich zu einem Binnendelta auf. Dieses Binnendelta stand in Verbindung mit dem benachbarten Baghrash See-Kenqi-Flusssystem. Die jährlichen Sommerhochwässer verlagerten den Flusslauf und seine Nebenarme ständig. Die Flussdynamik ging sogar so weit, dass zeitweise der Tarim in den Unterlauf des Kenqi, zeitweise umgekehrt der Kenqi in den Unterlauf des Tarim drainierte. Der Unterlauf des Kenqi mündete in den See Lopnor. Der Endsee des Tarim war der Detama-See. 

Nach 1949 wurden Han-Chinesen in ganz Xinjiang angesiedelt. Von 1949 bis 1994 stieg die Bevölkerung der Han-Chinesen von 0,29 Mio. auf 6,2 Mio., die der Uighuren von 3,3 Mio. auf 7,7 Mio. im selben Zeitraum. Die alten Oasen wurden vergrößert und neue Oasen, hauptsächlich Militärfarmen (bingtuan) wurden am Oberlauf sowie am Unterlauf des Tarim angelegt. Seit Ende der 80ziger Jahre wird fast nur noch Baumwolle angebaut. Seit den 70ziger Jahren des 20. Jahrhunderts erreicht nur noch der Aksu permanent den Tarim. Die Quellflüsse Hotan und Yarkant speisen den Tarim nur noch sehr selten während hoher Hochwässer. Grund sind die steigenden Wasserentnahmen für die Bewässerung. Nach Fertigstellung des Daxihaizi-Stausees am Unterlauf des Tarim gelang ab Ende der 60ziger Jahre kein Wasser mehr in den Unterlauf des Tarim. 1972 waren der Tarim-Unterlauf sowie die Endseen Detama und Lopnor ausgetrocknet. 

Der Mittellauf des Tarim mit Teilen seines Binnendeltas ist bis in die 90ziger Jahre von Neulanderschließungen verschont geblieben. Daher wurde hier bereits 1983 das Naturschutzgebiet Tarim Huyanglin ausgewiesen. Dieses Schutzgebiet enthält – noch – einige der weltweit letzten intakten Auenwälder und Feuchtgebiete Zentralasiens. Die Auenwälder und Feuchtgebiete verhindern die Ausbreitung der Wüste, sie stellen eine wichtige Weidefläche dar, sie schützen Landwirtschaft vor Wind, sie sind Rückzugsgebiete für die Tierwelt und sie akkumulieren Biomasse, so dass sie als Kohlenstoffsenke wirken. 

Seit 1995 sind im Schutzgebiet 3600 ha Neuland für Baumwollanbau erschlossen worden. Das Land ist vom Regierungsbezirk direkt an Han-Chinesen aus Xinjiang sowie aus Sichuan vergeben worden. Dadurch wurden sowohl die Schutzgebietsverwaltung wie auch die zuständige Gemeinde umgangen.

Der Baumwollanbau im Tarim-Becken ist eine sehr intensive Kultur. Am Mittel. Und Unterlauf des Tarim ist die Vegetationsperiode eigentlich schon etwas zu kurz für den Baumwollanbau. Daher wird das Saatgut auf der gesamten Anbaufläche mit Plastikfolie überdeckt. Die Plastikfolie hat einen Effekt wie ein kleines Gewächshaus, so dass schon zeitig im März gesäät werden kann. Diese frühe Aussaat ist notwendig, damit die Baumwolle rechtzeitig vor dem Winter eingebracht werden kann. Im Tarim-Becken werden in großen Mengen Pflanzenhormone als Halmverkürzer eingesetzt, damit die Baumwolle in der kurzen Vegetationsperiode möglichst viel Faserertrag bringt und wenig Biomasse im Stamm und den Blättern anlegt. Dies führt dazu, dass die Baumwolle nicht maschinell geerntet wird, sondern von Scharen von Wanderarbeitern, die ebenfalls meist aus Sichuan kommen. 

Schädlinge stellen bisher noch kein großes Problem dar, zumal auf den neu erschlossenen und oft inselhaft verteilten Flächen. Dennoch ist es nur eine Frage der Zeit, dass Schädlinge auch diese Standorte am Tarim erreichen und Pestizide eingesetzt werden. 

Ein mittelfristiges Problem des Baumwollanbaus ist die Gefahr der Bodenversalzung. Baumwollle muss das Wasser nahe der Bodenoberfläche bekommen, da die Wurzeln nicht tief reichen. Daher verdunstet ein Teil des Bewässerungswassers und hinterlässt Salze im Boden. Nach jeder Saison muss der Boden gespült werden, um die Salze auszuwaschen. Hierfür ist oft nicht genug – oder nur salziges Wasser – vorhanden. Besonders die Baumwollbauern am Mittellauf und Unterlauf bekommen oft nur zur Hochwasserzeit salzfreies Wasser, weil das Wasser schon mit Salzen aus dem Baumwollanbau am Oberlauf belastet ist. 

Die natürliche Vegetation ist in so fern sehr gut an die Hydrologie des Tarim angepasst, als dass sie sich während der Niedrigwasserzeit aus dem Grundwasser versorgt. Da der Grundwasserleiter während der Hochwasserzeit aufgefüllt wird, ist das Grundwasser salzarm. Das Grundwasser liegt 3-12 m tief, so dass keine direkte Verdunstung aus dem Grundwasserleiter stattfindet und es nicht zu Bodenversalzung kommt.

Die Tarim-Regulierung

Die Tarim-Regulierung umfasst ein ganzes Bündel von Maßnahmen: Wassertransfers, Ökosystemschutz, Entwicklung der Landwirtschaft und Armutsbekämpfung sowie die Einrichtung einer Wassereinzugsgebietskomission für das Tarim-Becken. Allerdings sind diese Maßnahmen hinsichtlich ihrer Umsetzung und Auswirkungen kritisch zu betrachten. 

Die Wassertransfers haben zum Ziel, den Unterlauf während der Hochwasserzeit mit Wasser zu versorgen, damit die dortige Auenvegetation sich regeneriert und der Detama-See mit Wasser gefüllt wird. Für die Versorgung des Unterlaufs sollen drei Wasserquellen angezapft werden und so Wasser zum Unterlauf hin umverteilt werden: 

Als Maßnahme zur Entwicklung der Landwirtschaft wurden neben Tröpfchenbewässerung Grundwasserbrunnen gebaut. Nach dem Frühjahr 2007 nahm die Grundwassernutzung einen gewaltigen Aufschwung, weil der Tarim ab Mai auf ca. 900 km trockengefallen war. Die Bauern, die ihr Wasser direkt aus dem Tarim beziehen mussten Ernteeinbußen hinnehmen. Große Betriebe, die sich einen Grundwasserbrunnen leisten konnten, hatten deutlich geringere Ernteausfälle. Das Problem der Grundwasserentnahme ist, dass diese ungeregelt stattfindet. Die Grundwasserspiegel werden sehr wahrscheinlich durch Übernutzung des Grundwassers sinken. Dieser Prozess wird durch die Deiche entlang des Tarim noch verstärkt, weil Überflutungsräume, in denen die Grundwasserneubildung stattfindet, vom Fluss abgeschniten worden sind. 

Hinsichtlich des Ökosystemschutzes ist geplant 22 000 ha Ackerland aufzuforsten. Mit dieser Maßnahme gekoppelt wurden am Mittellauf des Tarim zwischen 2003 und 2004 Teile der uighurischen Bevölkerung umgesiedelt. Von offizieller Seite hieß es, dass die umgesiedelten Uighuren neues Land in der Nähe der Oasen Bügür bzw. Korla erhalten sollten. Das neue Land war jedoch nicht zu gebrauchen, da es keinen geeigneten Wasseranschluss hatte. Das Land, von dem die Uighuren weggesiedelt worden waren, wurde dann, wiederum an allen offiziellen Regeln vorbei, als Ackerland an Han-Chinesen vergeben und nicht aufgeforstet. Auch an anderer Stelle hat es nur mehr symbolische Aufforstungen gegeben. 

Die umgesiedelten Uighuren sind mittlerweile zeitweise in ihre alten Dörfer zurückgekehrt, um dort zeitweise ihr Vieh zu weiden, da sie an den neuen Orten kaum Möglichkeiten für Landwirtschaft haben. Dies führt natürlich zu Nutzungskonflikten, die teilweise so weit gehen, dass das Weidevieh gezielt vergiftet wird. 

Schon 2005 und 2006 zeigte sich, dass der Schutz der Auenvegetation geringe Priorität hat. In beiden Jahren gab es sehr hohe Hochwässer, so dass sowohl für den Tarim Unterlauf wie auch für die Nebenarme am Tarim Mittellauf genug Wasser vorhanden war. Die Schleusen für die Nebenarme wurden erst beim Rückgang des Hochwassers zum Ende der Vegetationsperiode geöffnet. 2006 hieß es sogar, dass nicht mal der Tarim Unterlauf viel Wasser bekommen hat, sondern dass die Anbaufläche für Baumwolle am Unterlauf auch vergrößert worden ist. 

Nutznießer der Tarim-Regulierung sowie der neueren Neulanderschließungen sind in Xinjiang ansässige sowie aktuell zugewanderte Han-Chinesen, die vor Ort nur als „große Chefs“ (Da laoban) bezeichnet werden. Tatsächlich erschließen die Investoren jeweils 1000-2000 mu, oft mit Grundwasserbrunnen, während in den uighurischen Dörfern eine Familie auf 20-50 mu wirtschaftet und dabei noch von der Wasserführung des Tarim abhängig ist.

Im Rahmen eines Projektes, das von der Gregor-Louisoder-Umweltstiftung, München, gefördert wird, erarbeiten wir in Kooperation mit Wissenschaftlern von der Xinjiang Universität ein Konzept für die Etablierung eines internationalen Biosphärenreservates im Schutzgebiet Tarim Huyanglin. Dadurch soll zum einen der Status der Schutzgebietsverwaltung sowie der einheimischen Bevölkerung aufgewertet werden. Zum anderen sollen im Rahmen eines Biosphärenreservatskonzeptes alternative Landnutzungen vorangebracht werden, die auf Pflanzen basieren, die an die natürlichen Gegebenheiten am Tarim angepasst sind. Ein Beispiel ist die Nutzung von Schilf als Rohstoffpflanze für die Papierindustrie, Bauindustrie oder als Energieträger.

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