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Menschenrechte in Timor-Leste

Die NGO ACbit stärkt Opfer sexualisierter Gewalt. Die Frauen erfahren Wertschätzung und Anerkennung. (Foto: Manuela Leong Pereira)

Geschlechtsspezifische Gewalt, Korruption, Straflosigkeit und fehlende Gerechtigkeit im Umgang mit der gewaltbelasteten Vergangenheit sind die zentralen Menschenrechtsprobleme in Timor-Leste. Eine aktive und freie Zivilgesellschaft und nationale Institutionen wie die Menschenrechtskommission, die Antikorruptionsbehörde und das Zentrum für Versöhnung und Frieden wirken dagegen an.

 

Aus: Menschenrechte 2022: Aktuelle Lage in 17 Ländern. Politische Handlungsoptionen, Herausgegeben von: Internationale Advocacy Netzwerke (IAN), Februar 2022

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Timor-Leste: Forderung nach Gerechtigkeit und der Bekämpfung von geschlechtsspezifischer Gewalt

Geschlechtsspezifische­ Gewalt ­und ­insbesondere­ häusliche­ Gewalt ist allgegenwärtig. Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu beseitigen ist zentrales gesellschaftliches Anliegen in Timor-Leste. NGOs kritisieren die Bemühungen der Regierung als noch nicht ausreichend. (Third Universal Periodic Review Cycle: Timor-Leste, Joint Civil Society Stakeholders‘ Submission, 14 July 2021)

Die Regierung von Timor-Leste unterhält ein Staatssekretariat für die Unterstützung und die sozioökonomische Förderung von Frauen. Zusammen mit der EU-UN Spotlight Initiative, UN Women und lokalen NGOs fördert das Staatssekretariat Frauenrechte und Gleichberechtigung.

Häusliche Gewalt

Obwohl es seit 2010 es ein Schutzgesetz gibt, das häusliche Gewalt unter Strafe stellt und vorschreibt, dass Fälle der Polizei gemeldet werden müssen, fehlt es Polizei und Gerichtsakteuren an Verständnis für geschlechtsspezifische Gewalt. Ermutigt durch das Gesetz wagen es aber mehr und mehr Frauen, ihre Fälle zu melden und zur Anklage zu bringen.

Delikte von häuslicher Gewalt sind nach der einfachen Körperverletzung die am häufigsten angeklagten Straftaten im Strafrechtssystem. Doch Versäumnisse bei der Verfolgung von Vergewaltigung und sexualisierter Gewalt sind üblich. Die Einheiten der Polizei (PNTL) gegen häusliche Gewalt und zum Schutz von Frauen verfügen nicht über genügend Personal, um eine landesweite signifikante Präsenz zu gewährleisten. Unverhältnismäßig lange dauert es bis zur Verfahrenseröffnung. Die Gerichte verhängen übermäßig häufig Bewährungsstrafen, auch in schwerwiegenden Fällen. NGOs fordern daher eine Verbesserung der Ausbildung von Polizei und Gerichtsakteuren zu geschlechtsspezifischer Gewalt.

Das Ministerium für soziale Solidarität und Integration hat die Aufgabe, Betroffene von häuslicher Gewalt zu unterstützen. Das Ministerium, dem es an Kapazitäten mangelt, ist dabei auf die Zusammenarbeit mit lokalen Frauenrechtsorganisationen angewiesen. NGOs empfehlen, deren Dienste mit mehr Mitteln zu unterstützen. Denn um allen Frauen in Timor-Leste einen Schutzraum zu bieten und sie dabei zu unterstützen, ihr Recht einzuklagen, gibt es zu wenige Einrichtungen.

Korruption

Das politische System ist bestimmt von Patronage, Korruption und Vetternwirtschaft. 2020 hat das Parlament ein lang erwartetes neues Antikorruptionsgesetz verabschiedet. Es mangelt jedoch an der Umsetzung des Gesetzes. Die nationale unabhängige Korruptionsbekämpfungskommission (CAC) ist anfällig für politischen Druck, da die Regierung den Haushalt kontrolliert. Die Kommission hat die Befugnis, Fälle zur strafrechtlichen Ermittlung an die Staatsanwaltschaft zu überweisen. Es kommt dennoch selten zu Verfahren und Verurteilungen. Insbesondere scheinen Ermittlungen gegen Politiker*innen, Regierungsmitglieder sowie leitende Persönlichkeiten und Veteran*innen des Unabhängigkeitskampfes vermieden zu werden. In der Öffentlichkeit herrscht weiterhin der Eindruck der Straflosigkeit.

Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte

Immer wieder kommt es zu übermäßiger Gewaltanwendung durch Sicherheitskräfte. Das betrifft auch ihr Verhalten außer Dienst. Unverhältnismäßig häufig wird von Schusswaffen Gebrauch gemacht. In der Bevölkerung herrscht der Eindruck, dass Angehörige der Sicherheitskräfte für illegale und missbräuchliche Handlungen weitgehend straffrei ausgehen und dass das Anzeigen von Missständen zu Vergeltungsmaßnahmen führe. Zur Verbesserung der Polizeiarbeit und der Disziplinarmechanismen bieten bilaterale und multilaterale Partner Unterstützung an; das Büro der Ombudsperson für Menschenrechte und Justiz führt Menschenrechtsschulungen sowohl bei der Polizei wie auch bei den Streitkräften durch.

Menschenrechtsverletzungen während der Besatzungszeit durch Indonesien und Forderungen nach Gerechtigkeit für die Opfer

In Timor-Leste sind während der Besatzungszeit durch Indonesien (1975–1999) schwere und systematische Menschenrechtsverletzungen begangen worden. Die Bemühungen durch die UN um Strafverfolgung gelten gemeinhin als gescheitert. Bei Gericht in Timor-Leste sind seit 2014 keine neuen Verfahren mehr eingeleitet worden. Empfehlungen der nationalen Wahrheits- und Versöhnungskommission, Commission for Reception, Truth and Reconciliation (CAVR), und der bilateralen Wahrheits- und Freundschaftskommission, Commission for Truth and Friedship (CTF) zwischen Indonesien und Timor-Leste kommt die Regierung nur sehr ungenügend nach. Dies mahnen NGOs und die Nachfolgeinstitution der Wahrheitskommissionen, das 2017 eingerichtete Centro National Chega! (CNC) an. Frauen, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen wurden, erfahren Stigmatisierung und Diskriminierung und warten bislang vergeblich auf angemessene Reparationen. Familien fühlen sich alleine gelassen auf der Suche nach den Gräbern ihrer gewaltsam verschwundenen Angehörigen. Die Forderung nach Gerechtigkeit ist ein weiterhin zentrales Thema in der Gesellschaft.

Empfehlungen

  • Wir bitten die Abgeordneten des Bundestages sowie die Bundesregierung, sich auch im Dialog mit Parlamentarier*innen und Regierungsvertreter*innen aus Timor-Leste dafür einzusetzen, dass
  • Empfehlungen zur Verbesserung der Gleichstellung und zur Beseitigung von Diskriminierungen von Frauen, wie sie z.B. im Universal Periodic Review zu Timor-Leste ausgesprochen sind, umgesetzt werden;
  • die Sensibilisierung für geschlechtsspezifische Gewalt vorangetrieben wird. Dies gilt für die Verbrechen an Frauen während der Besatzungszeit durch Indonesien 1975–1999 ebenso wie für die Gewalt gegen Frauen und deren Lebenssituation heutzutage;
  • Timor-Leste seine Verpflichtung, die Empfehlungen der nationalen und binationalen Wahrheitskommissionen (CAVR & CTF), umsetzt, insbesondere die Einsetzung einer Kommission zusammen mit Indonesien für die Aufklärung über den Verbleib der gewaltsam Verschwundenen. Straflosigkeit soll beendet und die Rechte der Opfer auf Gerechtigkeit, Wahrheit und Wiedergutmachung gewahrt werden;
  • Gesetze zur Bekämpfung der Korruption Anwendung finden;
  • die Menschenrechtsschulungen für die nationalen Sicherheitskräfte ausgeweitet und Disziplinarverfahren transparent durchgeführt werden.

 

 

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