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Sanktionierung der Junta in Myanmar durch die EU - Eine Einschätzung

Um die Proteste in Myanmar zu unterstützen und den Forderungen nach der Rückkehr zur Demokratie Nachdruck zu verleihen, sollte die Europäische Union alle angemessenen Mittel nutzen. Eine zur Verfügung stehende Möglichkeit sind Sanktionen.

Bisher durch die EU ergriffene Maßnahmen

Die EU hat bereits seit 1991 eine Reihe von restriktiven Maßnahmen gegen Myanmar verhängt. Im Rahmen der politischen Entwicklung in Myanmar hob die EU 2013 die meisten dieser Maßnahmen wieder auf, das Waffenembargo besteht allerdings weiterhin. Aufgrund der bei der Verfolgung der Rohingya begangenen Menschenrechtsverletzungen, verschärfte die EU 2018 die Maßnahmen. Dual-Use Güter und bestimmte Überwachungstechnik wurden unter Ausfuhrbeschränkungen gestellt. Auch technische Unterstützung und Finanzhilfen in diesen Bereichen dürfen nicht gewährt werden. Weiterhin wurden ausgewählte Angehörige des Militärs sanktioniert.

In Reaktion auf den Militärputsch vom 1. Februar 2021 hat die EU im März neue Sanktionen gegen 10 myanmarische Militärs und den neuen Vorsitzenden der Wahlkommission erlassen. Sie werden mit einem Reiseverbot in der EU belegt und ihre Vermögenswerte in Europa werden eingefroren. Die EU setzte ebenfalls ihre Entwicklungszusammenarbeit mit Myanmar aus.

Im Zuge der Strategie ‚Entwicklungspolitik 2030‘ hatte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung schon 2020 die direkte bilaterale Zusammenarbeit mit Myanmar eingestellt. Laut DW fielen damals besonders fehlende Reformorientierung und Kriterien der Regierungsführung in die Waagschale. 2021 findet das BMZ direktere Worte und gibt an, die Zusammenarbeit aufgrund der schweren Verbrechen der Armee gegen die Rohingya eingestellt zu haben.

Lücken in den Sanktionen

Die bisherigen Maßnahmen treffen aber nicht alle Interaktionen der europäischen Wirtschaft mit dem Militär. Ein konkretes Beispiel ist die Lieferung deutscher Flugzeuge zu Ausbildungs- und Trainingszwecken an das myanmarische Militär im Jahr 2018. MdB Bause stellte hierzu eine Reihe schriftlicher Fragen an die Bundesregierung. In ihrer Antwort gibt die Regierung an, dass der Bericht einer Fact-Finding Mission, der Firmen mit Verbindungen zu den Industrie-Konglomeraten des Militärs identifizieren sollte, keine deutschen Firmen nenne. Dies verhindert allerdings nicht den Verkauf von Einzelteilen, die keinen Ausführungsbeschränkungen unterliegen an Drittländer, die damit militärische Güter herstellen und diese an das myanmarische Militär verkaufen.

Ein weiterer Fall sind die LKWs des myanmarische Militärs, die als Truppentransporter, aber auch in der Repression der Proteste eingesetzt werden. Justice for Myanmar und die SZ haben in einer Untersuchung festgestellt, dass die LKWs von Sinotruck hergestellt werden. Der deutsche LKW-Hersteller MAN ist mit 25% einer der größten Anteilseigner dieser in Hong Kong residierenden Firma. MAN hat ebenfalls vier Sitze im Vorstand von Sinotruck. Auf Nachfrage der SZ gab der Münchener Hersteller an, nichts von der Verwendung der LKWs durch das Militär gewusst zu haben. MAN selber wird über die Holding-Firma Traton hauptsächlich vom Volkswagen-Konzern gehalten, in dem das Land Niedersachsen einen Anteil von 20% hat. So lässt sich eine Kette von der Unterdrückung der Proteste in Myanmar bis zu einer Landesregierung ziehen.

Finanzielle Unterstützung des Militärs

Da das Militär in Myanmar aber auch stark in die Wirtschaft involviert ist, ist nicht nur die Bereitstellung militärisch verwendbarer Güter problematisch. Die beiden Militärkonglomerate Myanmar Economic Holdings Limited (MEHL) und Myanmar Economic Corporation (MEC) sind tief in der myanmarischen Wirtschaft verwurzelt.
Ein Beispiel, in dem operationale und finanzielle Interessen des Militärs zusammenkommen, ist der Telekommunikationsanbieter Mytel. Da das Militär Anteilseigner ist, kommt ihm ein Teil der Profite zugute. Gleichzeitig kann Einfluss auf die Kommunikationsinfrastruktur auch zur Überwachung der Kommunikation genutzt: Die Netze können einfacher abgeschaltet werden, wenn das Militär es will. Nach Berichten der Deutschen Welle waren deutsche Firmen über Partner wie Viettel an der Entwicklung und Bereitstellung der in Myanmar verwendeten Netzinfrastruktur beteiligt.

Eine der Sanktionen, die das Militär am härtesten treffen könnte, wäre die Einstellung der Kooperation in der Erdgasförderung durch den französischen Konzern Total. Dieser betreibt zu über 30% die Offshore-Förderung von Gas im Yadana-Feld und erschloss zu Beginn des Putsches gerade neue Felder. Dabei zahlt das Unternehmen nicht nur Steuern, sondern teilt auch die Produktion mit der Regierung. Nach Angaben von Total führten sie 2019 insgesamt 229,6 Millionen Euro an Myanmar ab. Dabei wurden die Profite der Produktion schon vor dem Coup nicht direkt an die Regierung abgeführt, sondern über die Myanma Oil and Gas Enterprise (MOGE), ein Staatsunternehmen mit enger Bindung an das Militär, weitergeleitet. MOGE veröffentlich weder ihre Einkünfte, noch haben sie eine öffentlich zugängliche Internetpräsenz. Spätestens jetzt, wo das Militär die Macht an sich gerissen hat, ist so keine Unterscheidung zwischen Einnahmen des Militärs und der Regierung mehr möglich.
Total war schon früher unter Kritik geraten, so zum Beispiel durch eine Klage, die 2002 in Belgien eingereicht wurde, in der Myanmarische Geflohene ihnen aufgrund dieser wirtschaftlichen Verbindungen eine Mitschuld am Vorgehen des Militärs zuschrieben. Bis 2023 war eine breitere Einbindung des Konzerns in den Energiehaushalts Myanmars eingeplant.

Indirekte Wirtschaftsbeziehungen

Durch die enorme Globalisierung der letzten Jahrzehnte ist ein unüberschaubares Netz internationaler Seilschaften entstanden. Diese sind häufig durch verschiedene Holding-Firmen verdeckt, die dann wieder als Teil eines allgemeinen Investment-Portfolios aufgenommen und so unsichtbar gemacht werden. Ein Beispiel dafür ist der südkoreanische Stahlbetrieb POSCO, beziehungsweise die internationale Tochtergesellschaft POSCO International. Die internationalen Finanzbeziehungen, die von einer Firma ausgehen, die mit dem myanmarischen Militär gemeinsame Projekte betreiben, hat Justice for Myanmar hier sehr anschaulich zusammengestellt. Während deutsche Firmen nicht betroffen zu sein scheinen, haben weite Teile des niederländischen Pensionsfonds in POSCO investiert und profitieren so von Geschäftsbeziehungen zum Militär. Der schwedische Pensionsfonds ist ebenfalls Anteilshalter. Auch Blackrock, die größte Asset-Management-Firma der Welt zählt zu den Investoren.

Westliche Firmen in Myanmar

Eine breite Sanktionierung Myanmars würde also europäischen Unternehmen schaden. Schon 2018 schieb das Handelsblatt, dass Deutschland versuche Teile seiner Entwicklungszusammenarbeit zu privatisieren. Zitiert wird ein Abgesandter der IHK Reutlingen, der meint auch wenn man ab und zu mit Tunichtguten zusammenarbeiten müsse, seien diese diejenigen, die Arbeitsplätze schaffen könnten. Hier geht es nicht um Handel mit Personen die schon sanktioniert wurden, sondern um die Erschließung eines neuen Markts durch westliche Firmen. Brachte dies in der Vergangenheit schon immer wieder Konflikte mit marginalisierten Gruppen im Land zu Tage, so ist jetzt, wo das Militär nicht nur einen guten Teil der Wirtschaft ausmacht, sondern auch den Staatsapparat kontrolliert, die Situation deutlich komplexer.
Mögen deutsche Export nach Myanmar auch relativ gering sein, so ist Europa doch ein wichtiger Absatzmarkt und viele Firmen haben entweder Zulieferer oder Produktionsstätten im Land. Germany Trade & Invest, die Außenwirtschaftsagentur der BRD, meldet zwar, dass deutsche Unternehmen wenig exponiert seien, berichtet aber auch von einem Warenlager, das die Metro AG 2019 für 20 Millionen Euro in einer Sonderwirtschaftszone einrichtete.,
Deshalb veröffentlichte eine Reihe von Firmen schon im Februar ein Statement über das Myanmar Centre for Responsible Business, in dem sie ihre Ausrichtung entlang der Menschenrechte und ein Bekenntnis zur Demokratie aussprachen. Von den Mitgliedern der ACT on living wages erging ein ähnliches Statement. Tchibo gibt an, alle Geschäftspartner im Land auf Kontakte zum Militär zu prüfen und hat Zulieferer aufgefordert, Lohnzahlungen fortzusetzen und Entlassungen in der Krisenphase zu vermeiden. Am 26. März veröffentlicht auch der Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft eine Pressemitteilung, in der der Vorsitzende angibt, dass die Gewalt des Militärs gegen friedliche Demonstranten erschütternd sei und es neben Unterbrechungen in der Lieferkette auch zu Engpässen bei Lebensmitteln und Treibstoff gekommen sei.

Angesichts dessen ist es für die EU dringend notwendig, robuste und gezielte Sanktionsmaßnahmen gegen das myanmarische Militär und die ihm zugehörigen Firmen zu erlassen. Es ist dabei aber auch darauf zu achten, dass diese nicht zu Lasten der Bevölkerung gehen. Ein erster Schritt wäre die sofortige Einstellung der Handelsbeziehungen mit MEHL und MEC, auch über Drittparteien, die Desinvestition auf europäischer Ebene aus allen Betrieben, die direkten Kontakt zu Militär haben und eine Offenlegung der Verstrickungen europäischer Konzerne mit den Militärs.

Majid Lenz

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