Vom 27. bis 28. Juni 2011 fanden in Berlin die ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen seit Bestehen der diplomatischen Beziehungen statt. Es wurden 22 Abkommen, darunter allein 14 Wirtschaftsverträge, im Umfang von 10,6 Mrd. EUR geschlossen.
Analyse
Weitaus wichtiger als die abgeschlossenen Verträge ist die symbolische Dimension des Treffens: Die Einrichtung der Regierungskonsultationen spiegelt den Aufstieg der VR China zu einem zentralen Akteur der Weltpolitik und damit zugleich zu einem unverzichtbaren Kooperationspartner der europäischen Staaten wider. Diesen Aufstieg hat China im Schatten der globalen Banken- und Finanzkrise vollzogen. Die veränderten internationalen Konstellationen ermöglichen es der Volksrepublik, Wirtschaftsboom und Devisenreserven in politische Macht zu konvertieren.
— Der Fokus der chinesischen Europastrategie hat sich von der supranationalen zurück auf die intergouvernementale Ebene verschoben. Auslösender Faktor sind die Entwicklungen der Jahre 2003-2006, in denen es zwar zu einer Neuformulierung der EU-Chinastrategie kam, die Positionen der chinesischen Seite durch die EU, so chinesische Analysten, jedoch nicht angemessen berücksichtigt wurden.
— Der Ausbau der Beziehungen zwischen Deutschland und China ist ein erster Schritt für die allgemeine Intensivierung der chinesisch-europäischen Partnerschaft. Ob sich diese allerdings von Beziehungen „entfernter Nachbarn“ zu einer „neuen Achse der Weltpolitik“ wandeln wird, hängt sowohl von den zukünftigen Entwicklungen der EU (und ihrer Mitgliedsstaaten) als auch der VR China ab.
— Um ihre wirtschaftlichen und politischen Strukturen vor dem Hintergrund der Finanzkrise stabilisieren zu können, ist China wie die EU auf Kooperation angewiesen. Auf Seiten der EU scheint eine Aktualisierung der gemeinsamen Chinastrategie erforderlich, um der Gefahr einer Rückverlagerung der Chinapolitik auf die Ebene der Mitgliedsstaaten entgegenzuwirken.
Nele Noesselt: Strategiewechsel in der chinesischen Europapolitik?