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Corona in Asien: Zivilgesellschaftliche Länderperspektiven

Coronakrise verschärft Situation der Armen in Indien

«Uns haben sie vergessen». Nach Schätzungen sind in Indien mehr als 90 Prozent aller Arbeitnehmer*innen im informellen Sektor beschäftigt. Sie sind tagtäglich darauf angewiesen, Arbeit zu finden, um sich und ihre Familien über Wasser halten zu können. Die Auswirkungen der weitgehende Ausgangs- und Kontaktsperre sind für die armen Bevölkerungsschichten verheerend, zeigt Muriel Weinmann ( Südasien-Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung, 6.04.2020) auf. 

Die Regierung verspricht Hilfe und steht vor dem Problem der Umsetzung. Viele Wanderarbeiter*innen verfügten weder über die notwendigen Dokumente noch über ein Bankkonto, um die Hilfsprogramme der Regierung in Anspruch nehmen zu können, so die Gewerkschaftlerin Lokesh. Gewerkschaften und zivilgesellschaftliche Organisationen arbeiteten daher daran, diese Wissenslücken zu schließen und die betroffenen Menschen zu organisieren. 

"Zu Beginn der fünften Woche des großen Hausarrestes werden die wirtschaftlichen Folgen mehr als deutlich", schreibt Marion Müller in ihrem Beitrag „Indien in Zeiten der SARS-CoV-2 Pandemie: ein Bild voller Widersprüche“ (hbs, 28.04.2020) : Etwa 90 Millionen Saisonarbeiter/innen seien arbeitslos, staatliche Hilfsfonds aufgebraucht oder bis an ihre Grenzen ausgelastet. Zu einer täglich steigenden Arbeitslosigkeit komme eine drohende Nahrungsmittelknappheit für ca. 650 Millionen Menschen. Es gäbe nur wenig gut aufgearbeitete Berichte darüber, wie die am stärksten betroffenen Menschen mit der Situation umgehen bzw. umgehen können. Dafür aber umso mehr Medienkampagnen, in denen Minderheiten, Ausländer/innen und vor allem die muslimische Bevölkerung des Landes für die Ausbreitung des Virus verantwortlich gemacht werden.

„Wenn am Ende der Krise die Mehrheit der Bevölkerung dieses Landes dem Sterben durch Hunger oder Krankheit überlassen bleibt“, meint Linda Chhakchhuak, „und wir die Chance nicht nutzen, um auch sozial gerecht und ökologisch umzudenken, dann war alles andere sinnlos. Die Frage, die wir uns stellen müssen ist doch die: Wie soll das Indien aussehen, in das wir eintreten, sobald wir die Ausgangssperre verlassen können?“ 

Randgruppen und Minderheiten bekommen die wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen Auswirkungen der Ausgangssperre sofort und unmittelbar zu spüren, mahnt Mihir S. Sharma in seinem Beitrag „Willkommene Sündenböcke: In Indien treibt das rechte Establishment im Schatten von COVID-19 seine Spaltungsagenda voran“ (igp-journal,m 16.04.2020). „Das Perverse an der populistischer Politik in Indien und anderswo ist, dass die starken Männer sich eklatante Fehler leisten können und ihre Wählerinnen und Wähler ihnen trotzdem keinen Vorwurf machen. Stattdessen werden andere Sündenböcke ausfindig gemacht. In Indien sind dies traditionell die religiösen Minderheiten.“

Südostasiatische Autokraten in der Coronakrise

Notstandsbefugnisse um umfassende Lockdowns führen zu massiven Einschränkungen im öffentlichen und persönlichen Bereich. Autoritäre Machthaber in Südostasien nutzen diese nun um gegen kritische Stimmen oder politische Gegner*innen vorzugehen. Gegen Verstöße der Corona-Maßnahmen wird oft scharf vorgegangen, es kommt zu willkürlichen Festnahmen. Die Meinungsfreiheit in den Ländern wurde weiter eingeschränkt, auf Kritik in sozialen Medien am Krisenmanagement der Regierungen drastisch reagiert.

Solidaritätsaktion für Arbeitsmigrant*innen in Malaysias Ölpalmenplantagen

Im ostmalaysischen Bundesstaat Sabah sind indonesische Arbeiter*innen auf Ölpalmenplantagen besonders von der Pandemie betroffen. Die meisten Ölpalmenplantagen und -mühlen sowie -raffinerien haben den Betrieb eingestellt. Durch eine Verordnung zur Bewegungseinschränkung der Regierung sind die Arbeiter*innen in den Plantagen eingeschlossen und können sie nicht verlassen, um z.B. Lebensmittel zu kaufen. Auch mobile Händler*innen können die Plantagen nicht anfahren. Nahrungsmittel werden knapp. Und Nahrungsmittelhilfen zielen zumeist nicht auf die Migrant*innen ab. 

Eine Arbeitsgruppe der Sabah Plantation Industry Employee's Union (SPIEU), Borneo Komrad, Gabungan Persatuan Belia Bahagian Tawau und der Sabah Family Planning Association hat zusammen mit dem Asia Monitor Resource Centre und der Transnational Palm Oil Labour Solidarity Grundnahrungsmittel an die Arbeiter*innen und ihre Familien sowie Medikamente, Masken und Handschuhe verteilt.

Südostasien: Einschränkung der Meinungsfreiheit im Schatten der Pandemie

Im Schatten der Coronakrise entstehen zahlreiche Einschränkungen der individuellen Freiheit. In Thailand zum Beispiel schränkt eine Zensur, welche eigentlich die Verbreitung von Fakenews verhindern soll, auch die Verbreitung anderer Inhalte ein. Das trifft insbesondere auf regierungskritische Inhalte zu. In Burma wurden verschiedene unabhängige Newsportale gesperrt. Der Artikel der Neuen Zürcher Zeitung thematisiert, wie in der Coronakrise einerseits extrem langsam präventive Maßnahmen gesundheitlicher Art verabschiedet werden, auf der anderen Seite aber blitzschnell fundamentale demokratische Rechte außer Kraft gesetzt werden. Der Kampf gegen die Pandemie könnte daher ein Vorwand darstellen, gegen oppositionelle Stimmen vorzugehen und autoritäre Strukturen zu implementieren.

Kategorien Menschenrechte | Asien

Obdachlosigkeit während der Coronakrise in Megacities

Während "Zuhause bleiben" eine gute Maßnahme ist, um der Ausbreitung des Coronavirus entgegenzuwirken, ist dies keine Option für wohnungslose Menschen. Der Artikel der Friedrich-Ebert-Stiftung thematisiert, wie Menschen in Megacities wie Hong Kong oder Delhi unter schlechten Wohnbedingungen oder sogar Obdachlosigkeit leiden. Und schlechte Lebensbedingungen erhöhen das Ansteckungsrisiko. Auch ist COVID-19 der Auslöser dafür, dass viele Menschen erst obdachlos werden- die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie treffen arme Menschen besonders hart.

Bulletin: Die Auswirkungen von Corona auf Asien

Im ersten Bulletin von Focus on the Global South werden zahlreiche Auswirkungen von COVID-19 auf die Länder Asiens behandelt. Zunächst wird diskutiert, wie einige Regierungen autoritäre Strukturen implementieren, Menschenrechte vernachlässigen und die Bedürfnisse der Menschen aus der Arbeiterklasse missachten. Des Weiteren wird in vier detaillierten Artikeln die Situationen von informellen Arbeiter*innen und Migrant*innen in Thailand, Indien und den Philippinen skizziert. Es wird aufgezeigt, wie diese durch die Krise ihre Lebensgrundlage verloren haben und nun mit Hunger und Obdachlosigkeit konfrontiert werden. Eine Studie der International Traditional Fisherfolk Union beschreibt dabei insbesonders, wie COVID-19 die Aquakultur und die Lebensweise der Fischerleute in Indonesien beeinflusst. Des Weiteren finden sich im Bulletin zwei Webinars, welche in Zusammenarbeit mit dem Transnational Institute und dem Alternative Information Development Center eine internationalistische Antwort auf die Krise untersuchen. Zuletzt führt das Bulletin ein Musikvideo von Messenger Band, eine mit Focus on the Global South zusammenarbeitende Band aus Kambodscha, die anhand eines bewegenden Videos dem engagierten Krankenhauspersonal danken möchte.

Mögliche Antworten auf Corona

In einem Kurzdossier des International Growth Centre (IGC) werden medizinische, ökonomische, soziale und politische Überlegungen zum Umgang mit Corona diskutiert. Die aktuell noch niedrige COVID-19 Statistik für Myanmar könnte sich als Spitze des Eisberges enttarnen. Es werden Empfehlungen gegeben, wie Myanmars Regierung, die Zivilgesellschaft und religiöse Oberhäupter (gemeinsam) handeln könnten, um der Krise angemessen zu begegnen.

An den Frontlinien der Pandemie, Krankenpfleger*innen aus den Philippinen im weltweiten Einsatz

Arbeitsmigration ist ein zentraler Bestandteil der philippinischen Wirtschaft und tief mit gesellschaftlichen Strukturen verwoben. 10 Prozent der Bevölkerung arbeiten in Übersee, viele davon im Gesundheitssektor. Westliche Staaten sind seit Jahrzehnten auf Krankenpflegepersonal aus dem Globalen Süden angewiesen. Insgesamt fehlen der Welt laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sechs Millionen Krankenpfleger*innen. Aurora Almendral richtet ihren Blick auf philippinische Krankenpfleger*innen, die in den USA, Großbritannien und Spanien COVID-19 Patient*innen behandeln und selbst der Infektionsgefahr ausgesetzt sind. Im April hat die philippinische Regierung Krankenpflegekräfte an der Ausreise gehindert. Laut der Regierung fehlen den Philippinen 300.000 Krankenpflegkräfte.