In der aktuellen Publikation der Asien-Abteilung des Global Network for the Right to Food and Nutrition, koordiniert von FIAN International, werden die Auswirkungen von Covid-19 auf die Ernährungssicherheit beschrieben. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen wird die Anzahl hungernder Menschen Weltweit durch die Pandemie zunehmen. Einiger Länder Asiens gehören zu den am stärksten von der Pandemie Betroffenen. Hierbei wurden bestehende Krisen verstärkt und auch die Schwachstellen des Ernährungssystems, sowie die damit einhergehenden Ungleichheiten, offengelegt.
So wurden bereits marginalisierte Gruppen, wie beispielsweise Dalits, Wanderarbeiter*innen und landlose Landwirt*innen besonders hart durch die im Zuge der Pandemiebekämpfung durchgeführten Einschränkungen bzw. Lockdowns getroffen – und auch in ihrem Recht auf Nahrung und Ernährung verletzt.
Der Bericht behandelt, wie die jeweiligen Pandemiemaßnahmen der Länder Bangladesch, Indien, Indonesien, Pakistan, Philippinen und Nepal marginalisierte Gruppen in ihrem Recht auf Nahrung und Ernährung betroffen haben. Zu jedem Land werden einzeln die jeweiligen Maßnahmen und Auswirkungen dargestellt. Der Bericht schließt mit einem Empfehlungskatalog der Mitgliedsorganisationen an die nationalen Regierungen ab.
Trotz vergleichsweise niedriger Infektionsraten hat die Pandemie zu massiven wirtschaftlichen Ausfällen in vielen Staaten Asiens geführt. Dies erhöht die Risiken für die Ernährungssicherheit erheblich. In Kambodscha wurden Verbraucher*innen durch den Preisanstieg bei Grundnahrungsmitteln und den krisenbedingten Einkommensstillstand hart getroffen. Auch Naturereignisse und Wettereinflüsse, zum Beispiel im Mekongdelta, beeinflussen die Lage negativ. Die Landwirtschaft, die in den meisten asiatischen Ländern ein wichtiger Arbeitgeber ist, hat aufgrund von Einschränkungen der Freizügigkeit einen erheblichen Rückgang der Arbeitskräfte erlebt. Dies führte zu einer geringeren landwirtschaftlichen Produktivität und niedrigeren Einkommen. Viele informelle Arbeiter*innen aus betroffenen Sektoren, wie dem Tourismus, wurden mittellos. Nur sehr wenige dieser Gruppen haben Zugang zu Sozialsystemen. Infolgedessen ist der Nahrungsmittelkonsum in vielen Haushalten zurückgegangen, eine beträchtliche Zahl von Menschen berichtet, dass sie sich nicht genügend Nahrungsmittel leisten können. Länder wie Afghanistan, Nepal oder Timor-Leste gehören laut World Food Programme zu den am gefährdetsten Staaten aufgrund ihrer Abhängigkeit von Nahrungsmittelimporten und Rücküberweisungen.
Die sogenannten am wenigsten entwickelten Länder der Welt (LDCs) werden im Jahr 2020 die schlechteste ökonomische Entwicklung seit 30 Jahren erleben, wie die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) in einem Bericht mitteilt. Die Folgen der Pandemie seien sinkende Familieneinkommen, mehr Arbeitslosigkeit und wachsende Haushaltsdefizite in den Staatskassen. Dies könne bis zu 32 Millionen Menschen in extreme Armut treiben. Zu den im Report aufgeführten Ländern gehören von asiatischer Seite Afghanistan, Bangladesch oder Bhutan, aber auch Kambodscha, Laos, Myanmar und Nepal. Die Situation dieser Länder stellt dabei auch ein besonderes Risiko für die globalen Gesundheits-, Bildungs- und Nachhaltigkeitsziele dar, so der Bericht. Das Gremium fordert die internationale Gemeinschaft deshalb dazu auf, besagte Staaten mit einem Aktionsplan zu unterstützen, der auf die Entwicklung lokaler Produktionskapazitäten abzielt.
Indien, Nepal und Pakistan berichten von einem starken Anstieg von Wilderei. So wurden bedrohte Tierarten wie seltene Vögel, Leoparden und Nashörner illegal gejagt und verkauft. Grund für den Anstieg sei die schwierige wirtschaftliche Lage in der Pandemie. Viele Menschen haben ihre Lebensgrundlage verloren und jagen nun, um damit Einkommen zu erwirtschaften. Ein besonderes Risiko besteht auch, da zoonotische Krankheiten über den Verzehr der wilden Tiere übertragen werden könnten. Vietnam wiederum zog Anfang des Jahres als Reaktion auf diese Entwicklungen ein Handelsverbot für Wildtiere in Erwägung. Auch wenn Wilderei gesetzlich hart bestraft wird, bleibt die Rechtsdurchsetzung weiterhin das größte Problem für den Tierschutz.
Menschen mit Behinderungen in Nepal brauchen während der Corona-Pandemie besondere Pflege und Aufmerksamkeit. Der Mangel an angemessenen Gesundheitseinrichtungen macht sie anfälliger für das Virus. Ein lokaler Ausbruch in einem Rehabilitationszentrum zeigte zudem, dass Menschen mit Behinderung einer größeren Gefahr bezüglich des Coronavirus ausgesetzt sind.
Die Pandemie bringt die seit langer Zeit bestehende Schwächen des nepalesischen Regierungssystems ans Licht. Die hohe Arbeitslosigkeit treibt Millionen Menschen in die Arbeitsmigration. Viele von diesen können aufgrund des Lockdowns nicht zurückkehren und stranden an den Grenzen. Eine schlechte Krankenversorgung insbesondere in ländlichen Regionen und schlecht organisierte Quarantänemaßnahmen sorgen außerdem für Kritik. Allerdings werden Proteste gegen die Regierung stetig unterdrückt.
Nepal befindet sich im Lockdown. Dieser ist für Menschen in informellen Siedlungen jedoch schwer einzuhalten, da sie unter miserablen Lebensbedingungen wohnen müssen. Mehrere Zivilisten wurden bei Verlassen ihrer Häuser von der Polizei angegriffen und brutal verprügelt. Gegen die Polizeigewalt gehen Menschenrechtsorganisationen nun rechtlich vor. "Für viele wirtschaftlich und gesellschaftlich Benachteiligte bedeutet das Leben im Lockdown eine elementare Bedrohung ihrer Menschenrechte und ihrer Existenz."
Auch Wanderarbeiter*innen leiden unter den Bedingungen. Obdachlos und arbeitslos harren viele von ihnen an den Grenzen aus oder versuchen über illegale Wege nach Nepal zu kommen. Der Lockdown schränkt den zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraum sowie die Menschenrechte stark ein.
"Frauen insgesamt, vor allem aber alleinerziehende und alleinstehende Frauen sind besonders gefährdet", betont ily Thapa, Gründerin der ZFD-Partnerorganisation WHR „Women for Human Rights“. Als alleinige Ernährer ihrer Familie sind sie nun mit Hunger, Arbeitslosigkeit und Gewalt konfrontiert. Die Organisation WHR verteilt Lebensmittel und engagiert sich für mehr Sicherheit für nepalesische Frauen während der Ausgangssperre. WHR befürchtet, dass auch nach der Krise langfristige soziale Nachteile für Frauen in Nepal bestehen werden.