Thailändische Arbeitsmigrantinnen in Japan

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Naomi Horstmann
Die Autorin ist freie Übersetzerin und Mitglied der Asian Women Association. Außerdem war sie in Bangkok Mitarbeiterin der Nichtregierungsorganisation "Friends of Thai Women".

Die Probleme

In den letzten dreißig Jahren ist die Zahl der asiatischen Arbeitsmigranten nach Japan dramatisch angestiegen. So stieg Anfang der achtziger Jahre zunächst die Zahl von Arbeitsmigrantinnen aus den Philippinen und danach besonders die der thailändischen Arbeitsmigrantinnen.

Nach der Statistik der japanischen Behörden sind 1986 30.296 neue Migranten (17.452 Männer, 12.844 Frauen) aus Thailand nach Japan gekommen, 1991 waren es 98.763 und 1992 waren es 97.568 einschließlich derer mit re-entry Visa und 52.675 mit Touristenvisa. Von den Migranten 1992 waren insgesamt 52.094 Männer und 45.474 Frauen, wobei sich unter den 20 bis 24jährigen um 2.000 mehr Frauen als Männer befanden.

Illegale Einwanderer in Japan*

Monat Illegale Einwanderer davon Frauen davon Männer
07.1990 11.523 4.062 7.461
11.1991 32.751 13.780 18.971
11.1992 53.219 24.463 28.756
05.1993 55.383 25.624 29.759
11.1193 53.845 24.759 29.086
05.1994 49.992 22.611 27.381
11.1994 46.964 21.068 25.905

*) nach Angaben japanischer Behörden

Nach der Statistik der japanischen Behörden über die illegalen ausländischen Arbeiter waren 1992 5.000 thailändische Arbeitsmigrantinnen in Japan, was eine Verdoppelung im Vergleich zu 1991 darstellt. Bei den illegalen ausländischen Arbeiterinnen stellten Thailänderinnen und Philippinerinnen über die Hälfte der Gesamtsumme. Dagegen befinden sich nach der Statistik der thailändischen Regierung etwa 80.000 illegale thailändische Arbeiter aktuell in Japan. Das sind 30.000 Männer und 50.000 Frauen, einschließlich der thailändischen Migranten, die mit dem Paß von Malaysia oder Singapur nach Japan gekommen sind und die von den japanischen Behörden nicht gezählt wurden.

Nach Angaben der thailändischen Botschaft in Tokio sind 1992 48 Thailänder/-innen in Japan gestorben. Seit Anfang der neunziger Jahre sind auch Mordfälle, die von thailändischen Arbeiterinnen verübt wurden, vorgekommen. Es sind fast ausschließlich Konflikte zwischen Thailänderinnen oder ausländischen Frauen und Thailänderinnen, die in Rotlichtvierteln arbeiten. Sie kommen meistens vom Land in Thailand und wurden betrogen, indem ihnen versprochen wurde, daß sie in Restaurants oder Werkstätten in Japan arbeiten könnten. Sie sind auf dem illegalen Weg des Menschenhandels zwischen Thailand und Japan nach Japan gekommen. Sie sind wie Waren für Geld verkauft worden und verschuldet mit rund drei bis vier Millionen Yen (ca. 43.000-57.000 DM).

Die Schulden sind nicht nur das Geld, das die Frauen sich geliehen haben, sondern auch der Preis für die Frauen plus der Profite des Käufers, zum Beispiel Manager, die die Frauen vom Broker oder Zwischenhändler gekauft haben. Wegen dieser "Schulden" werden die Frauen unter strenger Kontrolle ohne Freiheit gezwungen, als Prostituierte zu arbeiten. Die "Schulden" werden aber nicht weniger, im Gegenteil, sie wachsen mit den Ausgaben für den täglichen Bedarf, mit den Strafgeldern, Weiterverkauf usw... Es gibt auch Frauen, die das Glück hatten, die "Schulden" bezahlen und nach Thailand zurückfahren zu können, aber meistens leiden sie unter Drohungen, Gewalt und Freiheitsentzug.

Ein Fall

Es gab 1991 einen Fall von Raubmord (Shimodate Fall), der erste einer Reihe von Mordfällen, die von thailändischen Arbeiterinnen begangen worden sind. Am 29. September 1991 wurde eine thailändische Frau, die Chefin einer Bar, von drei Thailänderinnen, die in ihrer Bar arbeiteten, in ihrer Wohnung in der Stadt Shimodate, Ibaragi Präfektur, ermordet. Danach sind die drei Frauen mit der Tasche der Chefin geflüchtet. Sie glaubten, daß sich ihre Pässe in der Tasche befänden. Wegen des Diebstahls der Tasche wurden sie des Raubmordes beschuldigt, eines der schwersten Vergehen in Japan, das mit lebenslänglicher Haft oder gar mit der Todesstrafe, mindestens aber mit zehn Jahren Gefängnis geahndet werden kann. Am 16. Juli 1996, fast fünf Jahre nach der Tat, wurden sie zu acht Jahren Gefängnis verurteilt.

Der Hintergrund des Falls war die schlimme Situation der Frauen. Sie mußten Zwangprostitution umsonst über sich ergehen lassen, wurden bedroht und wie Tiere behandelt und konnten schließlich nur nach der Mordtat flüchten. Auch wurde ihnen jeden Tag von der Besitzerin der Bar gedroht, daß ihre Eltern in Thailand ermordet würden, wenn sie wegliefen. Diese Wörter sind der Dolchstoß für die thailändische Frauen, weil auf dem Lande in Thailand die Beziehung zwischen Eltern und Töchtern absolut ist; es ist auch noch üblich, daß die Töchter den Eltern folgen, um ihr Leben zu verbessern. Und es ist sehr wichtig für die Töchter, ihre Eltern zu ernähren, was vor allem die Rolle der letzten Tochter ist.

Hier ist ein Auszug eines Briefes von einer Angeklagten des Shimodate Falls: "Ich bin am 16. März 1991 in Japan angekommen, dann habe ich sofort verstanden, daß ich verkauft wurde. Mein Leben danach war wie das eines Tieres, obwohl ich ein Mensch bin. Schließlich wurde ich drei Mal verkauft. Ich fühlte mich miserabel. Die Chefin hat mir die Freiheit entzogen und mich gezwungen, als Prostituierte zu arbeiten. Mein Leben war als ob ich blind, stumm, mit gebundenen Händen und Beinen wäre und ich konnte nirgendwo hingehen. Ich kannte nur die Bar und das Hotel. Etwa sechs Monate mußte ich jeden Tag ohne Pause die Männer bedienen, obwohl ich meine Tage, Fieber oder Grippe hatte. Die Chefin hat mir nie erlaubt, einen Tag Pause zu machen. Ich fand sie sehr boshaft. Das Leben ist nicht wie ein Tier zu leben, nicht wahr? Alle Menschen sollen ihre Freiheit haben. Gab es einen anderen Weg, daß ich von der Chefin weglaufen konnte, die nur an ihren Profit dachte auf Kosten des Leids Anderer? Ich wollte weglaufen, aber ich konnte nicht. Ich wurde immer von der Chefin bedroht, wenn ich versuchte wegzulaufen, würden meine Eltern in Thailand ermordet. Es ist sehr einfach in Thailand, einen Mörder zu bestellen."

NGO-Aktivitäten in Japan

In Japan gibt es kaum professionelle Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs). NGO Aktivitäten in Japan sind meistens freiwillig, das heißt, die NGO Mitarbeiter bekommen kein Einkommen von der NGO, sondern haben alle verschiedene Berufe und machen die NGO Aktivitäten nebenher, Ausnahme sind religiöse Aktivisten. Es gibt über ganz Japan verteilt etwa zwanzig Organisationen und Gruppen zur Unterstützung der asiatischen Frauen, dazu viele freiwillige Unterstützungsgruppen für jeden Fall, besonders für Prozeßunterstützung.

Das Prozeßsystem in Japan ist für Ausländer nicht gut organisiert und sie haben einen großen Nachteil mit der Sprache. Obwohl das Recht der Übersetzung für Ausländer beim Prozeß garantiert ist, ist das Niveau der Übersetzer nicht klar. Deswegen gibt es Probleme und Mißverständnisse bei wichtigen Papieren oder vor Gericht.

Viele Prozeßunterstützungsgruppen organisieren zum Beispiel gute Übersetzer, freiwillig engagierte Rechtsanwälte für ausländische Angeklagte oder unterstützen die Angeklagten psychisch und materiell im Gefängnis oder vor Gericht. Dies hilft den Ausländerinnen sehr dabei, daß sie eine geringere Strafe bekommen und schnellstmöglich in ihre Heimatländer zurückkehren können.

Als neue Probleme gibt es auch Scheidungsprozesse von asiatischen Frauen gegen japanische Männer, Geburten und Abtreibungen der Kinder, oder daß diese von japanischen Vätern nicht anerkannt werden. Hinzu kommen Probleme der Aufenthaltsgenehmigung der geschiedenen ausländischen Mütter und ihrer Kinder und ihre finanziellen Probleme usw.

Unser Projekt "Friends of Thai Women" von "Asian Women's Association" unternimmt auch viele Aktivitäten, um thailändischen Frauen bei solchen Probleme zu helfen. Ansonsten gibt es zwei Frauenhäuser (ein Frauenhaus in Tokio und eines in Yokohama) für ausländische Frauen, die geflüchtet und in Not sind. Diese zwei Frauenhäuser helfen vielen Thailänderinnen. In japanischen Tempeln oder in der Kirche finden thailändische Frauen keine Hilfe, weil sie als thailändische Buddhistinnen einen kulturellen Unterschied fühlen.

Die Arbeitsmigrantinnen aus Thailand kommen meistens aus finanziellen Gründen nach Japan, um ihre Familien zu unterstützen. Aber sie haben nur im Rotlichtviertel zu arbeiten. Sie denken jeden Tag an ihre Familien in Thailand und leben einsam und unsicher in Japan, weil sie kaum Japanisch oder Englisch sprechen können.

Der Wirtschaftsunterschied zwischen Japan und Thailand ist so groß, daß es für die thailändischen Frauen auf dem Land noch sehr attraktiv ist, in Japan zu arbeiten. Die Thailänderinnen, die schon in Japan gearbeitet haben und ausgebeutet wurden, alarmieren die neuen Arbeitsmigrantinnen aus Thailand durch NGOs in Thailand, mit Hilfe japanischer NGOs. Aber solange es japanische Männer gibt, die thailändische Frauen kaufen, existiert auch die Struktur des Menschenhandels zwischen Japan und Thailand. Und neue Arbeitsmigrantinnen aus Thailand werden weiterhin kommen. Unser Projekt macht verschiedene Aktivitäten, aber wir fühlen manchmal, daß unsere Aktivitäten so klein gegen die großen Probleme sind. Trotzdem glauben wir, und das ist wichtig, daß wir Schritt für Schritt weitere Fortschritte erzielen.

Anmerkungen

Siehe zu dem Thema auch: Asian Women's Liberation No. 21 (Nov. 92), News Letter of "Friends of Thai Women" No. 12 (Mai 93), No. 13 (Nov. 93), No. 22 (Okt. 96), No. 23 (März 97)

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Stand: 11. January 1998, © Asienhaus Essen / Asia House Essen
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