Meine Korea-Solidaritätsarbeit

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Ein kurzer Abriss für meine Freunde in Korea

Von Günter Freudenberg

Die Geschichte meiner politischen Korea-Arbeit ist eng verwoben mit der Geschichte der organisierten Korea-Solidaritätsbewegung in Deutschland. Diese geht auf Initiativen zurück, die von mir, genauer von einer Emergency-Konferenz in Tokio im Jahre 1976 ausgingen, auf welcher Konsequenzen der internationalen Öffentlichkeit aus der Entführung des heutigen Präsidenten der Republik Korea, Kim Dae-jung, aus Japan und dem Terrorurteil gegen den Dichter Kim Chi-Ha diskutiert worden waren.

Die Anfänge liegen allerdings weiter zurück. Im Jahr 1960 kam der damals noch unbekannte Komponist Yun Isang als Stipendiat in das von mir geleitete Internationale Seminar des "Urberger Contact-Centrums" im südlichen Schwarzwald und diktierte an meinem Schreibtisch als Kulturpreisträger der Stadt Seoul auf Tonband einen Aufruf an die südkoreanische Bevölkerung zur Unterstützung der neuen demokratischen Kräfte, die gerade den Rücktritt des Präsidenten Rhee Syngman erzwungen hatten. Es war meine erste Berührung mit koreanischer Politik und der Beginn einer lebenslangen Freundschaft. Ein Jahr später organisierte ich in der Tagungsstätte des Seminars für Politik der Universität Freiburg die erste, von Yun Isang geleitete Zusammenkunft demokratischer koreanischer Studenten in Deutschland und blieb von da an mit Yun Isang in engem persönlichen und politischen Kontakt, ohne in der Korea-Szene selbst schon politisch aktiv zu werden.

Das änderte sich, als 1967 siebzehn südkoreanische Staatsbürger durch Beamte des KCIA vom Boden der Bundesrepublik als angebliche Mitglieder eines nordkoreanischen Spionagerings nach Seoul entführt wurden, unter ihnen Yun Isang und dessen Frau Sooja. Gemeinsam mit einem früheren Mitstipendiaten organisierte ich eine politische Initiative, die es nach vielen Anstrengungen schließlich erreichte, dass die deutsche Bundesregierung auf diplomatischem Weg aktiv wurde und die Rückkehr der Beschuldigten nach Deutschland durchsetzte.

In diesen Kontext gehört meine erste Reise nach Südkorea, die den Zweck verfolgte, als Zeuge der Verteidigung im Prozess zweiter Instanz zugunsten Yun Isangs auszusagen und den Anklagevorwurf des Landesverrats zu entkräften. Gleichzeitig fungierte ich als Prozessbeobachter der deutschen Bundesregierung. Eine weitere Reise, die ich im Auftrag von amnesty international unternehmen sollte, scheiterte an der südkoreanischen Regierung. Sie verweigerte das erforderliche Visum.

In der Folgezeit engagierte ich mich bei amnesty international für südkoreanische politische Gefangene, bis die Entführung Kim Dae-jungs mir klar machte, dass dies nicht genügte, und ich nach Wegen suchen musste, den demokratischen südkoreanischen Widerstand aktiv zu unterstützen. Diesen Weg zeigte mir die oben erwähnte Emergency-Konferenz, auf der die Gründung nationaler Solidaritätskomitees und deren weltweite Vernetzung angeregt wurde. Zurückgekehrt nahm ich Kontakt mit deutschen und koreanischen Gruppen und Einzelkämpfern wie mich auf, die für Demokratie und Menschenrechte in der Republik Korea eintraten. 1977 erfolgte die Gründung des Korea-Komitees in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West); ich selbst wurde zum Vorsitzenden gewählt und hatte diese Funktion bis zur Auflösung des Komitees im Jahr 1994 inne.

Die Mitgliedschaft des Korea-Komitees umfasste von Anfang an deutsche und koreanische Mitbürger, die z.T. eigene Organisationen vertraten. Es sah seine Aufgabe vordringlich darin, die südkoreanische Opposition im In- und Ausland in deren Kampf gegen die herrschende Militärdiktatur und die Teilung des Landes organisatorisch sowie materiell und ideell zu unterstützen. Dies geschah auf unterschiedlichen Ebenen und mit allen Mitteln der Aufklärung und des politischen Protestes, angefangen bei alternativen Korea-Tagen, Informationsständen, Aufmärschen, Mahnwachen, bis hin zu sit-in in der südkoreanischen Botschaft und Hungerstreik. Ich selbst bemühte mich als Vorsitzender des Korea-Komitees, von solchen Aktivitäten abgesehen um den Aufbau von Kontakten zu politischen Parteien, Regierungsmitgliedern und Parlamentariern und international über Yun Isang mit diesem und koreanischen Freunden zusammen um die politische Organisation der oppositionellen koreanischen Kräfte im Ausland mit dem strategischen Ziel einer Mitgliedschaft in der Sozialistischen Internationale als politischer Handlungsbasis. So nahm ich 1979 an der Gründung der "Allianz der Auslandskoreaner für Demokratie und Wiedervereinigung" in Tokio und später, ebenfalls in Tokio, an der Verabschiedung eines politischen Programms teil, das den Weg zur Aufnahme der Allianz als befreundete Organisation in die Sozialistische Internationale ebnete.

Schon 1978 veranstaltete das Korea-Komitee unter meinem Vorsitz in Zusammenarbeit mit dem studentischen "Forum für Demokratie", der "Koreanischen Frauengruppe" und dem "Koreanischen Arbeiterverein" am Sitz der deutschen Bundesregierung in Bonn und mit ideeller Unterstützung der Sozialdemokratischen Partei Deutschland (SPD) die erste internationale politische Korea-Tagung außerhalb Japans, an der trotz gegen mich gerichteter Diskriminierungsversuche der Botschaft der Republik Korea auch deutsche Spitzenpolitiker teilnahmen.

Zur besseren Vernetzung der Korea-Aktivitäten auf deutschem Boden wurde in dieser Zeit eine gemeinsame organisatorische Plattform geschaffen: die "Korea-Koordinationskonferenz". Sie trat in regelmäßigen Abständen zusammen und hat sich als Konstruktion ohne eigenen Rechtscharakter sowohl bei der Austragung politischer Konflikte als auch bei der Koordination der Zielvorstellungen, Strategien und politischen Kräfte über viele Jahre hinweg bewährt. Insbesondere gelang es mit ihrer Hilfe im Anschluss an die deutsche Wiedervereinigung relativ problemlos, die westdeutsche und die ostdeutsche Korea-Solidaritätsarbeit zusammenzuführen und insgesamt strukturell zu stärken.

Ein wichtiges Ereignis war meine Reise nach Nordkorea im Jahr 1979 zu Gesprächen mit hohen Parteifunktionären und schließlich mit Präsident Kim Il Sung selbst. Anlass dieser Reise war eine pan-koreanische Wiedervereinigungskonferenz, die mit führenden Vertretern der Auslandskoreaner und nordkoreanischen Spitzenfunktionären auf neutralem Boden am Sitz der UNO in Genf stattfinden sollte. Meine politischen Freunde und ich verbanden damit die Hoffnung, im Falle eines positiven Verlaufs die Regierung der Republik Korea unter öffentlichen Druck setzen und veranlassen zu können, die zum Erliegen gekommenen Gespräche mit Nordkorea wieder aufzunehmen. Es gelang mir, die politische Führung der Demokratischen Volksrepublik Korea vom Nutzen dieses Planes zu überzeugen und die persönliche Zusage des Präsidenten zu bekommen, dass seine Regierung sich an einer solchen Konferenz konstruktiv beteiligen werde. Leider entzog die politische Entwicklung in Südkorea der geplanten Konferenz die Grundlage. Wenige Tage nach meiner Rückkehr aus P'yòngyang wurde der südkoreanische Präsident Park Chung Hee ermordet und damit das positive Ergebnis meiner Reise hinfällig.

Über das politische Alltagsgeschäft hinaus Bedeutung hatte auch die Korea-Kampagne aus Anlass der Olympischen Spiele 1988 in Seoul. Sie war der über Erwarten gelungene Versuch, eine Gegenöffentlichkeit gegen das von südkoreanischer Seite aus verbreitete Koreabild herzustellen und die Athleten politisch zu sensibilisieren. Zentrum dieser Kampagne war ein neu geschaffenes, professionell arbeitendes Korea-Informationsbüro in Trägerschaft des von mir zuvor aus steuerrechtlichen Gründen ins Leben gerufenen Korea-Kreises Osnabrück. Es gelang damals, mit einer sorgfältig recherchierten und ansprechend gestalteten Loseblattsammlung zu allen Bereichen der Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sowohl Nord- als auch Südkoreas, Einfluss auf die Berichterstattung vieler deutschsprachiger Medien innerhalb und außerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu nehmen. Besonders erfolgreich war die Zusammenarbeit mit dem Ersten Programm des Deutschen Fernsehens, dessen Rahmenberichterstattung zu den Olympischen Spielen mit Unterstützung des Korea-Informationsbüros geplant und vor Ort organisiert wurde.

Mit angeregt durch diese Aktivitäten entstand damals kirchlicherseits die Idee einer politischen Ausweitung der Korea-bezogenen kirchlichen Arbeit. Nach dem Modell der "Korea-Koordinationskonferenz", in der das Missionswerk der Evangelischen Kirche in Deutschland, von Anfang an vertreten war, wurden aus allen Kirchen mit Kontakten zu Korea Vertreter nach Hamburg eingeladen, um die akuten politischen Ziele und Aktivitäten zu koordinieren. Dies geschah mit meiner Beteiligung in Gestalt des 1987 beschlossenen "European Korean Network" (EUKONET), von dem in der Folgezeit viele Anstöße, nicht zuletzt Nordkorea und die Wiedervereinigung betreffend, ausgegangen sind. So kam es auf dem evangelischen Kirchentag in Berlin (1990) erstmals zu einer Begegnung zwischen EUKONET-Mitgliedern, Kirchenfunktionären aus Nord- und Pfarrern aus Südkorea. Seitdem gehöre ich als Vertreter der nichtkirchlichen Korea-Arbeit auch der "Korea-Koordinations-Gruppe" (KoKoGru) der Evangelischen Kirche in Deutschland an, die diese in allen Korea betreffenden Fragen und Entscheidungsprozessen maßgeblich berät.

In meiner Eigenschaft als Mitglied der Korea-Koordinations-Gruppe der Evangelischen Kirche in Deutschland nahm ich 1990 an einer Kirchendelegation teil, die auf Einladung des "Nationalen Rates der Kirchen in Korea" (NCCK) in Inch'òn mit anderen kirchlichen Delegationen zusammen über konkrete Schritte auf dem Weg zur Wiedervereinigung Koreas nachdenken sollte. Obgleich die Liste der Delegationsmitglieder der südkoreanischen Regierung vorgelegt und von dieser nicht beanstandet worden war, wurde ich bei der Einreise in die Republik Korea auf dem Flughafen Kimp'o ohne Angabe von Gründen verhaftet und ungeachtet der Proteste des Delegationsleiters und meines eigenen Widerstands schließlich mit der letzten Maschine des Tages nach Hongkong abgeschoben. Weder die deutsche Botschaft, die sich um eine Klärung des Vorfalls bemühen sollte, noch ich selbst bekamen in der Folgezeit jemals eine befriedigende Antwort auf unsere Nachfragen.

Schon 1989 hatte die Vertretung der Republik Korea einen Antrag auf die Erteilung eines Visums schlicht unbeantwortet gelassen. Ich sollte damals eine Gastprofessur an der Chonnam Universität in Kwangju übernehmen, die jedoch am Ende trotz aller Bemühungen meiner koreanischen Kollegen an der Intervention des südkoreanischen Geheimdienstes scheiterte. Erst im August 1993 konnte ich dank direkter Bemühungen des "Nationalen Rates der Kirchen in Korea" wieder südkoreanischen Boden betreten und nicht nur an der damaligen Menschenkette zum 38. Breitengrad teilnehmen, sondern u.a. auch im "Blauen Haus" sehr konstruktive Gespräche über die Rehabilitation und Rückkehr Yun Isangs nach Südkorea führen, wozu es bedauerlicherweise nicht zuletzt auch infolge einer gnadenlosen Instrumentalisierung seiner Person auch von vermeintlichen politischen Freunden nicht mehr kam.

Spätestens Ende der achtziger Jahre wurde für jedermann deutlich, dass die traditionellen Formen der Korea-Solidaritätsarbeit überholt waren und diese professionalisiert und in größere politische Zusammenhänge eingebunden werden mussten, um künftig noch effizient zu sein. Deshalb sah ich meine und meiner Freunde Aufgabe zunehmend darin, die Korea-Solidaritätsarbeit auf eine neue Basis zu stellen. Dem diente die Gründung des Korea-Verbands e.V. und die Überführung des Korea-Informationsbüros der Olympiakampagne in das dem Korea-Verband zugeordnete, professionell geführte Korea Kommunikations- und Forschungszentrum. Mit dieser Maßnahme wurde das Korea-Komitee hinfällig und unter meinem Vorsitz aufgelöst. Gleichzeitig betrieb ich die Einbindung der Korea-Solidaritätsarbeit in einen größeren Arbeitszusammenhang und suchte sie materiell abzusichern. Das geschah durch die von mir 1991 ins Leben gerufene Asienstiftung, welcher der Korea-Verband neben anderen Asien-bezogenen Basisorganisationen als ständiges Mitglied angehört, und durch die Schaffung eines Asienhauses als Projekt länderübergreifender Solidaritätsarbeit und langfristiges Zentrum asienbezogener, alternativer Aktivitäten in Deutschland. Mit der Einweihung des Asienhauses 1995 und der Gewähr, dass die Zukunft der Korea-Solidaritätsarbeit materiell gesichert ist, sehe ich seither mein Engagement belohnt.

Inzwischen habe ich mich mit Rücksicht auf mein Alter von meinen offiziellen Ämtern zurückgezogen, ohne in Sachen Korea politisch und menschlich weniger engagiert zu sein. Aber dieses Engagement schlägt sich in der kritischen Begleitung von aktuellen Entwicklungen, in Vorträgen und Artikeln und in dankbar praktizierter Freundschaft nieder, nicht mehr in großen eigenen Projekten. Mit Ausnahme eines, die Notwendigkeit weiterer kritischer Solidaritätsarbeit beweisenden Anliegens: Die Rehabilitierung Yun Isangs als Repräsentanten vieler anderer politischer Opfer und die Überbrückung der Kluft zwischen Nord und Süd, um die Yun Isang sich zeitlebens bemühte.

Diesen Beitrag schrieb Günter Freudenberg im Sommer 1998 auf Bitte der National Alliance for Democracy and the Reunification of Korea in Südkorea.

Professor Günter Freudenberg (1923-2000) war von 1977-1997 Vorsitzender des Korea-Komitees in der Bundesrepublik und Berlin (West) und dessen Nachfolgeorganisation Korea-Verband, dessen Ehrenvorsitzender er bis zu seinem Tod war. Er war auch Vorsitzender bzw. dann Ehrenvorsitzender der von ihm initiierten Asienstiftung (1991-2000). 1998 erhielt er von der National Alliance for Democracy and the Reunification of Korea in Südkorea einen Dankespreis in Anerkennung seiner besonderen Verdienste beim Kampf für Demokratie, die Anerkennung der Menschenrechte und die Wiedervereinigung Koreas.

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Stand: 14. Juli 2001, © Asienhaus Essen / Asia House Essen
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