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Call for Papers südostasien (3/21): Kolonialismus und Erinnerungskultur

Ein Gemälde im Mactan Schrein in Lapu-Lapu City, Philippinen
Ein Gemälde im Mactan Schrein in Lapu-Lapu City, Philippinen bildet die Schlacht von Mactan im Jahr 1521 ab, den ersten historisch anerkannten Widerstandsakt gegen die spanische Kolonialisierung des Archipels. © wikicommons

Gibt es in südostasiatischen Ländern mit kolonialer Vergangenheit eine gemeinsame Erinnerungskultur? Lassen sich Verbindungen zwischen kolonialen Machtstrukturen, aktuellen politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und dem Blick in die postkoloniale Zukunft herstellen? Die dritte Ausgabe 2021 unseres Online-Magazins südostasien wird sich diesen und weiteren Fragen widmen.

Südostasien hat eine lange Kolonialgeschichte, die 1511 mit der portugiesischen Invasion in Malakka ihren Anfang nahm und mit Bruneis Unabhängigkeitserklärung gegenüber dem zerfallenden British Empire 1984 formell endete. Fast alle Länder in der Region waren kolonialer Herrschaft unterworfen, mit der bemerkenswerten Ausnahme von Thailand. Doch auch Thailand (das zur Zeit des europäischen Imperialismus noch Siam genannt wurde) wurde in die rivalisierenden Einflusssphären des britischen und französischen Weltreichs hineingezogen, auch wenn es eine Besatzung durch europäische Mächte vermeiden konnte. In der postkolonialen Zeit bestehen Konflikte über nationale Ausdehnung und Souveränität weiter fort.

Hinterlassenschaften des Kolonialismus in gegenwärtigen Machtstrukturen und Wissensbeständen

Diese Entwicklungen unterstreichen gemeinsame historische Erfahrungen mit fremder Einflussnahme und Kolonialismus, die Südostasiens heutige Nationalstaaten teilen. Kolonialismus definieren wir in diesem Kontext als eine westliche Praxis der politischen Beherrschung und Unterwerfung, die Südostasien vom frühen 16. Jahrhundert bis zur Mitte des 20. Jahrhundert geprägt hat. Gleichzeitig bestehen die Überbleibsel und Hinterlassenschaften des Kolonialismus weiter fort und manifestieren sich in der Kontinuität von kolonialen Machtstrukturen und Wissensbeständen. Vor diesem Hintergrund treten postkoloniale Theorien und politische Kämpfe hervor. Teil dieser Auseinandersetzungen ist es, Erinnerungen an die Vergangenheit zu verarbeiten, was wiederum die Konstruktion von politischen Vorstellungen und Projekten in der Gegenwart prägt – von kollektiven Identitäten bis hin zu Regierungsapparaten.

Perspektive europäischer Länder mit kolonialer Vergangenheit

Für die nächste Ausgabe der südostasien (3/2021) möchten wir Beiträge zusammen stellen, die diese Zusammenhänge in den Blick nehmen. Besonderen Fokus möchten wir dabei auf die Frage legen, wie Kolonialismus in der Region erinnert wird. Vor dem Hintergrund unterschiedlicher geschichtlicher Entwicklungen in den verschiedenen Ländern, möchten wir mit Bezug auf den Kolonialismus die Frage aufwerfen, ob es so etwas wie eine gemeinsame Erinnerungskultur in Südostasien gibt: Wie wird die koloniale Vergangenheit erinnert, rezipiert und interpretiert? Wie wird die postkoloniale Gegenwart im Licht dieser Vergangenheit erlebt und gestaltet? Und wie wird die postkoloniale Zukunft neu imaginiert? Vor diesem Hintergrund möchten wir auch mit einbeziehen, wie europäische Länder mit ihrer kolonialen Vergangenheit (in Südostasien) umgehen.

 

Mit den folgenden Fragen möchten wir uns in der südostasien 3/2021 unter anderem beschäftigen:

 

Welche Diskurse begleiten die Erinnerungspolitik in südostasiatischen Ländern? Treten Konflikte und Auseinandersetzungen über die Interpretation der Vergangenheit hervor? Wie wird in ehemaligen südostasiatischen Kolonien an wichtige Ereignisse im Kontext von Unabhängigkeit, nationaler Befreiung und antikolonialen Kämpfen erinnert? Auf welche Weise finden sich die Hinterlassenschaften des Kolonialismus in Sprache, Bildung, Kultur und Religion in Südostasien wieder? Welche Rolle spielen sie für rechtliche und politische Systeme, Landbesitz, Handel und ökonomischen Fragen? Wie prägen sie das alltägliche Leben in Südostasien? Wie werden sie im politischen Diskurs und in Alltagspraktiken thematisiert? Wie werden Kolonialismus und postkoloniale Kontinuitäten von den Medien in Europa und Südostasien dargestellt, reproduziert oder kritisiert? Wie wird die koloniale Vergangenheit dargestellt und diskutiert, zum Beispiel in Film und Fernsehen? Gibt es laufende Kampagnen und Initiativen in südostasiatischen Ländern, die sich für einen verantwortungsvollen und kritischen Umgang mit der kolonialen Vergangenheit einsetzen? Gibt es neue Forderungen nach Reparationen, dem Sturz von imperialen Denkmälern oder der Umbenennung von Straßen? Wie gehen die europäischen Gesellschaften mit der Geschichte von Gewalt, Ausbeutung und Rassismus um, die sie den Ländern Südostasiens in der Vergangenheit aufgezwungen haben? Markieren die aktuellen Auseinandersetzungen um die Restitution von kolonialer Raubkunst in Museen oder die Umbenennung von Straßen einen Wandel in der Wahrnehmung des Kolonialismus in Europa? Unterscheidet sich die Erinnerungskultur in Europa von der in Südostasien? Inwiefern? Wie spiegelt sich dies im Erinnern des Kolonialismus wider? Gibt es einen Unterschied in den Diskursen und Praktiken zwischen der südostasiatischen Diaspora im Westen und denen der südostasiatischen Bürger*innen in ihren jeweiligen Herkunftsländern, wenn es um die Erinnerung an koloniale Hinterlassenschaften geht?

 

Wir möchten diese Fragen in verschiedenen Formen aufgreifen – in Kommentaren, Hintergrundberichten, Foto-Essays, Porträts, Interviews und Rezensionen von Filmen, Büchern oder Musik zum Thema. Wir freuen uns auf eure Beiträge!

Für Ideen, Fragen und Rückmeldungen:

Joshua Makalintal: joshua.makalintal(at)outlook.com

Hendra Pasuhuk: suhendra(at)gmx.de

Janis Wicke: janis.wicke(at)posteo.de

Sophia Hornbacher-Schönleber: smh93(at)cam.ac.uk

Anna Grimminger: anna.grimminger(at)stud.uni-due.de

Katja Hanke (Rezensionen): soa_rezensionen(at)asienhaus.de

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