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IAN Fachgespräch zu feministischer Entwicklungspolitik

(Foto: Birgit Felleisen, Nepal-Dialogforum)

Feministische Entwicklungspolitik hat das Potential, wesentlich zur weltweiten Stärkung von Geschlechtergerechtigkeit beizutragen – wenn sie menschliche Sicherheit in den Fokus stellt, eine intersektionale Perspektive einnimmt, koloniale Muster und Machtverhältnisse überwindet und auf wirksame Repräsentanz und echte partizipative Prozesse setzt.

Das Bündnis Internationale Advocacy Netzwerke (IAN)* hat in einem gemeinsamen Diskussionspapier Erwartungen zur feministischen Entwicklungspolitik in 13 Ländern aufgezeigt und am 2. März 2023 in einem Parlamentarischen Frühstück mit Mitgliedern des Deutschen Bundestages diskutiert.

Die Mitgliedsorganisationen des Bündnisses Internationale Advocacy Netzwerke (IAN) arbeiten seit vielen Jahren mit zivilgesellschaftlichen Akteur:innen aus Afrika, Asien und Lateinamerika zusammen. Die Initiative zur feministischen Ausrichtung der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik findet in diesem Kreis breiten Zuspruch. Auch viele internationale Partnerorganisationen von IAN-Mitgliedern in Asien, Afrika und Lateinamerika begrüßen den angestoßenen Prozess und hoffen auf einen transformativen Politikansatz, der ihre feministischen Positionen und Erfahrungen einbezieht.

 

Bericht zum Parlamentarischen Frühstück: Welchen Beitrag kann eine feministische Entwicklungspolitik zu globaler Geschlechtergerechtigkeit leisten?

Einen Tag vor dem Parlamentarischen Fachgespräch stellte das Bundesministerium für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit seine Strategie für eine feministische Entwicklungspolitik vor.

Die Abgeordnete und Schirmherrin unserer Veranstaltung, Frau Deborah Düring (Bündnis 90/Die Grünen) nannte dies einen großen Meilenstein für die deutsche Entwicklungspolitik und begrüßte den damit einhergehenden Schritt, sich den Themen zu kolonialen Kontinuitäten, Rassismus, Klassenfragen und geschlechtsspezifischen Ungleichheiten anzunehmen. Im Fachgespräch berichteten unsere Partnerinnen aus Ländern des Globalen Südens, wie dem Tschad, Kambodscha oder Kolumbien über die Situation vor Ort und gaben Anregungen und Beispiele, wie die deutsche feministische Entwicklungspolitik einen Beitrag zur globalen Geschlechtergerechtigkeit leisten könnte.

 

Delphine Kemneloum Djirabé: Frauenorganisationen in einem gemeinsamen Konsultationsrahmen einbeziehen

Den Auftakt machte die tschadische Menschenrechtsanwältin Delphine Kemneloum Djirabé. Sie ist Mitbegründerin der Association Tchadienne pour la Promotion et la Défense des Droits de l’Homme (Tschadische Vereinigung zur Förderung und Verteidigung der Menschenrechte) und wurde im Februar 2023 mit dem Martin Ennals Award, einer Ehrung für Menschenrechtsverteidiger:innen, in Genf ausgezeichnet. Frauen sind in ihrem Heimatland mit unmenschlichen Lebensbedingungen konfrontiert, die vom vorherrschenden patriarchalen System geschaffen und aufrechterhalten werden. Um die Bevölkerung zu manipulieren und abweichende Stimmen zu unterdrücken, werden diese, insbesondere Frauen, mit Staatsterrorismus konfrontiert. An die Parlamentarier:innen gerichtet, betonte sie die Notwendigkeit, sich eigene Analysen und Bilder über die aktuellen sozio-politischen Situationen im Tschad zu machen, um so einen angemessenen Strategiekurs bestimmen zu können. Der Zugang zu Informationen und Finanzmitteln sollte mit flexibleren Bedingungen für lokale Organisationen erleichtert werden. Sie schlug vor, einen nachhaltigen Konsultationsrahmen, der deutsche Parlamentarier:innen und Frauenorganisationen einbezieht, zu schaffen, der die Umsetzung der deutschen feministischen Entwicklungspolitik im Tschad überwacht.

 

Heang Kry: Intersektionalität wahren und niemanden zurücklassen

Hier setzte auch unser Gast aus Kambodscha, Frau Heang Kry an. Sie ist die Geschäftsführerin der NGO Women Peace Makers, welche sich für die Stärkung von Frauen und jungen Menschen, die Bewältigung von Konflikten und die Verhinderung von Gewalt, einschließlich geschlechtsspezifischer Gewalt, einsetzt.

Sie bekräftigte einen Paradigmenwechsel zur Förderung des „local-turn“-Ansatzes. Unter diesem sollen lokale Organisationen, v.a. Frauen- und Menschenrechtsorganisationen stärker gefördert und unterstützt werden. Auch mit dem Abbau des bürokratischen Top-down-Charakters der Finanzierungsströme soll dazu beigetragen werden. An die deutsche feministische Außenpolitik erhob sie deutlich den Anspruch, die Intersektionalität zu wahren. Ein intersektionaler Ansatz nimmt nicht nur Frauen und Mädchen in den Blick, sondern richtet seine Aufmerksamkeit auf alle von Marginalisierung betroffenen Personen, um sicherzustellen, dass niemand von der Politik zurückgelassen wird. Abgeordnete und Gesandte der deutschen Regierung sollten nicht nur die bilateralen Beziehungen zwischen den Ländern von oben nach unten fördern, sondern sich besonders auf das Wohlergehen und die Sicherheit der Menschen in den entsprechenden Ländern konzentrieren. Menschenrechte und Sicherheit dürften niemals als Teil der Verhandlungsmasse zwischen Ländern betrachtet werden und es müssen Transparenz sowie Rechenschaftspflicht von Regierungen eingefordert werden können.

 

Danelly Estupiñán Valencia: das vorherrschende patriarchale transnationale System abbauen

Als letzte Rednerin meldete sich die Aktivistin und Menschenrechtsverteidigerin Danelly Estupiñán Valencia aus Kolumbien in einem Video-Statement zu Wort. Sie ist Sprecherin der Organisation Proceso de Comunidades Negras (Prozess Schwarzer Gemeinschaften) und Ko-Koordinatorin der Beobachtungsstelle für geschlechtsspezifische Gewalt gegen Afrokolumbianer:innen VigíaAfro. Auch sie legt in ihren Empfehlungen an die Bundesregierung nahe, eine bereichsübergreifende und intersektionale Ausrichtung ihrer feministischen Außen- und Entwicklungspolitik zu verfolgen. Die unterschiedlichen Marginalisierungsfaktoren wie race, gender, Klasse oder Alter müssen bei politischen Entscheidungen als grundlegende Kategorien mitberücksichtigt werden und es muss darauf abgezielt werden, das vorherrschende patriarchale transnationale System abzubauen, das letztlich die Wurzel aller Ungleichheiten, Unterdrückung und Gewalt für die gesamte Menschheit ist.

 

Diskussionsrunde: Wie können deutsche Finanzierungsstrukturen entsprechend den Anforderungen des feministischen Ansatzes verändert werden?

Nach diesen persönlichen Statements standen anschließend in einer Diskussionsrunde Delphine Kemneloum Djirabé und Heang Kry den Teilnehmer:innen Rede und Antwort. Dort stellte sich bei den Parlamentarier:innen als erstes die Frage, wie deutsche Finanzierungsstrukturen entsprechend den Anforderungen des feministischen Ansatzes verändert werden könnten, sodass keine kolonialen Machtstrukturen und Ungleichheiten reproduziert werden. Frau Kry gab hier zu bedenken, dass der größte Teil der Gelder an zwischengeschaltete oder größere internationale Organisationen geht. Weiter sind die geforderten Richtlinien der Geldgeber, hinsichtlich Transparenz und Integrität, zwar nachvollziehbar, aber sie sind häufig mit einem hohen administrativen Aufwand verbunden. Dieser Verwaltungsaufwand behindert letztlich die die Effektivität und den Zugang lokaler Organisationen, da sie diese Vorgaben nicht erfüllen können und es ihnen oft an personellen Ressourcen fehle. Gleichzeitig benötigen lokale Organisationen eine hohe Flexibilität, welche die derzeitigen Projektformate einfach nicht ermöglichen. Sie hofft hier auf alternative Wege den Finanzierungsfluss zu gestalten und so lokalen zivilgesellschaftlichen Organisationen die Chance zu geben als echte Partner in einer gleichberechtigten Zusammenarbeit auftreten zu können.

 

Mit feministische Entwicklungspolitik Menschenrechte und Rechte der Frauen weltweit stärken

Als nächstes wurde nach einem Konsens gesucht, um folgender Argumentationsstrategie zu begegnen: Parlamentarier:innen, die sich für eine feministische Entwicklungspolitik stark machen, werden oft mit der Anschuldigung konfrontiert, diese sei kolonial und imperialistisch. Wir, als Deutschland, würden dieses Konzept nun dem Globalen Süden aufzwingen. Sowohl Frau Djirabé als auch Frau Kry distanzierten sich von solchen Aussagen. Laut Ersterer stellt dies ein sehr gängiges Argument dar, welches den ganzen Dialog untergraben und es Frauen weiter erschweren soll, ihre Rechte durchzusetzen. Oft höre man in afrikanischen Ländern den Vorwurf, dass Menschenrechte vom Westen aufgezwungen werden, eben, weil viele traditionelle Kulturen es den Frauen selbst nicht zugesteht, ihre Rechte in Anspruch zu nehmen. Aber als Menschenrechtsverteidiger:innen setzen sie sich für die universelle Anerkennung von Menschenrechten und Rechte der Frauen ein. Auch Heang Kry merkte an, dass Begriffe wie „Gender“ und „Menschenrechte“ in Kambodscha als westliche Konzepte angesehen werden. Aber ein geschaffenes Bewusstsein und Verständnis für die Konzepte, die sich hinter den Begriffen verbergen, können auch für die Menschen in Kambodscha zu mehr Gleichstellung führen. Würde man der Aussage „Der Feminismus ist westlich“ folgen, käme man unweigerlich zu dem Trugschluss, Menschenrechte als Ganzes seien ein westliches Konzept. Dies sei entschieden abzulehnen.

 

Männer in Transformationsprozesse einbeziehen

Abschließend wies die Moderatorin Olga Basnet darauf hin, dass über Männer in dieser ganzen Diskussion noch nicht wirklich gesprochen wurde und auch keine männlichen Gäste anwesend waren. Es stellte sich die Frage, wie Männer in den Prozess eingebunden werden könnten und wie sich eine feministische Entwicklungspolitik auf sie auswirken könnte. Menschenrechtsanwältin Delphine Djirabé gab hier ein Praxisbeispiel aus ihrem Heimatland. Sie bildet dort Männer als Frauenrechtsverteidiger aus, welche in ihrer Gemeinde dafür sorgen sollen, dass Frauenrechte respektiert und nicht verletzt werden. Daneben richtete Frau Kry die Aufmerksamkeit auch auf die Situation der Männer in einem patriarchalischen System. Sie seien einem konstanten Druck ausgesetzt, ihren Rollenmuster entsprechen zu müssen und seien dadurch genauso Opfer dieses Konstrukts. Um ihnen mehr Empathie nahezubringen, ermutigt sie in ihren Workshops Männer, eine humanistische Perspektive einzunehmen. Mit Fragen wie „Können Sie sich Ihre Geburt, Ihre ethnische Zugehörigkeit und Ihr Geschlecht aussuchen?“ und anderen zugänglichen Beispielen will sie dazu beitragen, Verallgemeinerungen abzubauen. Es sei unverzichtbar, immer mehr Männer als Verbündete zu gewinnen und sie in die Transformationsprozesse mit einzubeziehen. Sie erhofft sich so, dass Männer und Frauen sich gemeinsam für eine gleichberechtigte Welt einsetzen, in der jeder, unabhängig von seiner Identität und seinen Fähigkeiten, sein volles Potenzial ausschöpfen und frei von Gewalt leben kann.

Text: Kathrin Sommerfeld

Die Veranstaltung fand am 2. März 2023 im Deutschen Bundestag und über Zoom auf Englisch statt. Diese wurde von Herrn Leon Meyer zu Ermgassen, Vorstandsmitglied der Informationsstelle Peru e.V., und Frau Olga Basnet vom North East India Forum moderiert.

Aus dem Asienhaus haben beigetragen:

  • Stiftung Asienhaus zu Kambodscha, Myanmar und Timor-Leste;
  • Das Aktionsbündnis Menschenrechte - Philippinen
  • Das North East India Forum (neif)
  • Nepal Dialog Forum

* Im Internationalen Advocacy Netzwerk arbeiten zusammen: Aktionsbündnis Menschenrechte - Philippinen, Bangladesch-Forum, Dalit Solidarität in Deutschland, Fokus Sahel, Informationsstelle Peru e.V., kolko - Menschenrechte für Kolumbien e.V., Kooperation Brasilien KoBra e.V., Nepal-Dialogforum, North East India Forum (neif), Ozeanien-Dialog, Sri Lanka Advocacy, Stiftung Asienhaus, Watch Indonesia! e.V. und Westpapua-Netzwerk

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