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China: Gefährdet Urbanisierung Ernährungssicherheit?

Ökonom schlägt vor, Begrenzungen für die Überbauung von Agrarland aufzuheben.

Chinas Nachrichtenagentur Xinhua berichtet [1] von einer interessanten Kontroverse, die der Kommentar eines Ökonomen über die chinesische Agrarfläche ausgelöst hat. Die Regierung hatte im August beschlossen, dass bis 2020 die landwirtschaftlich genutzte Fläche des Landes nicht unter 120 Millionen Hektar (1,2 Millionen Quadratkilometer) fallen darf. Dadurch, so das Argument von Mao Yushi, der in Peking ein Wirtschaftsinstitut leitet, würden die Preise für Land in die Höhe getrieben.

Hintergrund ist die rasche Urbanisierung der Volksrepublik, in der noch immer knapp 800 Millionen von insgesamt 1,3 Milliarden Menschen auf dem Land leben. Die Regierung hat bereits zu Beginn des Jahrtausends ein Programm beschlossen, mit dem die Städte im Landesinneren und im Westen des Landes ausgebaut und regionale Zentren geschaffen werden sollen. Das Ergebnis: 2007 wurden 40.673 Hektar landwirtschaftliche Fläche überbaut. Derzeit werden noch 121,7 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzt. Wenn der Landverlust mit der gleichen Rate weiter geht wie 2007, blieben noch rund 20 Jahre, bis das regierungsamtliche Minimum gefährdet wird.

Vermutlich zielt der Vorstoß des Ökonomen also nur darauf, Bauernland noch einfacher für Bauprojekte verfügbar zu machen. Allerdings führen schon jetzt die mit Neubauprojekten verbundenen Enteignungen desöfteren zu erheblichen Unmut in der betroffenen Bevölkerung und mitunter auch zu gewalttätigen Protesten, da die Bauern meist mit mageren Kompensationen abgespeist werden, wenn sie nicht ganz leer ausgehen. Die Regierung in Beijing, die angesichts der globalen Wirtschaftskrise ohnehin um die politische Stabilität im Lande besorgt ist, dürfte also wenig Interesse an Maos Vorschlägen haben.

Dennoch haben sie offenbar einen wunden Punkt der chinesischen Öffentlichkeit getroffen und für verbreitete Empörung gesorgt. China hat in der Geschichte, wie auch Europa oder Indien, wiederholt katastrophale Hungersnöte erlebt. Nur ist in der Volksrepublik die Erinnerung daran noch sehr lebendig, denn die letzte ereignete sich erst vor nicht ganz 50 Jahren, als während des so genannten "Großen Sprungs nach Vorn" mehrere Dutzend Millionen Menschen verhungerten. Die chinesische Führung hatte in einem Anfall technokratischen Wahns versucht, die chinesische Landwirtschaft binnen kürzester Zeit umzukrempeln und aus den Volkskommunen, in denen die Bauern seinerzeit organisiert waren, auch noch Industriebetriebe zu machen.

Wolfgang Pomrehn

chinesische Quelle: http://news.xinhuanet.com/english/2008-12/26/content_10563842.htm
siehe auch: UN fordert Maßnahmen zur Verbesserung der Nahrungsmittelsicherheit in China auf www.eu-china.net.

 


Quelle: Telepolis, 28.12.2008
www.heise.de/tp/blogs/8/120942

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Pomrehn, Wolfgang

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