The European Union’s Policy on China and the role of Civil Society
Workshop des EU-China Civil Society Forums am 20.1.2009 bei der IG Metall in Frankfurt
Konferenzbericht von Bernt Berger, Klaus Fritsche
Welche Rolle spielen zivilgesellschaftliche Organisationen Europas in der Entwicklung der europäisch-chinesischen Beziehungen? Welche Möglichkeiten der Einflussnahme auf die europäische Politik haben sie? Und mit welchen Herausforderungen sind sie in ihrer Zusammenarbeit mit chinesischen Organisationen konfrontiert? Diesen Fragen stellte sich der dritte Workshop des EU-China Civil Society Forums (www.eu-china.net), an dem 30 Vertreter von Nichtregierungsorganisationen, Gewerkschaften, Medien, Stiftungen, Forschungs- und Regierungseinrichtungen aus verschiedenen europäischen Ländern teilnahmen.
Der erste Teil des Workshops befasste sich mit der Entwicklung der europäisch-chinesischen Beziehungen und die Möglichkeiten zivilgesellschaftlicher Einflussnahme auf diesen Prozess.
Einleitend gab Dr. Jörn-Carsten Gottwald (University of Cork, Irland) einen Überblick über die Entwicklung und den Stand der Beziehungen zwischen der EU und China. Er bezeichnete sie als eine Erfolgsgeschichte, obwohl andere Beobachter sie eher als „Handelsförderung plus ein irgendetwas mehr“ bezeichnen würden. Die zunehmende Kooperation hätte jedoch gleichzeitig eine Zunahme an Konflikten in verschiedenen Bereichen mit sich gebracht, die sich auch in den gegenwärtigen Verhandlungen über das neue Partnerschaftsabkommen niederschlagen. Gottwald sah den Kern in Unterschieden in Normen, Werten und gegenseitigen Erwartungen. Während die EU Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit und verantwortliche Global Governance fordere, sehe China die Beziehungen vor allem unter dem Gesichtspunkt der Stärkung multipolarer Strukturen. Wenn der gegenwärtige Stillstand überwunden werden soll, müssen diese Fragen adressiert werden. Dies erfordere aber eine kohärentere EU-Politik. Gerade unter diesem Gesichtspunkt sei es notwendig, dass die Zivilgesellschaft und NRO eine wichtige Rolle spielen.
Kontrovers wurde diskutiert, wie der gegenwärtige Stand der Beziehungen einzuschätzen ist. Der positiven Bewertung von Jörn-Carsten Gottwald standen eine Reihe eher negativerer Einschätzungen gegenüber, die vor allem am Stillstand der Verhandlungen über das neue EU-China-Partnerschaftsabkommen festgemacht wurden. Über die Gründe hierfür gab es konträre Einschätzungen. Während einige Teilnehmer davon ausgingen, dass die Haupthindernisse im Bereich der Menschenrechte und der „Einbeziehung der Zivilgesellschaft“ liegen, wurden andere Quellen zitiert, nach denen die Probleme vor allem im wirtschaftlichen Bereich lagen. Vieles blieb hier jedoch im Bereich der Vermutung, da es keine transparente Informationspolitik durch die Europäische Kommission gäbe. Selbst dem Europäischen Parlament lägen kaum Informationen vor.
Dies steht im krassen Widerspruch zum proklamierten Anspruch der EU, die Zivilgesellschaft in die Verhandlungsprozesse mit ein zu beziehen. Eine Beteiligung zeige sich vor allem im Bereich der Handelsabkommen. Ein wichtiges Instrument soll dabei das „Sustainable Impact Assessment“ (SIA) darstellen. Auch in Bezug auf China wurde ein solches in Auftrag durchgeführt.
Wie Dr. Christa Wichterich in ihrem Beitrag, in dem sie diesen Konsultationsprozess analysierte, deutlich machte, waren diese eher begrenzt - allerdings nicht im Verständnis der EU, da diese auch die Wirtschaft zur Zivilgesellschaft zählt. Bezogen auf die Einbeziehung von NRO, Gewerkschaften u.ä. kam Wichterich zu dem Ergebnis, dass hiervon kaum die Rede sein könne. Anhand der Erfahrungen mit anderen SIAs wies sie zudem darauf hin, dass die stattfindenden Konsultationen darüber hinaus kaum einen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung hätten.
Im zweiten Teil des Workshops verlagerte sich der Fokus der Diskussion auf die China-Aktivitäten europäischer zivilgesellschaftlicher Organisationen und ihrer Herausforderungen im Umgang mit China und der europäischen China-Politik. Nach der Präsentation von Dr. Nora Sausmikat über „Civil Society Dilemmas in dealing with China“ wurde die Diskussion in zwei Arbeitsgruppen fortgeführt.
In ihrem Beitrag machte Dr. Nora Sausmikat die Diversifität europäischer NRO deutlich. Sie stellte fest, dass das Interesse an Entwicklungen in China im Vergleich zu anderen Regionen gering ist. Zudem beschäftigen sich die meisten von ihnen mit Arbeitsbedingungen und menschenrechtlichen Fragen in China, nur wenige beabsichtigen eine kontinuierliche Kooperationen mit chinesischen NRO. Diese „Ein-Punkt-Strategie“, die zudem vor allem der Mobilisierung der europäischen Öffentlichkeit dient, führe häufig dazu, dass die zu Recht kritisierten Entwicklungen nicht in den Gesamtzusammenhang der Entwicklungen in China und globalen Entwicklungen gestellt und eine eher konfrontative Strategie verfolgt werden.
Aber auch die europäischen NRO, die eine engere Zusammenarbeit mit chinesischen NRO wünschen, seien mit Herausforderungen konfrontiert. Erstens seien zivilgesellschaftliche Aktivitäten mit Ausnahme des Umweltbereiches kaum koordiniert. Des weiteren würde oft der unterschiedliche Charakter chinesischer NRO und die Rahmenbedingungen ihrer Arbeit ausgeblendet. Wenn westliche NRO ihre eigene politische Agenda des Systemwandels verfolgen statt in Augenhöhe einen Dialog anzustreben, schaffe dies gleichzeitig Probleme für die chinesischen Partner.
Eine weitere Herausforderung ergebe sich daraus, dass Austausch mit chinesischen NRO häufig die Einbeziehung von Organisationen impliziert, die staatsnäher seien als es westliche NRO wünschen. Arbeiten sie dennoch mit solchen Organisationen zusammen, taucht in Europa häufig der Vorwurf auf, dass eine solche Arbeit zur Stabilisierung des Status Quo in China beitrage. Dennoch, so Nora Sausmikat, müsse der Seiltanz gewagt werden und ein Mittelweg zwischen herrschaftsstützenden und konfrontativen Strategien gefunden werden.
An diese Präsentation knüpfte die Diskussion in der ersten Arbeitsgruppe an. Zum einen wurde eine Reihe von Möglichkeiten genannt, um die Zusammenarbeit zwischen europäischen und chinesischen NRO zu verstärken: Einbeziehung von sozialen und ökologischen Themen in Städte- und Länderpartnerschaften, um auf dieser Basis die Kontakte zwischen europäischen und chinesischen NRO zu entwickeln. Angesprochen wurde auch die Frage, einen intensiveren Austausch mit in Europa Studierenden aus China zu entwickeln.
Übereinstimmung bestand mit der von Sausmikat vorgetragenen Situationsanalyse. Es wurde die Notwendigkeit unterstrichen, dass der Dialog und die Zusammenarbeit mit chinesischen NRO verstärkt werden müsse, um gemeinsam Vorschläge für die Lösung globaler und lokaler Probleme zu entwickeln. Dabei sei von jeglicher eurozentrischer Besserwisserei Abstand zu nehmen. Als wichtiges Instrument wurde die Entwicklung von Austauschprogrammen von Organisationen angesehen, die an gleichen Themen arbeiten. Auf einer Basis gleicher Interessen ließen sich auch die vorhandenen Kommunikationsprobleme leichter überwinden.
Die zweite Arbeitsgruppe befasste ich mit den Möglichkeiten und sinnvollen Themenbereichen, in denen der Versuch der Einflussnahme auf die europäische Chinapolitik sinnvoll und möglich sei. Dabei wurde davon ausgegangen, das in den vergangenen Jahren die Arbeit von „Pressure Groups“ (z.B Menschenrechtsgruppen) sehr dominant gewesen sei und die Arbeit von Zusammenarbeit zwischen europäischen und chinesischen NRO zeitweise sogar erschwert habe. Eine Nutzung von EU-Mechanismen im Bereich des zivilgesellschaftlichen Dialogs wurde als sinnvoll angesehen. Genannt wurden die Bereiche Klimawandel /- Gerechtigkeit sowie globale Umweltprobleme, Sozialökonomische Rechte und Menschenrechte, Intellektuelle Eigentumsrechte, Ökonomische Prozesse (Handel, Investment, Finanzdienstleistungen, RPA).
Positiv für die Diskussionen des Workshops wirkte sich die Tatsache aus, dass Vertreter unterschiedlicher Gruppen zusammengekommen waren. Gleichzeitig spiegelte die Diskussion die unterschiedliche Ansätze von Aktivitäten wieder und die damit verbundenen Schwierigkeiten diese in gemeinsame Aktivitäten münden zu lassen. Und in einem Punkt waren sich insbesondere die Vertreter der NRO einig: ihre Zusammenarbeit in Deutschland wie auf europäischer Ebene und mit chinesischen NRO muss verstärkt werden, damit Themen wie soziale und ökologische Gerechtigkeit ein stärkeres Gewicht in der Entwicklung der europäisch-chinesischen Beziehungen gewinnen sollen.
Beitrag Dr. Jörn-Carsten Gottwald
2009_02_20_wichterich.pdf