Für das Magazin VICE hat Viola Zhou über einen Wanderarbeiter in Peking geschrieben. Er wurde Anfang Januar positiv auf das Coronavirus getestet. Routinemäßig haben die Behörden dann, um eine weitere Verbreitung von COVID-19 einzudämmen, sein Bewegungsprofil veröffentlicht. Dabei wurden die Abgründe des Wanderarbeiterdasein offenbart: der Mann mit dem Familiennamen Yue ging in nur 14 Tagen 31 verschiedenen Jobs in der chinesischen Hauptstadt nach.
Netizens reagieren auf Weibo geschockt, vor allem auch als das Bewegungsprofil des Mannes mit jenen anderer, offensichtlich wohlhabenderen, Menschen verglichen wurde. So berichtet Zhou, wie auch die Journalistin Yan Cong, dass Herr Yue am 10. Januar von Mitternacht bis 1:45 Uhr in der Filiale einer Restaurantkette arbeitete. Um 2 Uhr ging es weiter in die nächste Filiale. Um 3 Uhr nahm er eine Arbeit im zentralen Handelsviertel Pekings auf und schon eine Stunde später war er in einer Industriezone am Stadtrand. Um 9 Uhr arbeitete Herr Yue dann in einem Villenviertel.
Der Fall löste nicht nur Entsetzen aus, sondern befeuerte die anhaltende Diskussion in China über die wachsende Schere zwischen Arm und Reich im Land, zwischen Stadteinwohner:innen und Wanderarbeiter:innen. Wie konnte es sein, dass Herr Yue von Job zu Job eilte, während andere von Boutique zu Café schlenderten? Zudem äußerten sich Netizens kritisch, ob nicht die Veröffentlichung eines persönlichen Bewegungsprofil, auch im Kontext der Coronabekämpfung, eine ernsthafte Verletzung der Privatsphäre bedeutete.
Seit dem Ausbruch von COVID-19 haben Abermillionen chinesische Wanderarbeiter*innen ihre Jobs verloren. Georg Fahrion berichtet von einem "Arbeitermarkt" in Chengdu (Sichuan). Dort bieten Wanderarbeiter*innen regelmäßig ihre Arbeitskraft an. Aktuell ist die Nachfrage sehr gering. Drei von ihnen erzählen von wirtschaftlicher Unsicherheit, Migration, Tagelöhner-Jobs und Zukunftsträumen.