Die „Neuen Seidenstraßen“ sind wohl die bekannteste Initiative Chinas auf dem afrikanischen Kontinent. Das Interesse der Volksrepublik an Afrika ist kein neues Phänomen. Jedoch sind die China-Afrika-Beziehungen wieder neu in den Fokus gerückt.
Was macht die Volksrepublik China zu einer so attraktiven Partnerin für afrikanische Staaten?
Viele Staaten wie zum Beispiel Sambia haben nach wie vor einen enormen Bedarf an Infrastrukturinvestitionen. Basierend auf der eigenen Entwicklungserfahrung gibt es viele chinesische Unternehmen, deren Kernkompetenz der Bau von Straßen, Schienen, Kraftwerken und Telekommunikationsnetzen ist.
Dieses an wirtschaftlicher Entwicklung und Armutsbekämpfung ausgerichtete Angebot passt zu den nationalen Entwicklungsplänen vieler afrikanischer Staaten und deren politischer Eliten. Gute Regierungsführung ist meist keine Bedingung für chinesische Entwicklungshilfe. Zudem gibt es die Möglichkeit, Projektfinanzierungen mit natürlichen Ressourcen zu bedienen.
Die Bandbreite von in China produzierten Konsumgütern ist enorm. Sie sind für große Teile der Bevölkerung afrikanischer Länder erschwinglicher als in Europa oder Nordamerika gefertigte Produkte. Schließlich haben die chinesisch- afrikanischen Beziehungen ohne koloniale Vergangenheit einen anderen machtpolitischen Ausgangspunkt als jene zu beispielsweise den Ländern Europas.
Entwicklungshilfe für Autokratien, Export von Rohstoffen, Import von Arbeitskräften, Schuldenfallen, Landnahme und Neokolonialismus – Was ist dran an den Mythen und Befürchtungen rund um Chinas Investitionen auf dem afrikanischen Kontinent?
Forschungen von unter anderem der China Africa Research Initiative haben ergeben, dass der Anteil der chinesischen Entwicklungshilfe im Vergleich zu Direktinvestitionen und kommerziellen Krediten klein ist. Unternehmen aus der Volksrepublik investieren nicht vornehmlich in autokratischen Staaten. Finanziert werden nicht nur der Abbau von Ressourcen, sondern vor allem Infrastrukturprojekte, aber auch der Aufbau von lokalen Produktionskapazitäten. Chinesische Unternehmen beschäftigen mehrheitlich lokale Arbeitskräfte. Auch lässt sich keine sogenannte „Schuldenfallendiplomatie“ nachweisen. Der Vorwurf der massenhaften „kolonialen Landnahme“ durch chinesische Unternehmen ist so nicht haltbar.
Der Blick hinter die Schlagzeilen und Statistiken offenbart jedoch eine Reihe von Problemen. Die Bedingungen und Struktur von chinesischen Krediten müssen transparenter werden. Chinesische Unternehmen müssen ihre Projekte integrativer umsetzen und zum Beispiel die lokale Zivilgesellschaft einbinden. Dem Prestige von Großprojekten dürfen nicht Umwelt- und Sozialstandards geopfert werden. Diese müssen von afrikanischen Regierungen besser kontrolliert werden.
Auch Unternehmen aus China bedienen Abhängigkeiten und Hierarchien in den postkolonialen Ländern Afrikas. Das obere Management des chinesischen Bergbau-Staatskonzerns, mit dem ich mich in meiner Feldforschung beschäftigt habe, bestand aus chinesischen Staatsbürger*innen. Sie wohnten in einem Wohnkomplex im ehemaligen europäischen Teil der Stadt. Ein Großteil der Arbeit im Tagebau wurde von Subunternehmen zu schlechteren Konditionen und mit befristeten Verträgen erledigt. Aus meiner Sicht sind die meisten Probleme nicht per se auf die chinesischen Akteur*innen zurückzuführen. Sie haben ihre Wurzel im Zusammenspiel von globalisiertem Kapitalismus, lokalen Machtstrukturen und chinesischer Herangehensweise.
Welche Interessen verfolgt die chinesische Regierung Ihrer Meinung nach mit ihrem Engagement in Afrika?
Ein weiterer Mythos ist, dass die Volksrepublik erst seit Kurzem den Blick auf den afrikanischen Kontinent gerichtet hat. Die Geschichte zeigt, welche Interessen die chinesische Regierung bereits seit den 1950er Jahren verfolgte: Die unabhängigen afrikanischen Staaten sollten die Volksrepublik diplomatisch anerkennen. So wurde sie 1971 zur alleinigen Vertreterin Chinas bei den Vereinten Nationen.
In Bezug auf die wirtschaftlichen Beziehungen stellt für mich die These des „spatial fix“ von David Harvey den wichtigsten Erklärungsansatz dar: Die chinesische Regierung hat Überkapazitäten ihres eigenen Wirtschaftssystems erkannt und ist darauf angewiesen, es geografisch zu erweitern und Produktionsketten räumlich neuzuordnen. Wirtschaftliches Wachstum ist ein Legitimationsmoment für die chinesische Regierung. In diesem Sinne ist die „Neue Seidenstraßen“-Initiative eine aus Regierungssicht folgerichtige Kampagne. Sie soll die wirtschaftliche Entwicklung und damit die Herrschaft im eigenen Land sichern.
Darüber hinaus besteht ein Interesse daran den Diskurs über China in der Welt, Stichwort: „Tell China’s Story Well“, mit eigenen Konzepten, zum Beispiel „Schicksalsgemeinschaft der Menschheit“, aktiv zu verändern und Unterstützung für die eigene Position in multilateralen Organisationen zu gewinnen.
Missionswerke und Kirchen fördern selbst Projekte und haben Partner in Afrika und China. Wie sollten sie sich verhalten? Wie sich zu der Partnerschaft China-Afrika positionieren? Welche Herausforderungen und Chancen sehen Sie für kirchliche Akteure?
Sie sollten ihre Partner*innen in Afrika dabei unterstützen, proaktiv Politik mitzugestalten, um beispielsweise von ihren Regierungen mehr Kontrolle, Transparenz und Mitspracherechte einfordern zu können. Afrikanische Partner*innen könnten sich länderübergreifend organisieren, um Politikansätze und Erfahrungen mit chinesischen Investitionen auszutauschen. Dies wäre auch ein erster Schritt zum Aufbau von eigener China-Kompetenz.
Die Ausgangslage für Missionswerke und Kirchen sehe ich positiv. Ihre Netzwerke reichen von Afrika nach China. Es gibt großes Potential für einen Wissenstransfer aus dem NGO-Bereich, wie zum Beispiel dem „Scanning the Horizon Sector Guide“ des International Civil Society Centres in Berlin. Gleichzeitig birgt die Kooperation mit chinesischen Partner*innen aufgrund der politischen Strukturen in China erhebliche Risiken.
Durch die Arbeit der Abteilung für Einheitsfrontarbeit unter dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas müssen sich kirchliche Partner*innen den Prioritäten der chinesischen Regierung unterordnen. Ihre Arbeit ist teils hochideologisiert, und internationale Verbindungen, so sie nicht zentral und „top-down“ politisch forciert sind, werden kritisch beäugt.
In dieser Atmosphäre ist es schwierig mit christlichen Werten zu arbeiten, ein gemeinsames entwicklungspolitisches Verständnis zu entwickeln und sich auf Standards zu einigen. Es bedarf eines hohes Maßes an China- Kompetenz, um die passenden Kooperationspartner*innen zu identifizieren, „greenwashing“ zu vermeiden und letztlich mit einem „bottom-up“ Ansatz kirchliche China-Afrika-Partnerschaften aufzubauen.
Das Interview führte Corinna Waltz.