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Myanmar: Presseschau Februar 2022

Jahrestag des Putsches und internationale Reaktionen, Silent Strike und Angriffe auf Militärstützpunkte, Gefahren des Telenorverkaufs und neue EU-Sanktionen, ASEAN ohne Myanmar und Kritik an Noeleen Heyzer, Internationaler Gerichtshof eröffnet Prozess und Myanmar Diaries preisgekrönt.

Jahrestag des Putsches

Am 01. Februar jährte sich der Militärputsch zum ersten Mal. Zum Gedenken an die vielen Menschen, die ihr Leben im Zuge des Coups verloren haben, folgte ein Großteil der Bevölkerung Myanmars dem Aufruf zu einem erneuten “Silent Strike”. Wie The Guardian (01.02.2022) berichtet, blieben die Straßen menschenleer und die Geschäfte geschlossen. 

Die Truppen der Nationalen Einheitsregierung (NUG) verübten Anschläge auf 24 Militärstützpunkte (02.02.2022) in Yangon, der ehemaligen Hauptstadt des Landes. Die Anschläge waren Teil einer groß angelegten Operation der Parallelregierung, um die Stärke der Widerstandsbewegung unter Beweis zu stellen. Seit Januar 2022 gab es insgesamt 46 Angriffe auf das Militär. 

Auch die Kachin Independence Army (KIA) attackierte am Jahrestag des Putsches das Militär. Es kam zu insgesamt fünf Angriffen im Kachin- und nördlichen Shan-Staat.

 

Politische Gefangene

Am 12. Februar, dem Tag der Einheit, hat die Militärregierung eine Massenamnestie für 814 Gefangene angekündigt. Solche Massenentlassungen an hohen Feiertagen haben in Myanmar Tradition. Es wird jedoch befürchtet, dass das Militär dadurch versucht, Platz für politische Gefangene zu schaffen.

Es gibt zunehmend Berichte, dass Gefängnisinsassen im Insein-Gefängnis in Yangon nach Folter und Mißhandlungen durch das Militär medizinische Versorgung verwehrt wird (18.02.2022).

Die Junta verübt weiterhin Luftangriffe in und um die Stadt Moebye (21.02.2022) im Bundesstaat Kayah, wo es seit Mitte Februar zu heftigen Konflikten zwischen dem Militär und den Volksverteidigungskräften (PDF) kommt.

Wie Reuters (07.02.2022) berichtet, distanzieren sich viele Familien aus Angst vor der Junta öffentlich von ihren Kindern. In den letzten drei Monaten haben jeden Tag durchschnittlich sechs oder sieben Familien in Myanmar in den staatlichen Zeitungen des Landes die Verbindung zu Söhnen, Töchtern, Nichten, Neffen und Enkelkindern abgebrochen, die sich öffentlich gegen die regierende Militärjunta gestellt haben.

 

Wirtschaft

Der japanische Brauereikonzern Kirin hat angekündigt, sich aus Myanmar zurückzuziehen (14.02.2022), nachdem der Versuch einer Abspaltung von ihrem Junta-geführten Unternehmenspartner Myanmar Economic Holdings Limited (MEHL) fehlgeschlagen war. 

Das norwegische Mobilfunkunternehmen Telenor plant den Verkauf seines Tochterunternehmens Telenor Myanmar. Justice for Myanmar (13.02.2022) und Menschenrechtsorganisationen befürchten, durch den Verkauf könnten personenbezogene Daten von Millionen von Kunden in die Hände der Junta gelangen (16.02.2022). Auch die NUG ruft den norwegischen Premierminister auf (11.02.2022), den Verkauf von Telenor an ein der Junta nahestehendes Unternehmen, die libanesische M1 Group, zu verhindern.

In einem Bericht (18.02.2022) gehen Ko Maung und Stephen Campbell auf den anhaltenden Widerstand von Arbeiter:innen gegen die Militärregierung ein. Zusätzlich zu der Bedrohung durch die Putschisten, führt die Verschlechterung der ökonomischen Situation zu schlechteren Arbeitsbedingungen und weit verbreiteter Ausbeutung von Arbeiter:innen, die versuchen ihre Lebensgrundlage sicherzustellen. Unter diesen Bedingungen kommt es zu einer zunehmenden Organisation der Arbeiter:innen, um ihre Rechte zu verteidigen, gegen die das Militär hart vorgeht. 

 

Außenpolitik

Außenministerin Annalena Baerbock hat am Jahrestag des Putsches ein Statement veröffentlicht. Sie fordert die Junta auf die Gewalt und Repression einzustellen, politische Gefangene freizulassen und der internationalen Gemeinschaft humanitären Zugang zu ermöglichen. Sie erhofft sich einen ernsthaften Dialog im Rahmen der UN und der ASEAN und sagt die EU sei zu weiteren gezielten Sanktionen bereit.

Gemeinsam mit den Außenminister:innen von Albanien, Australien, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Südkorea, der Schweiz, UK und den USA hat sich auch die EU zum Jahrestag geäußert. Sie verurteilen den Putsch und die Menschenrechtsverletzungen, insbesondere auch gegen Minderheiten wie die Rohingya. Sie fordern das Militär auf, die Gewalt zu beenden und in einen konstruktiven Dialog mit allen Parteien zu treten. Der Notstand soll aufgehoben, die willkürlich Inhaftierten freigelassen und humanitäre Hilfe zugelassen werden. Sie unterstützen die Arbeit der ASEAN und der UN-Sondergesandten Noeleen Heyzer und fordern die Tatmadaw auf, sich an diesen Prozessen zu beteiligen.

Noeleen Heyzer geriet Anfang Februar stark in die Kritik. In einem Interview mit Channel News Asia (01.02.2022) wurde sie gefragt, wie das von ihr angesprochene ‘power sharing’ mit dem Militär umgesetzt werden solle, wenn der Großteil der Bevölkerung Myanmars gegen eine weitere Regierungsbeteiligung des Militärs steht. Sie antwortete, dass das Militär zur Zeit an der Macht sei und man den Weg aus dieser Situation als Prozess begreifen müsse, der nicht über Nacht abgeschlossen werden könne. Daraufhin veröffentlichte ein Zusammenschluss aus annähernd 250 zivilgesellschaftlichen Organisationen einen offenen Brief, der kritisierte, dass diese Aussage einer UN-Beauftragten vom Militär als de-facto Anerkennung gelesen werden könne und dass jedwede Form des ‘power sharing’ für die Bevölkerung inakzeptabel sei.

Am 17.02.2022 hielt die ASEAN ein Treffen in Kambodscha ab. Myanmars vom Militär eingesetzten Außenminister Wunna Maung Lwin wurde die Teilnahme verwehrt, da es weiterhin keine Anzeichen gibt, dass der Fünf-Punkte-Konsens umgesetzt wird.

Der kambodschanische Außenminister Prak Sokhonn, der neue ASEAN-Sondergesandte für Myanmar, kündigte bei dem Treffen an, sich im März mit hochrangigen Vertretern der Junta treffen zu wollen. Ein Antrag sich auch mit Mitgliedern der NUG zu treffen wurde abgelehnt, da sie in Myanmar vom Militär als terroristische Vereinigung eingestuft wurde.

Die Europäische Union hat Sanktionen gegen ein lukratives staatliches Öl- und Gasunternehmen verhängt, das Myanmars Militär umfangreiche Finanzmittel zur Verfügung gestellt hat. Damit ist die EU das erste internationale Staatenbündnis, das eine solche Maßnahme gegen die Junta ergreift (22.02.2022).

Minn Tent Bo schreibt einen Kommentar (25.02.2022), der Probleme in der Entwicklungszusammenarbeit des Westens mit Myanmar aufzeigt. Er argumentiert, dass die verfolgten Ansätze auf neokoloniale und neoliberale Strukturen aufbauten, häufig durch Kooperationen dem Militär zugute kamen und teils schon vor dem Putsch gefährliche Narrative unterstützten. Diese Altlasten und die Implikationen dieser Herangehensweise tragen seiner Meinung nach zur Zurückhaltung der internationalen Gemeinschaft bei.

 

Rohingya

Die Junta muss sich vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag wegen des Genozids an den Rohingya verantworten. Gambia hatte die Klage gegen Myanmar im November 2019 eingereicht. Zu diesem Zeitpunkt wurde das Land noch von der NLD unter Aung San Suu Kyi regiert, die die Vorwürfe des Genozids bestritten hatte. Die Militärregierung zweifelt jetzt die Rechtmäßigkeit der Klage an, da Gambia die im Namen der "Organisation für Islamische Zusammenarbeit" geklagt hatte. Eine Entscheidung wird vermutlich mindestens noch einige Monate dauern.

 

Kultur

Der Dokumentarfilm "Myanmar Diaries" hat bei der diesjährigen Berlinale den Dokumentarfilmpreis gewonnen. Der Film zeigt Protest und Widerstand gegen das Militärregime in Myanmar aus Perspektive der Bevölkerung.

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