Widerstand & Repression
Radio Free Asia bereitete in einem Bericht Daten auf, die von einem im Juni gefundenen Mobiltelefon stammen. Mit Bildern, Videos und Karten zeichnen sie ein Bild des Widerstands und geben einen Einblick in die Brutalität des Militärs.
Am 1. Oktober erschien ein neuer OCHA-Bericht zur humanitären Lage in Myanmar. Besonders betont wird der verstärkte Konflikt zwischen Militär und der Arakan Army, die Verschlechterung der ökonomischen Situation und die zunehmend schwierigere Logistik für Medizin und Hilfsgüter. Die Anzahl der Vertriebenen wird auf über 1,3 Millionen geschätzt.
Das Militär setzt immer mehr auf Luftschläge, um das Vorrücken der Widerstandsbewegungen in Schach zu halten. Am 3. Oktober, beispielsweise, wurden Kampfhubschrauber eingesetzt, um einen Polizeistützpunkt in Sagaing zu halten.
Währenddessen wurden im südlichen Shan-Staat mehr als 10.000 weitere Menschen vertrieben. Die Kämpfe der Junta mit den bewaffneten Organisationen und der Einsatz von Landminen treiben viele Bewohner:innen in die Flucht.
Mindestens zwei politische Gefangene in den Gefängnissen Obo und Meiktila starben, nachdem ihnen medizinische Hilfe verwehrt wurde. Bei anderen wurde eine plötzliche Verschlechterung ihres Zustands nach Behandlung in der Gefängnisklinik gemeldet.
Am 5. Oktober berichtete die taz über die Verurteilung eines japanischen Dokumentarfilmers in Myanmar. Er wurdezu zehn Jahren Haft verurteilt. Auch frühere Projekte des Filmemachers beschäftigten sich schon mit Myanmar. Er war bereits im Juli verhaftet worden und jetzt wegen Verstoß gegen das Gesetz zu elektronischer Kommunikation, Aufwiegelung und Visa-Verstößen verurteilt. Der myanmarische Journalist Kyaw Soe bezeichnet die Verhaftung als ein ‚politisches Kidnapping‘ und befürchtet weitere Auswirkungen auf die Pressefreiheit insgesamt. Amnesty International, das Committee to Protect Journalists und Reporter ohne Grenzen kritisierten die Verurteilung. Am 6. Oktober erlies das EU Parlament eine Resolution, die sich mit der Unterdrückung der Presse in Myanmar beschäftigt. Sie rufen zur Freilassung aller ‚ungerecht verhafteten Journalist:innen‘ auf, erwähnen den Dokumentarfilmer aber nicht spezifisch.
Am 12. Oktober wurde Aung San Suu Kyi im weiter anhaltenden Korruptionsprozess zu weiteren drei Jahren verurteilt. Ihre Haftstrafe steigt damit auf insgesamt 26 Jahre. Tags zuvor waren bereits der ehemalige Bürgermeister Naypyidaws, wie auch sein Vize, wegen angeblicher Korruption zu jeweils drei Jahren Haft verurteilt worden.
In Bangladesch wurden am 15. Oktober zwei Rohingya durch einen Mob umgebracht. Beide nahmen Führungspositionen im Flüchtlingslager 13 ein, in dem sich der Mord ereignete. Wie im Falle Mohibullahs steht die Arakan Rohingya Salvation Army im Verdacht, die Tötungen inszeniert zu haben. Anhaltende Konflikte über die Kontrolle des Lagers und der illegale Drogenhandel werden als mögliche Motive angeführt.
Am 23. Oktober griffen drei Militärjets ein Konzert im Kachin-Staat an. Das Konzert sollte den 62. Jahrestag der Kachin Independence Organisation feiern. Die Gruppe setzt sich für die Rechte der indigenen Minderheit ein. Der Ort liegt nicht innerhalb der aktuellen Konfliktlinien und die Getöteten sind klar Zivilisten. Erste Schätzungen gehen von einer Todeszahl um die 60 Menschen aus. Berichte vom 25. Oktober korrigieren diese Zahl auf mindestens 80 Opfer.
Amnesty International, die Assistance Association for Political Prisoners, die Women’s League of Burma & Burma Campaign UK, das Special Advisory Council – Myanmar, Human Rights Watch und die UN in Myanmar veröffentlichten Stellungnahmen. Häufig kommen dabei Entsetzen über das Vorgehen des Militärs und der Ruf nach Sanktionen gegen Flugzeugtreibstoffe auf.
Der Sondergesandte der EU für Menschenrechte sagte bei einer Pressekonferenz in Jakarta im Rahmen des EU-ASEAN Policy Dialogue, dass dies ein gewichtiger Bruch internationalen Rechts sei, für den das Militär zur Verantwortung gezogen werden müsse.
Auch der ASEAN-Vorsitzende gab eine Stellungnahme ab. Er nennt darin verschiedene Beispiele von Gewaltanwendung, manche vermutlich dem Militär zurechenbar, andere nicht und forderte alle Parteien auf die Gewalt einzustellen und zur Implementierung des ASEAN Fünf-Punkte-Konsens zurückzukehren.
Die Rechtfertigungen des Militärs lesen sich wie erwartet: Sie seien in der Gegend Hinterhalten ausgesetzt gewesen und hätten in ihren Schlag nur Separatist:innen und Terrorist:innen getroffen.
Internationale Reaktionen
David Hutt schrieb in der DW über die zunehmenden Rufe der NUG nach internationaler Anerkennung. Er geht auf den Special Advisory Council – Myanmar Bericht und die Bestrebungen der ASEAN Parlamentarians for Human Rights ein, die in der letzten Presseschau besprochen wurden. Die NUG unterhält zum aktuellen Stand repräsentative Büros in Tschechien und Frankreich, bemühen sich aber auch um eine Repräsentation in Deutschland. Die EU hat in einer Resolution die NUG als einzige legitime Repräsentantin der demokratischen Wünsche der Bevölkerung Myanmars unterstützt, aber nicht offiziell anerkannt. Der Autor äußert Hoffnung auf eine zukünftige stärkere Unterstützung.
Nach einer Verzögerung von mehr als 19 Monaten wurde am 11. Oktober ein Toyota-Werk in der Region Yangon eröffnet. Noch ist die Produktion aber sehr gering. Der ursprüngliche Plan war es, 2.500 Toyota Hilux pro Jahr zu produzieren und insgesamt 52,6 Millionen US$ in die Sonderwirtschaftszone zu investieren.
ASEAN Parlamentarians for Human Rights und eine Gruppe japanischer Parlamentarier:innen wendeten sich am 12. Oktober in einem Offenen Brief an die Regierung Japans. Sie gehen auf Japans bisheriges Verhalten gegenüber Myanmar ein und fordern eine stärkere Vernetzung der demokratischen Nationen, Sanktionen, einen gemeinsamen Einsatz für eine Sicherheitsratsresolution, mehr und bessere verteilte humanitäre Hilfe und ein stärkeres Engagement mit der NUG.
Das National Unity Consultative Council, welches verschiedene Fraktionen des Widerstands in Myanmar vereint, gratulierte Xi Jinping zu Anlass des 20. Nationalkongress der Kommunistischen Partei Chinas. Sie betonen die besondere Bedeutung der bilateralen Beziehungen. Diese könne allerdings erst erreicht werden, nachdem sich das Militär in die Barracken zurückgezogen habe. Sie geben an, dass eine weitere Zusammenarbeit mit der Junta den Zorn der Bevölkerung Myanmars gegenüber China verstärke.
Die Financial Action Task Force (FATF), ein durch die G7-Staaten einberufenes und an die OECD angegliedertes Kontrollorgan, setzte Myanmar auf seine schwarze Liste. Neben Geldwäsche äußert die FATF sich seit Beginn des Kriegs gegen den Terror auch zu Terrorismusfinanzierung. Als Grund wurden Myanmars Casinos und der unterschwellige Grenzhandel angegeben.
Weiteres
Al Jazeera berichtete über die Bedeutung der Jugend für den Widerstand. Der Verlust ihrer Zukunftsperspektiven, die plötzlichen Einschränkungen ihrer Freiheit und die allgemeine Feindseligkeit des Militärs gegen die Jugend führen zu zunehmender Politisierung und Radikalisierung. Auch der Versuch des Militärs Druck auf die Familien auszuüben, könne diese Entwicklung nicht aufhalten. Sie berichten von einem Verschwinden der Jugend aus den Städten und Dörfern, da sie in Ermangelung ihrer vorherigen Zukunftspläne entweder aus dem Land fliehen oder sich dem Widerstand anschließen.
Tom Villarin schrieb einen Meinungsartikel für Rappler. Auch er geht auf die Arbeit der ASEAN Parlamentarier:innen ein und beschreibt ihre Einschätzung, dass der Putsch bisher gescheitert sei. Er kritisiert die UN und ASEAN, indem er ihnen fehlendes Handeln und Zahnlosigkeit vorwirft. Das Militär zeige eine klare Missachtung für den Fünf-Punkte-Konsens und die humanitäre Katastrophe halte an, während ASEAN der Rolle des Zwischenhändlers nicht gerecht werde. Seine Empfehlungen sind eine Erhöhung der humanitären Hilfe, Unterstützung und Druck für die Nachbarländer Myanmars, eine Ablehnung der geplanten Wahlen, die Isolation der Junta, die Anerkennung der NUG und eine Abkehr vom Fünf-Punkte-Konsens.
In einem Beitrag für Myanmar Now setzt Igor Blazevic sich mit dem bisherigen Einsatz internationaler Hilfsorganisationen auseinander. Er argumentiert, dass UN-Organe wegen ihres fehlenden Einsatzes für das Land und teilweise Kooperation mit dem Militär in die Kritik geraten. Darauf reagierten diese mit Hoffnung machenden Infografiken. Dies werfe aber nur weitere Fragen auf. In welchen Landesteilen findet tatsächlich eine Auslieferung von Hilfsgütern statt? Kann dies regelmäßig oder nur einmalig passieren? Welche Rolle wird dem Militär zugebilligt? Und werden die vorhandenen Geldmittel zum durch die Junta festgelegten Satz in Kyat getauscht? Seiner Meinung nach schuldet die UN der Zivilgesellschaft Myanmars eine Antwort auf diese und weitere Fragen.