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Presseschau Myanmar November 2021

Einjähriger Jahrestag der Wahlen in Myanmar, Bombardierung der Stadt Thantlang im Chin-Staat, Ausmaß der Gewalt wächst im ganzen Land, US-Journalist Danny Fenster aus Haft entlassen, Verkauf des Telekommunikationsunternehmen Telenor verschiebt sich weiterhin.

Politische Situation

Der 8. November war der erste Jahrestag der demokratischen Wahl, die 2020 in Myanmar durchgeführt wurde und durch unabhängige Beobachter:innen als solche bestätigt wurde. Es war der Tag, an dem die Bevölkerung Myanmars mit großer Mehrheit die National League for Democracy (NLD) wählte. „Myanmar braucht KEINE neuen Wahlen“ titelt The Irrawaddy einen Meinungsartikel von Naing Khit (08.11.2021) und verdeutlicht damit die Standhaftigkeit und Überzeugung, mit der sich die Bevölkerung weiterhin gegen die Machtübernahme der Militärjunta wehrt und damit auch gegen die Tradition von Diktatoren in ihrem Land. „Die Menschen sind bereit zu sterben, um [das Militär aufzuhalten] und um ihre legitimen Stimmen aus der Wahl im letzten Jahr wiederzuerlangen.“ so Naing Khit.

 

Militärische Angriffe im Chin Staat

Die Stadt Thantlang im Chin-Staat wurde am 29. Oktober von Truppen der Armee angegriffen, wobei mehr als 160 Gebäude, darunter auch zwei christliche Kirchen, in Brand gesetzt wurden, berichtet Myanmar Now (30.10.2021). Der Angriff auf die Stadt sei die Antwort auf die Erschießung eines Soldaten durch die Chinland Defence Force (eine regionale bewaffnete Gruppe, CDF) gewesen. Diese gab an, dass sie den Soldaten dabei gesehen hätten, wie er einen Laden plünderte. Die Mehrheit der ca. 8000 Bewohner:innen der Stadt waren zuvor in die nahe liegenden Dörfer entlang der Grenze zwischen Indien und Myanmar und in den indischen Bundesstaat Mizoram geflohen, nachdem das Militär bereits am 18. September die Stadt angegriffen und Häuser zerstört hatte (siehe Presseschau September 2021). Human Rights Watch (04.11.2021) und 521 andere myanmarische, regionale und internationale Organisationen der Zivilgesellschaft fordern den UN-Sicherheitsrat auf, sich in einer Dringlichkeitssitzung mit den Angriffen im Chin-Staat zu befassen und sich mit der immer weiter zuspitzenden humanitären Krise in Myanmar zu beschäftigen. In Folge der Gewalt im Chin-Staat zitiert The Irrawaddy (10.11.2021) eine Erklärung der Regierung der Nationalen Einheit (NUG), in der die Verbrechen des Militärs als Kriegsverbrechen gegen die eigene Bevölkerung bezeichnet werden und General Min Aung Hlaing und seine Verbündeten aufgefordert werden, ihre Verbrechen gegen die Menschlichkeit unverzüglich zu beenden.

 

Ausmaß an Gewalt wächst

Derweilen gehen die Kämpfe zwischen dem Militär und diversen bewaffneten Gruppen weiter und es gibt vermehrt Nachrichten über in Kämpfen getötete Soldat:innen. The Irrawaddy (08.11.2021) berichtet, dass am 6. und 7. November in ganz Myanmar fast 150 Soldat:innen in verschiedenen Gefechten mit den vereinten People’s Defense Forces (PDFs) und Ethnic Armeed Organizations (EAO) gestorben seien. Berichten zufolge finden die Kämpfe hauptsächlich in den Regionen Yangon, Mandalay, Magwe, Sagaing und Tanintharyi sowie in den Bundesstaaten Chin, Shan und Kayah statt. Es kommt aber auch im urbanen Raum vermehrt zu Gefechten.

Am 4. November sei es laut The Irrawaddy (05.11.2021) zu Kämpfen im Pekon Township, im Shan Staat zwischen den Truppen des Regimes und den vereinten PDF- und Karenni-Streitkräften aus Pekon und Mobye im Shan-Staat und Loikaw und Demoso im Kayah-Staat sowie der Karenni-Armee, dem bewaffneten Flügel der Karenni National Progressive Party gekommen. Dabei seien 20 Soldat:innen getötet worden und ein:e Widerstandskämpfer:in verletzt worden. Ungefähr 15.000 Bewohner:innen aus Pekon seien auf der Flucht, nachdem die Armee begonnen habe, Wohngebiete zu beschießen. 

Allein am 4. und 5. November kam es zu weiteren Gefechten in Mindat im Chin Staat, im Kale Township in der Sagaing Region, in der Mandalay Region, im Myaing Township, in der Magwe Region, in der Sagaing Region, im Dawei Township, in der Tanintharyi Region, im South Dagon Township und in Yangon. In ganz Myanmar, besonders aber in den Regionen Magwe und Sagaing sowie in den Staaten Chin, Shan und Kayah kommt es weiterhin zu massiver Gewalt des Militärs an der Zivilgesellschaft.

Am 11. November zitiert The Irrawaddy die NUG, die von 1300 getöteten Soldat:innen und 463 Verletzen allein im Oktober spricht. Die Zahl der getöteten Soldat:innen habe sich demnach innerhalb eines Monats fast verdoppelt. Laut des Berichts habe sich auch die Zahl der vom burmesischen Militär getöteten Zivilist:innen im Vergleich zu Vormonat verdoppelt. Allein im Oktober seien im Zuge von 197 Fällen von Gewalt durch das Militär 313 Zivilist:innen getötet und 63 verwundet worden. The Irrawaddy spricht von täglich ca. 100 Toten auf Seiten der Junta, seitdem die PDF auch in den Großstädten Yangon, Mandalay und Naypyitaw zunehmend Widerstand leisten.

Laut der Assistance Association of Political Prisoners wurden seit dem Putsch insgesamt 1297 Menschen getötet sowie 10536 Menschen verhaftet (29.11.2021).

 

US-Journalist aus Haft entlassen

Die Deutsche Welle (15.11.2021) berichtet, dass der US-amerikanische Journalist Danny Fenster nur wenige Tage nachdem er zu elf Jahren Haft verurteilt wurde, nun aus der Haft entlassen ist. Fenster, der als leitender Redakteur des unabhängigen Nachrichtenmagazins Frontier Myanmar arbeitete, wurde am 24. Mai 2021 festgenommen und seitdem in Yangons Insein-Gefängnis festgehalten. Am Freitag, den 12. November 2021, wurde er wegen der angeblichen Anstiftung zur Verbreitung falscher oder aufrührerischer Informationen, Kontaktaufnahme zu illegalen Organisationen und Verstoß gegen Visabestimmungen für schuldig befunden und zu elf Jahren Haft verurteilt. Am Montag, den 15.11.2021 wurde er überraschend freigelassen und befindet sich nun auf dem Weg in die USA. Laut Deutsche Welle sei die Freilassung durch Verhandlungen des ehemaligen US-Botschafters der Vereinten Nationen, Bill Richardson, in die Wege geleitet worden, der sich zu dieser Zeit auf einer „privaten humanitären Mission“ in Myanmar befand. Unabhängig von Fensters Freilassung berichtet The Irrawaddy (10.11.2021) auch kritisch über Richardsons Aufenthalt in Myanmar und verdeutlicht, dass der Besuch eines ehemaligen UN-Botschafter auch für den Militärführer Min Aung Hlaing von Vorteil war.

 

Außenpolitik

Im Rahmen mehrerer ASEAN-Tagungen kam es zu weiteren diplomatischen Entwicklungen: Min Aung Hlaing wurde weder zum Treffen der ASEAN mit China, noch mit Europa eingeladen. Darüber hinaus zeigt die südostasiatische Regionalorganisation zunehmend Bereitschaft, mit der NUG zu kooperieren. Zu ihrem Klima- und Klimakatastrophen-Gipfel luden sie Tu Hkawng, den Minister für natürliche Ressourcen und Klimaschutz der zivilen Alternativregierung, ein.

Die Burmese Rohingya Organisation UK (BROUK) verkündet, dass die zweite Kammer des föderalen Strafgerichtshofs Argentiniens entschieden hat, eine Anklage gegen das burmesische Militär unter ‚universeller Gerichtsbarkeit’ zuzulassen. Das Prinzip der universellen Gerichtsbarkeit erlaubt Anklagen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor nationalen Gerichten, falls die Justiz des eigentlich zuständigen Staats nicht fähig oder willens ist, die Prozesse selbst durchzuführen. Die Anklage war zunächst von einem niedrigeren Gericht abgewiesen worden, da sowohl durch den Internationalen Gerichtshof, wie auch den Internationalen Strafgerichtshof Prozesse zur Untersuchung des Völkermords an den Rohingya eingeleitet wurden. Tun Khin, der Präsident von BROUK, argumentierte aber, dass die Untersuchungen der internationalen Gerichte aufgrund Myanmars Weigerung, ihre Autorität anzuerkennen, nicht umfassend sein können und ein Prozess in Argentinien damit nicht im Konflikt stehe.

 

Wirtschaft

Die NUG kündigte zu Beginn des Monats an, Staatsanleihen verkaufen zu wollen. Der Verkauf begann am 22. November 2021. Am Morgen des 23. Novembers waren nach Angaben des Nachrichtensenders der zivilen Regierung bereits Anleihen im Wert von über sechs Millionen US-Dollar angekauft worden. Die Mittel sollen nicht nur der Unterstützung des bewaffneten Widerstands dienen, sondern auch für soziale Belange verwendet werden.

Der Verkauf des norwegische Telekommunikationsunternehmen Telenor an die libanesische M1 Group (siehe auch Presseschau Juli 2021) scheint sich weiter zu verzögern, so Reuters (09.11.2021). Der Verkauf der Firma für 105 Millionen Dollar wurde aufgeschoben, nachdem das Militär angedeutet habe, dass es sich ein lokales Unternehmen als Miteigentümerin wünschen würde. Reuters zitiert anonyme Quellen, die berichten, dass die M1 Group sich in Gesprächen mit der burmesischen Shwe Byain Phyu Group befindet, welche Anteile an Tankstellen und im Edelsteinabbau haben. The Irrwaddy (11.11.2021) berichtet, dass eine Handvoll weitere burmesische Firmen Interesse an einer Kooperation bekundeten. Sollte die Telenor Group ihre Geschäfte an ein Unternehmen verkaufen, welches Verbindungen zum Militär in Myanmar habe, würde der Druck der internationalen Menschenrechtsorganisationen stärker werden, so the Irrawaddy. Auf Anfrage von Reuters gab Telenor an, es würde immer noch auf eine formale Antwort bezüglich des Verkaufs an die M1 Group von Seiten der Behörden warten.

The Irrawaddy (05.11.2021) berichtet über den Tod von U Thein Aung, dem Chief Financial Officer (Finanzvorstand) der Telekommunikationsfirma Mytel. Er und seine Frau seien auf offener Straße von einem Unbekannten in Mayangone Township, Yangon, erschossen worden. Mytel Telecommunications Co. ist ein gemeinsames Unternehmen des Militärs in Myanmar und des vietnamesischen Verteidigungsministeriums. Der Tod von U Thein Aung stellt das bisher prominenteste Opfer einer militärnahen Firma da. Sein Tod sei ein weiterer Schlag gegen das Unternehmen, das seit dem Militärcoup von vielen Nutzern boykottiert wird. Zusätzlich zu Boykotten seien bis zu 80 Sendemasten in ganz Myanmar von den People's Defence Forces gesprengt worden. The Irrwaddy zitiert die Aktivist:innengruppe Justice for Myanmar, die erklärt, dass Mytel seit dem Putsch mindestens 24.9 Million Dollar und fast zwei Millionen Abonnenten verloren habe.

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