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Rückblick AEPF12: Workshop „Struggles against ISDS cases"

Ein Workshop beim 12. Asia-Europe People's Forum (29. September 2018, Gent, Belgien) setzte sich mit den Auswirkungen von Mechanismen des Investor State Dispute Settlements (ISDS, deutsch: Investor-Staat-Streitbeilegung) in mehreren Ländern auseinander.

Erfahrungen zu den Auswirkungen von ISDSs haben verschiedenste Staaten in bilateralen Investitionsabkommen machen können. ISDS ist ebenfalls ein aktuelles Thema in vielen anstehenden bilateralen Freihandelsabkommen, die momentan unter anderem zwischen der Europäischen Union und asiatischen Ländern verhandelt werden.

Berichterstattung aus Indonesien, den Philippinen, Belgien und Spanien

In einer ersten Runde berichteten vier Podiumsteilnehmer*innen aus Indonesien, den Philippinen, Belgien und Spanien von ihren Erfahrungen mit ISDS-Fällen. Der Workshop diente zum Austausch und zur Vernetzung zivilgesellschaftlicher Bewegungen, so dass Kampagnen und Aufklärungsarbeit zu oft wenig bekannten ISDS-Fällen effektiver gestaltet und ggf. transnational verknüpft werden können.

Indonesien

In Indonesien sind ca. 50 % aller vorgebrachten ISDS-Fälle aus dem Bergbausektor, alle Fälle basieren dabei auf bilateralen Investitionsabkommen. Obwohl viele bilaterale Investitionsabkommen nicht verlängert wurden, unter anderem aufgrund von auf ISDS-Mechanismen basierenden Klagen gegen die indonesische Regierung, ist das Thema im Rahmen von Freihandelsabkommen immer noch aktuell. Rahmi von der NGO Indonesia for Global Justice (IGJ) berichtete von mehreren ISDS-Fällen.

Fall Churchill Mining in Ostkalimantan

Im Jahr 2014 wurde die indonesische Regierung von dem englischen Unternehmen Churchill Mining auf knapp 2 Milliarden US-Dollar verklagt. Für eine Mine in Kutai Barat in der Provinz Ost-Kalimantan wollte die Lokalregierung dem Betreiber Churchill Mining die Bergbau-Lizenz entziehen. Die indonesische Regierung warf Churchill Mining eine Unterlassung der Sorgfaltspflicht bei dem Erwerb der Lizenz vor.

Ein großes Problem sind  korrupte Praktiken und das Überschneiden von Konzessionen, was in Indonesien immer wieder zu Konflikten führt. Land wird dabei doppelt vergeben, z.B. an zwei Bergbauunternehmen, oder Minenkonzessionen liegen in Gebieten, die bereits für Palmölplantagen freigegeben wurden. Dies ist aufgrund korrupter Praktiken möglich. Die Hauptleidtragenden sind aber lokale Gemeinden und die Bevölkerung vor Ort.

Fall Freeport Newmont in West-Papua

Ein weiterer Fall ist Newmont Mining Corporation im Jahr 2014. Nachdem die indonesische Regierung ein Gesetz erlassen hat, dass Rohmaterialien innerhalb Indonesiens verarbeitet werden müssen, bevor sie exportiert werden, damit ein Teil des Profits im Land bleibt, hat Newmont Mining damit, gedroht die indonesische Regierung vor dem Investitionsschiedsgericht zu verklagen. Das Gesetz würde die Profitmaximierung des Unternehmens einschränken. Die Regierung erteilte nach der Drohung eine spezielle Exportgenehmigung für Newmont. Newmont zog daraufhin die Klage zurück.

Momentan wird zwischen der EU und Indonesien ein Freihandelsabkommen ausgehandelt. Bezüglich der Verarbeitung von Rohmaterialien übt die EU auf Indonesien Druck aus. Indonesien sieht den Bergbausektor als einen Hauptpfeiler der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und steht damit vor einer schwierigen Entscheidung.   

Eine der Strategien von IGJ ist, die gesetzlichen Regelungen in Bezug auf Bergbau-Lizenzvergaben zu beeinflussen. Dafür setzt IGJ auf Medien und macht problematische Fälle publik und transparenter. Korruptionsfälle, die durch die Antikorruptionsbehörde aufgedeckt wurden, werden regelmäßig in den Nachrichten thematisiert.

Das Gesetz zur Regulierung des Exports von Rohmaterialien ist zudem im Wahlkampf um die Präsidentschaft 2019 bedeutend, denn durch die Verarbeitung von Rohmaterialien in Indonesien sollte die Lokalbevölkerung wirtschaftlich erhebliche Vorteile bekommen. Das Vorgehen von IGJ war insofern erfolgreich, dass sie die Bedenken, die mit dem ISDS einhergehen, der Regierung erläutern konnten. Die NGO wurde kürzlich vom Vizepräsident eingeladen und um Rat gebeten.

ISDS in den Philippinen

In den Philippinen stellt sich die Situation unter Präsident Duterte erheblich schwieriger dar. Den ISDS-Fällen, von denen nur etwa 5 bis 6 bekannt geworden sind, wird nur wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Unter anderem liegt ein aktueller Fall vor, in dem der Konzern Shell in den Philippinen die Regierung verklagt. ISDS-Fälle stammen hauptsächlich aus dem Bergbau-, Öl- und Gas-Sektor, wobei es hauptsächlich um die Besteuerung geht.

Ein Fall, der im Workshop beschrieben wurde, drehte sich um die Malampayan Gas Felder nordwestlich der Insel Palawan, hinter denen das Konsortium aus Shell Philippinen Exploration B.V., Chevron Malampaya LLC und PNOC Exploration Corp. steht. Nachdem die „Commission of Audit (CoA)“ die Unternehmensgruppe aufgefordert hatte, entsprechend bestehender Regelungen 151 Millarden Philippinische Pesos (ca. 2,5 Millarden Euro) zu bezahlen, stellte sich die Energiebehörde auf die Seite des Konsortiums und erhob Einspruch beim CoA. Sie befürchtet, dass der Fall abschreckend auf ausländische Investoren wirken könnte. Der Fall ist noch nicht geklärt.

Kampagnen richten sich daher darauf, die Position der Energiebehörde zu kritisieren und den Fall öffentlich zu machen. Das Netzwerk „Focus on the Global South“ versucht solche Fälle auf den Philippinen mit anderen Fällen zu verlinken, um mehr Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken. Unter anderem agieren sie international gemeinsam mit dem „Tax Justice Network“.

ISDS in Europa: Berichte aus Belgien und Spanien

Auch innerhalb Europas führten ISDSs zu Problemen und juristischen Auseinandersetzungen.

Fall Antwerpener Hafen

In der belgischen Stadt Antwerpen führten Freihandelsabkommen und der Einfluss von Chinas Neuer Seidenstraßen-Initiative zum Ausbau des Hafens und der Vertiefung des Hafenbeckens. Beides hat direkte Folgen auf die Bevölkerung vor Ort. Zum einen beeinflusst der angestrebte Anstieg des Durchlaufs von Containern den Verkehr, denn alle Container werden mit LKWs angeliefert bzw. wegtransportiert. Antwerpen hat jetzt schon ein gewaltiges Verkehrsproblem. Und auch die räumliche Ausdehnung des Hafenbereichs hat Einfluss auf das Leben vor Ort. Vertreter der Zivilgesellschaft haben somit das „Antwerpen Citizen Movement“ gegründet, welches Transparenz im Ausbau des Hafens fordert und in die Planung und das Management des Hafengebiets direkt involviert werden möchte.

Der Achmea Fall

Weitere Problematiken durch bilaterale Investitionsabkommen sind Verstöße gegen EU-Recht . Ein Beispiel ist der Achmea Fall, bei dem das niederländische Unternehmen Achmea die slowakische Regierung auf 22,1 Millionen Euro verklagte. Die slowakische Regierung hatte 2004 den Entschluss gefasst, den Krankenversicherungsmarkt zu privatisieren. 2007 wollte die Regierung diese Regelung teilweise einschränken, indem sie die Gewinnverteilung aus Krankenversicherungstätigkeiten verbieten wollte. Das Investitionsgericht entschied, dass dies ein Verstoß gegen das BIT (Bilaterale Investitionsabkommen) sei und die Slowakei musste die oben genannte Summe zahlen.

Spanien

Spanische Unternehmen im Energie-, Telekommunikations- und Wassersektor verklagten ausländische Regierungen, hauptsächlich in Lateinamerika, in bisher 40 Fällen.

In Spanien selbst wurde die Regierung aufgrund von ISDS-Fällen auf ca. 128 Millionen Euro durch ACER (Vereinigtes Königreich) und Norvenergia (Luxemburg) auf 53 Millionen Euro Strafe verklagt - Geld, das Spanien zum Beispiel im Gesundheitssektor fehlt.

Die spanische Zivilgesellschaft klagt auch Probleme im Sektor der Erneuerbaren Energien an. Durch staatliche Subventionen im Solarsektor wurden Erneuerbare Energien zum Spekulationsobjekt ausländischer Firmen. Die spanische Regierung wollte Änderungen in der Subventionierung vornehmen und wurde daraufhin von ausländischen Unternehmen verklagt, weil ihnen dadurch Gewinne entgehen würden. 

Deutlich wird, dass es den Konzernen nicht um Umweltschutz geht, sondern dass Profit an erster Stelle steht. Zivilgesellschaftliche Bewegungen drängen darauf, solche Zusammenhänge und Interessen von Investoren und dem Staat transparent zu machen.

ISDS bleibt ein aktuelles und wichtiges Thema, gerade in Bezug auf bilaterale Freihandelsabkommen. Interessen zur Profitmaximierung von Unternehmen stehen dabei zumeist an oberster Stelle. Öffentliche Interessen, ob im Bereich der Gesundheitsversorgung, der Energieversorgung oder wie im Falle Indonesiens bei dem Versuch, die Verarbeitung von Rohmaterialien im eigenen Land durchzuführen, um Arbeitsplätze zu schaffen und das Land an Gewinnen teilhaben zu lassen, stehen Profitmaximierungsstrategien entgegen.

Unglücklicherweise sind ISDS-Mechanismen und ihre potentiellen Auswirkungen auf Bevölkerungen in öffentlichen Diskussionen wenig präsent. Die Rolle der zivilgesellschaftlichen Bewegungen bei der Schaffung von Transparenz und gemeinsame Strategien, um solche Fälle öffentlich zu machen, sind daher unbedingt nötig.

Bericht von Andrea Höing, die für die AG Ressourcen der Stiftung Asienhaus teilnahm.

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