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Indonesiens riskantes Spiel mit dem Sandexport

Sulawesi Sandabbau
Sulawesi ist eine der indonesischen Inseln, wo in der Vergangenheit viel Sand abgebaut wurde. Der Plan, den Export wieder aufzunehmen, hat geteilte Reaktionen hervorgerufen. Einige sehen wirtschaftliche Vorteile, andere sorgen sich um die Folgen für die Umwelt. (Foto: Basri Marzuki / NurPhoto SRL / Alamy)

Die Wiederaufnahme von Sandexporten verschärft Umweltzerstörungen – doch ist ein nachhaltiger Sandabbau möglich? Ein Artikel von Mohammad Yunus.

Der unregulierte Sandabbau in den frühen 2000er Jahren hätte fast zum Untergang der Insel Nipah geführt: ihre Küsten erodierten und die Existenz der Insel stand auf dem Spiel.

Diese kleine indonesische Insel nahe Singapur ist bei Flut nur 0,62 Hektar und bei Ebbe 60 Hektar groß. Sie ist eine von mehreren Inseln des Riau-Archipels, die vom ungebremsten Sandabbau bedroht waren. Getrieben von der Nachfrage nach Landgewinnung und Bauprojekten, zerstörte der Sandabbau fragile Ökosysteme und setzte die Zukunft dieser Inseln aufs Spiel.

Im Jahr 2003 griff die indonesische Regierung ein und verbot den Export von Sand. 2004 besuchte die damalige Präsidentin Megawati Soekarnputri die Insel Nipah und erklärte: „Nipah ist die äußerste Insel. Verteidigt sie bis auf den letzten Tropfen Blut.“ Diese Worte sind heute auf der Insel in einen Stein gemeißelt.

Zwei Jahrzehnte nach Megawatis Erklärung scheint Indonesien seinen Kurs zu ändern. Im Mai 2023 hob die Regierung des Präsidenten Joko Widodo das Exportverbot für Sand auf. Sie begründete dies mit den finanziellen Möglichkeiten, die sich vor dem Hintergrund der weltweit steigenden Nachfrage nach Sand ergeben.

Am 29. August 2024 wurden in Jakarta neue Regelungen für den Sandexport erlassen, die im darauffolgenden Monat in Kraft traten. Seit Oktober 2024 haben 66 berechtigte Unternehmen Abbaurechte beantragt, welche die Regierung zurzeit prüft.

Es wurde kein offizielles Einnahmeziel für Sandexporte im Jahr 2025 festgelegt, jedoch hat die Regierung auf Grundlage der kürzlich in Kraft getreten Verordnung einen Richtpreis von 11,49 US-Dollar pro Kubikmeter festgelegt. Vor dem Verbot im Jahr 2003 exportierte Indonesien Millionen von Kubikmetern Sand pro Jahr, hauptsächlich nach Singapur für Landgewinnungsprojekte im Stadtstaat.

Probleme kommen ans Licht

Die Entscheidung, Exporte wieder aufzunehmen hat breite Proteste ausgelöst. Kritiker:innen argumentieren, dass der Abbau zur Zerstörung von Küstenökosystemen, Fischereien und kleinen Inselgemeinden führen wird.

In der Vergangenheit war Indonesien ein zentraler Zulieferer von Sanden. Der Abbau hatte jedoch verheerende Folgen für die Umwelt, insbesondere rasante Erosion und den drohenden Untergang von Inseln wie Nipah.

Sandabbau kann außerdem das empfindliche Gleichgewicht der marinen Ökosysteme stören, da er zur Wasserverschmutzung beiträgt und Meereslebewesen erstickt. Dieser zusätzliche Stress für Ökosysteme z.B.Korallenriffe reduziert ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber anderen von Menschen verursachten Herausforderungen, wie dem Klimawandel und der Versauerung der Meere.

Professor Yonvitner, Experte für Küsten und Meere an der IPB-Universität Indonesien, warnt vor den weitreichenden ökologischen Folgen: „Zusätzlich zu den direkten Auswirkungen, wie der Zerstörung von Mangroven, Seegraswiesen, Korallenriffen und den Fischhabitaten, hat der Sandabbau auch indirekte Folgen.  Das sind die Freisetzung von Kohlenstoff aus Sedimenten, die Zerstörung der marinen Nahrungskette und die Verschmutzung von Stränden“, sagt er.

Diese Bedenken teilt auch Celios, eine indonesische Denkfabrik für Wirtschaft und Recht. Diese schätzt, dass die Wiederaufnahme der Exporte das indonesische Bruttoinlandsprodukt um 1,22 Billionen Indonesische Rupiah (IDR, entsprechend ca. 74,5 Million US-Dollar) und individuelle Einkommen um 1,21 Billionen IDR (73,9 Millionen US-Dollar) verringern wird.

Pascal Peduzzi, Direktor von GRID-Geneva, einem Datenzentrum des UN-Umweltprogramms, betont, dass Sandressourcen nachhaltiger bewirtschaftet werden könnten. Peduzzi setzt sich für eine Sandpreisgestaltung ein, die die wahren sozialen und ökologischen Kosten reflektiert. Während der Preis pro Kubikmeter aktuell je nach Art und Standort zwischen 15 und 17 Dollar liegt, vermutet er, dass dies nicht annähernd die langfristigen Kosten für Umwelt und Soziales widerspiegelt. „Ein international akzeptierter Standard würde gleiche Wettbewerbsbedingungen für alle schaffen“, sagt er.

Die indonesische Regierung besteht darauf, dass sie die Umwelt- und Klimaschutzbelange berücksichtigt habe. Doni Ismanto, ein Beamter des Ministeriums für maritime Angelegenheiten und Fischerei erzählt gegenüber dem Nachrichtenportal detik.com, dass die neue Politik sich mehr auf den Abbau von Sedimenten beziehe. Dabei könne es sich um Sand oder Schlamm handeln, und nicht nur ausschließlich um Sand. „Das Ziel ist ganz klar, die Ökologie zu erhalten und die Widerstandsfähigkeit der Meeresökosysteme zu stärken“, sagt er. Kritiker:innen bezweifeln jedoch, ob diese Trennung überhaupt einen Unterschied machen wird.

Landgewinnngen verschärfen regionale Spannungen

Die Wiederaufnahme des Sandexports hat nicht nur Auswirkungen auf die Umwelt, sondern könnte auch regionale Spannungen verschärfen.

Singapur hat sich bei seinen ambitionierten Landgewinnungsprojekten lange Zeit auf indonesischen Sand verlassen. Zwischen 1997 und 2002 importierte das Land jährlich mehr als 53 Millionen Tonnen Sand aus Indonesien, und konnte seine Küstenlinie dramatisch umgestalten. Aktuell gibt es Pläne für das „Long Island“-Projekt, bei dem 800 Hektar Landfläche geschaffen werden sollen. Land, das notwendig für den Schutz vor dem ansteigenden Meeresspiegel ist.

Allerdings haben Singapurs Landgewinnungsprojekte in der Vergangenheit immer wieder zu Spannungen mit den Nachbarländern geführt. Der Vorwurf: Singapur würde seinen Wohlstand nutzen, um auf die Kosten anderer Länder Land zu gewinnen. Malaysia verbot Sandexporte nach Singapur 1997, darauf folgten Indonesien im Jahr 2003, Vietnam 2009, und Kambodscha in 2017.

Indonesiens Entscheidung das Verbot aufzuheben scheint regionale Bemühungen zu untergraben. Diese versuchen, die ökologischen und geopolitischen Auswirkungen großflächiger Landgewinnung zu reduzieren. Obwohl es explizit keine multilateralen Abkommen über den Sandabbau und großflächige Landgewinnung gibt, besteht ein regionales Bewusstsein für die Problematik. So haben bereits mehrere Länder damit begonnen, ihre Exporte zu reduzieren.

In der Vergangenheit war der in Indonesien abgebaute Sand die Grundlage für Landgewinnungsprojekte in Singapur, zum Beispiel für die „Gardens of the Bay“ (abgebildet). Jedoch verstärkt dieser Handel regionale Spannungen (Foto: Kumar Sriskandan/ Alamy)

In der Vergangenheit wurde der in Indonesien abgebaute Sand für Landgewinnungsprojekte in Singapur genutzt, zum Beispiel für die „Gardens of the Bay“ (abgebildet). Dies verstärkt jedoch regionale Spannungen (Foto: Kumar Sriskandan/ Alamy) 

Die Behörden in Singapur versuchen, solche Bedenken zu zerstreuen. Der Minister für nationale Entwicklung, Desmond Lee, versprach 2024, dass zukünftige Importe aus „legal zugänglichen Gebieten“ und in Übereinstimmung mit den Umweltvorschriften der Herkunftsländer erfolgen würden.

„Unsere zentralen Abwägungen gelten der Notwendigkeit des Küstenschutzes für die niedrig gelegenen Gebiete der Ostküste aufgrund des künftigen Meerespegelanstieges, und der Notwendigkeit, Land für den langfristigen Entwicklungsbedarf Singapurs zu schaffen“, sagt Lee.

Eine besondere Schwierigkeit bei der Regulierung des Sandhandels ist die bruchstückhafte Datenlage. „Unvollständige und unregelmäßige Daten sind immer wieder ein Problem, wenn man versucht die Produktion und den Sandhandel in Südostasien zu verstehen“ sagt Edward Park, Professor für physische Geographie an der Nanyang Technological University (NTU) in Singapur.

„Diese Fragmentierung erschwert die Nachverfolgung der Lieferungen und deutet auf illegalen Abbau oder mangelhafte Dokumentation hin. Die Philippinen und Malaysia zum Beispiel melden Exporte und Importe aus nicht spezifizierten Quellen“, stellt er fest. „Die Komplexität von re-exportiertem Sand verschleiert die Herkunft zusätzlich, und erschwert die Regulierung und den Umweltschutz“

Eine umfassende Datenbank über Sandreserven, Abbaustätten, Produktionsmengen, Handelsrouten und Endverwendungen könnte Gebiete für nachhaltigen Sandabbau identifizieren und die Transparenz verbessern. Auch Technologien wie künstliche Intelligenz oder Fernerkundung (berührungsfreie Erkundung der Erdoberfläche z.B. durch Satelliten) könnten bei der Kartierung von Abbaustätten helfen und übermäßigen Abbau verhindern. Das von der NTU entwickelte System für nachhaltige Sandgewinnung (Sustainable Sand Harvesting Program, SSH) modelliert bereits, wie sich der Sandabbau auf Flussbette auswirkt. Durch die Analyse der Wassertiefe und Sandbewegungen erstellt dieses Programm eine dynamische Karte, die vorhersagen soll, wie die Erosion das Flussbett im Laufe der Zeit verändern wird. Es zielt darauf ab, Entscheidungsträger:innen bei der Planung und Organisation eines nachhaltigen Sandabbaus zu unterstützen.

Während viele Expert:innen die Chancen einer Zusammenarbeit erkannt haben, bleibt der mangelnde politische Wille der beteiligten Länder eine große Herausforderung. Dieser ist auf konkurrierende nationale Interessen, schwache Durchsetzungsmechanismen und das Fehlen eines verbindlichen Regelwerks zur Regulierung des Sandabbaus zurückzuführen. Die Wiederaufnahme des Abbaus durch Indonesien verdeutlicht genau diese Spannungen.

Die Zukunft von Indonesiens Küstenressourcen

Obwohl Sandexporte vielleicht unmittelbare wirtschaftliche Vorteile bieten, könnten sie schwere Langzeitfolgen sowohl für die Ökosysteme, als auch die Bevölkerung der Küstenregionen haben. Die Insel Nipah, die einst von Erosion infolge des unkontrollierten Sandabbau bedroht war, wurde damals zum Symbol von Indonesiens Verletzlichkeit. Nach dem Verbot von 2003 haben Maßnahmen zur Wiederherstellung der Küsten dazu geführt, dass das Ökosystem der Insel erste Anzeichen einer Erholung aufweist.

Obwohl einige Möglichkeiten für den nachhaltigen Sandabbau existieren, bleibt es ungewiss, ob Indonesien einem nachhaltigen Weg folgen oder die Fehler seiner Vergangenheit wiederholen wird. Es ist absehbar, dass der Sandabbau bald wiederaufgenommen und erhebliche Auswirkungen haben wird – nicht nur für Indonesien, sondern für die weltweiten Bestrebungen nach einem verantwortungsvollen Umgang mit dem am zweithäufigsten genutzten Rohstoff der Welt.

Autor: Mohammad Yunus ist unabhängiger Wissenschaftler und Autor, der sich auf die Ökologie und Nachhaltigkeit spezialisiert hat. Zurzeit lebt er in Riau in Indonesien.

Übersetzung: Imina Hecht

Bildnachweise: Foto 1: Basri Marzuki / NurPhoto SRL / Alamy, Foto 2: Kumar Sriskandan/ Alamy

Der englische Originalartikel Indonesia’s risky gamble with sea sand exports erschien zuerst bei Dialogue Earth am 13. Februar 2025 unter Creative Commons Attribution-NonCommercial-NoDerivatives 4.0 International (CC BY NC ND 4.0). Wir bedanken uns herzlich bei Dialogue Earth für die gute Zusammenarbeit.

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