Demonstrationen am Internationalen Frauentag gegen zwei Gesetzesvorhaben Indonesiens, wurden von Fällen sexueller Gewalt an den Protestierenden in Jakarta überschattet. In den Medien wurde die Tatsache, dass die Gewalt gerade an diesem Tag von den Mitdemonstrierenden selbst ausging, als (ironischer) Scherz dargestellt. Der Vorfall lenkte den Fokus auf die junge Generation Indonesiens, vor allem auf Studentinnen, die sexuelle Belästigung an Universitäten erfahren haben. Die unzureichende rechtliche Lage, sowie die mangelnde Unterstützung und Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt von Behörden in Indonesien wird im Interview „Das Heiratsgesetz macht Männern zu Hausherren“ von Sabina Puspita beleuchtet.
Frauen aus den östlichen Provinzen Papua und West Papua erleiden oft sexualisierte Gewalt auf mehreren Ebenen. Auf der einen Seite befeuert der Konflikt zwischen der indigenen Bevölkerung und der Zentralregierung in Jakarta Polizei- und Militärgewalt, auf der anderen Seite führt ein tief verwurzeltes patriarchalisches Rollenverständnis zu häufiger häuslicher Gewalt, gefährlichen Abhängigkeiten, „Wenig Zufluchtsorte und kaum Unterstützung“ für die indigenen Frauen.
Der zweiteilige Artikel „Feminismus als Klassenfrage“ schildert die historische Entstehungsgeschichte von Frauenbewegungen in Indonesien. Angefangen von der ersten politischen Frauenbewegung Poetri Mardika, über die Gründung des indonesischen Frauenkongresses KOWANI bis hin zu dem Einsatz der Aktivistinnen von GERWANI in Teil I. Der zweite Teil behandelt das dunkle Kapitel des Regimes der Neuen Ordnung ab 1965. In dieser Zeit gab es einen gezielten Einsatz sexueller Gewalt gegenüber Aktivistinnen und Mitgliederinnen von Frauenorganisationen, die zudem fortwährend diffamiert und brutal verfolgt wurden. Auch heute kämpfen noch Frauenbewegungen für die Aufarbeitung dieser Gräueltaten und setzen sich für eine Überwindung der, von der Neuen Ordnung etablierten, Geschlechterstereotypen ein.
Ein persönlicheres Bild dieser brutalen Verfolgung aus den Jahren 1965 bis 1968, schaffen der Fotograf Adrian Mulya und die Autorin Lilik HS in ihrem 2016 erschienenen Bildband Pemenang Kehidupan/Winners of Life. Sie geben hier 22 porträtierten Frauen eine Stimme, die als Widersacher der Neuen Ordnung verfolgt wurden oder ähnlich schreckliches Leid durch das Regime erfuhren. So wird auch versucht eine Möglichkeit zur ‚Demilitarisierung‘ der Geschichtsschreibung zu schaffen, denn das Geschichtsverständnis ist selbst heutzutage noch in Indonesien von Suhartos Propaganda geprägt. In „Rache macht deine Seele kaputt“ wird eine Darstellung der historischen Realität gefordert, welche den Kampf der Frauen ins Licht rücken soll.
Die Diskussionen und Ausarbeitungen zum Entwurf für „Das Gesetz zur Beendigung sexueller Gewalt“ ziehen sich nun schon seit fünf Jahren im indonesischen Parlament. Es stehen sich die säkulare Demokratische Partei des Kampfes, zusammen mit der Demokratischen Partei, den konservativen Fraktionen der Partei des Nationalen Erwachens gegenüber. Die Kontroversen behandeln immer die gleichen Problemfelder, wie eine befürchtete Förderung von Homosexualität und Promiskuität und die Gegenüberstellung von moderneren Ansichten. Diese werden von den Konservativen als ausländische oder westliche Ideologien diffamiert, welche die indonesischen Werte verdrängen sollen. So ist die Ausgestaltung des Gesetzes in seinem Umfang noch nicht abschließend geklärt und die Verabschiedung wird immer wieder verschoben.
Viele weitere Artikel zu diesen Thema sind in der Ausgabe 3/2020 „#SOAToo. Sexualisierte Gewalt und feministische Gegenwehr in Südostasien“ in unserem Online-Magazin südostasien zu finden.