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China's "Rote Linien" des Wasserschutzes: Ein Gemeinschaftswerk

Der Red Flag Canal in Linzhou (Foto: Gary Todd@ Flickr)

Chinas Wirtschaftswachstum verschärft die Wasserknappheit. Projekte wie der Süd-Nord-Wassertransfer sollen Abhilfe schaffen.

Am 22. März 2024 fand zum 32. Mal der Weltwassertag statt. Dieser Tag soll genutzt werden, um über das Thema Wassersicherheit aufzuklären. Obwohl es sich bei Wasser um eine, wenn nicht sogar um die wichtigste Ressource handelt, erhält keineswegs jede:r gleichberechtigten Zugang dazu. Auch in China ist sauberes Wasser in einigen Regionen, gerade in Nord- und Nordwestchina keine Selbstverständlichkeit, jedoch gab es in den letzten Jahren bedeutende Fortschritte in der langfristigen Absicherung des Zuganges zu nutzbarem Wasser.

Wasserversorgung in der Volksrepublik China

Das starke Wirtschaftswachstum, begleitet von einem raschen Ausbau der Industrie, eine stetig zunehmende Urbanisierung und letztendlich auch der Klimawandel sind Risiken für die Wassersicherheit der Volksrepublik China. Im Jahr 2020 verfügte China mit 1,99 Kubikmetern Süßwasserressourcen pro Kopf zwar über weniger Wasser als der weltweite Durchschnitt, trotzdem gilt es nach der UN-Definition noch nicht als Land mit Wasserknappheit. Allerdings, zeigt sich auch hier, ähnlich wie in anderen Ländern, ein Abwärtstrend in Richtung Wasserknappheit.
Ein wesentlicher Faktor bei der Bewertung der Wasserressourcen ist deren Verteilung innerhalb des Landes, da hier erhebliche Unterschiede bestehen können, so der Fall in China. Aufgrund des Monsuns gibt es im Süden und Osten Chinas deutlich mehr Niederschläge, während die nördlichen und westlichen Gebiete mit Perioden teils extremer Dürre zu kämpfen haben. Da jedoch die Hälfte der Bevölkerung im Norden lebt, sowie wasserintensive Industriezweige sich zum Beispiel in eben diesen Provinzen, z.B. Hebei angesiedelt haben, hat sich die Wasserknappheit in dieser Region zusätzlich verschärft.

Die Urbanisierung trägt ebenso zu einer Verknappung der Wasserressourcen in den Großstädten bei, die sich mehrheitlich an der Ostküste befinden. Die Menschen in den Städten sind auf eine zentrale Wasserversorgung angewiesen und verbrauchen deutlich mehr Wasser als die Bevölkerung in ländlichen Gebieten. In der Studie zur globalen Landabsenkung eines Forschungsteams der Peking Universität, konnte das Absinken von Millionenstädten ebenfalls auf die starke Bebauung und die Grundwasserentnahme zurückgeführt werden.  Wohngebiete und die Infrastruktur "versinken" im Grundwasser.

Während Chinas wachsende Wirtschaft und Bevölkerung einen höheren Wasserbedarf entwickelt haben, werden zeitgleich vermehrt wichtige Wasserquellen verschmutzt. Die Landwirtschaft gilt hierbei als Hauptverursacher und gleichzeitig als größter Verbraucher der Wasserressourcen. Auch wenn seit Beginn der Reform- und Öffnungspolitik die Zahlen rückläufig sind, machte der landwirtschaftliche Sektor 2020 noch 62% des Wasserverbrauchs aus; gefolgt von Industrie und Privathaushalten. Es sind Dünger und Pestizide, die über den Boden in das Grundwasser gelangen und parallel ihren Weg über das direkte Abladen in die Oberflächengewässer finden.

Der Weg des Staates zu mehr Wassersicherheit

Die Problematik des Nord-Süd-Gefälles bei der Wasserversorgung ist bereits lange bekannt. Die Kontrolle über die Flüsse und damit das Wasser bedeutet Macht über China. Das historische Dujiangyan-Bewässerungssystem (都江堰), das älteste seiner Art weltweit, unterstreicht die lange Geschichte und die zentrale Rolle der Wasserregulierung.
Mit der Umsetzung des Süd-Nord-Wassertransferprojektes, eines der größten und kostspieligsten Wasserinfrastrukturprojekte die je umgesetzt wurden, versucht die chinesische Regierung der Wasserknappheit entgegenzuwirken. Über mehrere tausend Kilometer wird das angesammelte Wasser aus dem Süden in die nördlichen Provinzen geleitet. Die Umsiedlung von über 300.000 Menschen wurde hierfür in Kauf genommen.

Die chinesische Regierung führte eine weitere Maßnahme ein: Den erstmals 2022 verabschiedeten fünfjährigen nationalen Wassersicherheitsplan. Obwohl Umweltschutz und damit auch die Sicherheit der Wasserressourcen bereits im 12. Fünf-Jahres-Plan an Bedeutung gewonnen hatten, verdeutlicht die Verabschiedung eines separaten Fünf-Jahres-Wassersicherheitsplans die Bedeutung des Schutzes der Wasserressourcen. Der Plan umfasst unter anderem den Schutz vor Überschwemmungen durch einen Ausbau der Warnsysteme und das Miteinbeziehen des Wasserschutzes in die Stadtplanung. Außerdem, soll die Wasserentnahme verstärkt kontrolliert und schonender gestaltet werden. Es zeigt sich, dass die chinesische Regierung verstärkt auf den Einsatz und die Weiterentwicklung von Technologien setzt.

Vor dem nationalen Wassersicherheitsplan existierte bereits eine Palette an Gesetzen, die den Schutz der Wasserressourcen garantieren sollte, es zeigten sich hier aber zahlreiche Probleme bei der Umsetzung. Beim Gewässerschutz sind in der Regel Lösungen erforderlich, die politischen Akteure mit einbeziehen. Besonders bei Flüssen, die sich über mehrere Provinzen erstrecken, kann dieser Prozess stark verzögert werden und im schlimmsten Fall zu keinerlei Ergebnissen führen.

Trotz der Hindernisse in der Umsetzung konnte die Chinesische Regierung in den letzten Jahren einige Erfolge verbuchen. Maßnahmen wie beispielsweise die Wassermanagementrichtlinien („Drei rote Linien“ - „三条红线“) aus dem Jahr 2011 und der 2015 veröffentlichte Aktionsplan zur Kontrolle der Wasserverschmutzung trugen zu einer bedeutenden Verbesserung der Oberflächenwasserqualität in den vergangenen Jahren bei.  2001 galten 44 % der Oberflächengewässer aufgrund von Verschmutzung als unbrauchbar, wohingegen 2018 der Wert nur noch bei 6,9 Prozent lag. Bei der Qualität des Grundwassers hingegen ist ein stagnierender, tendenziell eher negativer Trend zu beobachten.

Zivilgesellschaftliches Engagement im Kampf gegen die Wasserverschmutzung

In China zeichnet sich ein Bild von einer vom Top-down-Prinzip geprägten Umweltpolitik und den meist regierungszentrierten Maßnahmen ab. In Anbetracht dieser Umstände spielen jedoch Umwelt-NGOs eine besonders wichtige Rolle. Sie schaffen einen Raum für zivilgesellschaftliche Beteiligung, bringen neue und kritische Perspektiven in Umweltdebatten ein und fungieren vereinzelt als Mediator zwischen lokalen Regierungen und der Zivilbevölkerung.

Eine der ältesten und bekanntesten dieser Organisationen ist „Friends of Nature“. Die Organisations brachte bereits mehrere Unternehmen, die gegen Umweltvorschriften verstießen vor Gericht. Eine weiterer bedeutender Akteur ist das „Institute of Public and Environmental Affairs“ (IPE), welches es sich seit 2006 zur Aufgabe machte, den Zugang zu Daten im Bereich der Luft- aber auch Wasserverschmutzung zu erleichtern und für mehr Transparenz zu sorgen. In den Anfangsjahren war die Organisation einigem Druck durch Firmen, aber auch lokale Politiker:innen ausgesetzt. Hinzu kam, dass bis 2013 ein regelmäßiges Sammeln von Luft- und Wasserdaten durch Messstationen für lokale Regierungen nicht verpflichtend waren. 2013 wurde auf Druck der Bevölkerung ein entsprechendes Gesetz von der Regierung verabschiedet. Eine Verordnung zur vollständigen Offenlegung der Daten folgte im Jahre darauf.

Gegründet wurde das IPE von Ma Jun, der auch eine App namens „Blue Map“ entwickelte, die 2023 3,8 Millionen User:innen zählte. Die „BlueMap“ App und auch die Plattform „MyH20“ sammeln die Daten verschiedener Messstationen und machen sie für die Bevölkerung zugänglich. Nutzer:innen haben nicht nur die Möglichkeit auf einer Karte die Wasserqualität nachzuvollziehen, sondern verfügen darüber hinaus über eine Meldefunktion, womit einzelne Unternehmen, die die Vorschriften nicht einhalten mithilfe von Fotos gemeldet werden können. Korrupte Strukturen können so umgangen werden und Bürger:innen werden Teil der Lösung eines großen Problemes.

Zivilgesellschaftliches Engagement ist ein Teil der Lösung – digitale Technologien ebenfalls?

Mit Verbreitung Sozialer Medien und der Entwicklung des Smartphones zu einem Alleskönner im Alltag, stellt sich die Frage, inwiefern Informations- und Kommunikationstechnik (engl.=ICT) als Vehikel für zivilgesellschaftlicher Beteiligung, in diesem Fall beim Umweltschutz dienen können. „MyH20“ und „BlueMap“ sind zwei mögliche Beispiele für den Einsatz beim Wasserschutz in China. Das Nutzen von digitalen Technologien für Umweltschutz und zivilgesellschaftliches Engagement in China ist derweil noch ein recht junges Forschungsgebiet. Einige Studien zur bürgerlichen Partizipation haben bereits darauf hingewiesen, dass Informations- und Kommunikationstechnologien die umweltpolitische Beteiligung der Bevölkerung fördern können. Die Ergebnisse variieren jedoch hinsichtlich der Stärke dieses Effekts.

Ein allein technikorientierter Lösungsansatz für die Wasserversorgung ist nicht ausreichend, da viele Maßnahmen ökologische und soziale Auswirkungen haben, die von der Zivilgesellschaft eingeordnet und bewertet werden müssen. Lokale Gruppen, besonders vulnerable Minderheiten müssen inkludiert werden. Es braucht das Zusammenwirken aller Akteure um Wassersicherheit für alle zu schaffen.

Melissa Johanna Rademacher @ all

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