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A TUNNEL: ein Eisenbahntunnel, die BRI und (Fehl-)Kommunikation

Auf dem Filmfestival GlobaleMittelhessen wurde die Dokumentation von Nino Orjonikidze und Vano Arseninshvili gezeigt. Das China-Programm war zu Filmgesprächen über zivilgesellschaftliche Partizipation im Kontext der Belt and Road Initiative geladen.

Die Dokumentation A TUNNEL der georgischen Filmacher:innen Nino Orjonikidze und Vano Arseninshvili spielt in Moliti, einer Bahnstation im Tal des Chkherimela-Flusses etwa 160 Kilometer westlich der georgischen Hauptstadt Tiflis. Während der sechsjährigen Dreharbeiten bis zur Eröffnung von Georgiens längstem Eisenbahntunnel im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI) 2018 laufen die Bauarbeiten des Baubüro 23 des chinesischen Staatsunternehmens China Railway Construction Corporation, chin. 中国铁道建筑总公司, in dem kleinen Ort auf Hochtouren.

A TUNNEL folgt lose drei Bewohner:innen des Ortes Moliti: einem selbstbewussten Bahnhofsvorsteher, einer ehemaligen Lehrerin und alten Dorfchronistin sowie einem autistischen Hilfsarbeiter. Im Mittelpunkt steht die Ungewissheit über die Folgen der Bauarbeiten am Eisenbahntunnel: vom potentiellen Zwang Häuser räumen zu müssen für die Einwohner:innen bis hin zu den näher kommenden sichtbaren Rissen und Erdrutschen in den Bergflanken. Die Bildbandbreite des Films ist enorm: von sehr persönlichen Nah- und Gesprächsaufnahmen über die Dokumentation von Dorfversammlungen mit politischen Vertreter:innen und Aufnahmen eines Streiks georgischer Tunnelbauarbeiter bis hin zu offiziellen Bilder der Eröffnungsveranstaltungen.

Die Stärke der 92 Minuten langen Dokumentation liegt in ihren audio-visuellen Eindrücken sowie der Kameraführung. Da sind die Menschen und die Orte, an denen sie leben, arbeiten und mit denen sie verbunden sind. Da ist die Natur mit ihren Hügeln und Bergen und den Narben, verursacht durch eine riesige unterirdische Baustelle. Da sind die Schienen, die Moliti mit der Welt verbinden, und die Züge voller Menschen, die in der Dunkelheit von Tunneln verschwinden. Da sind die Töne, die der Wagenmeister von Moliti mit seinem Hammer macht, um die Räder haltender Züge auf Schäden zu überprüfen – ein roter „Ton“-Faden, der sich durch die gesamte Dokumentation zieht.

Die meisten Gespräche im Film finden auf Georgisch mit englischen Untertiteln statt. Hier und da tauchen Fetzen Chinesisch und Englisch in den seltenen Interaktionen zwischen Georgier:innen und chinesischen Personen auf. Es gibt keine Erzählstimme und wenig Kontext zu den vielen visuellen Eindrücken. Der Mangel an Informationen über das Gesehene als auch an qualitativer Kommunikation zwischen Georgier:innen und Chines:innen offenbart dann auch das Kernproblem dieses spezifischen BRI-Projektes und des Films: (Fehl-)Kommunikation.

„We are lost in translation!“ wird die Aussage eines Georgiers im Film untertitelt. Die Begegnung zwischen Georgier:innen und Chines:innen besteht aus Projektionen auf den Anderen. Es gibt keinen direkten Austausch mit dem chinesischen Staatsunternehmen über die Sorgen und Nöte der Anwohner:innen. Auf der anderen Seite fehlt die chinesische Perspektive, bis auf eine Kameraeinstellung der Arbeiter:innenbehausungen, komplett. Stereotypen ziehen sich durch den Film, der leider auch mit einem Klischee der chinesischen Küche beginnt: sie essen Hunde!

Die Dokumentation bebildert all das, was in vielen Projekten der Belt and Road Initiative bisher schief gelaufen ist und vielerorts nach wie vor ein Problem ist: keine Einbindung der Einwohner:innen und der Zivilgesellschaft in die Projektimplementierung, keine ausreichenden Informationen über den Projektverlauf durch die lokalen Behörden, keine Kommunikation mit den separat lebenden chinesischen Fachkräften, keine Solidarisierung nationaler Eliten mit den lokal Betroffenen, keine Prognostizierung und Kontrolle der Sozial- und Umweltschäden durch Ministerien im Sinne der Nachhaltigkeit.

A TUNNEL lässt einen sinnbildlich zurück mit zwei Bruchstücken Erde in der Hand: hier die aufoktroyierte Entwicklung mittels Infrastruktur und dort die mit den Folgen konfrontierte Bevölkerung. Über den weiteren Kontext der BRI und ihrer Ursprünge in China sprach Christian Straube vom China-Programm der Stiftung Asienhaus mit dem Konfliktforscher Stéphane Voell und dem Publikum im Rahmen der GlobaleMittelhessen 2021, moderiert von der Filmwissenschaftlerin Astrid Pohl.

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