Referent*innen unterschiedlicher Fachrichtungen gaben Beiträge über Reformpolitik und Demokratie, Instrumentalisierung von Religionen und den Ausverkauf von Ressourcen.
Monika Schlicher (Stiftung Asienhaus) erinnerte bei der Eröffnung der Veranstaltung an die Forderung „Demokratie für Indonesien und Freiheit für Osttimor“ seitens der Reform- und Widerstandskräfte 1998 zu Beginn der Reformpolitik. Heute gelte es, sich gemeinsam gegen Populismus und Intoleranz, und solidarisch vernetzt für Pluralismus und den Erhalt der Umwelt einzusetzen. „Wir fordern hier einen Ausstieg aus der Braunkohle und in Kalimantan wehren sich die Betroffenen gegen Landnahmen durch Unternehmen im Bergbau und Palmöl.“
Christoph Antweiler (Universität Bonn) verwies auf regelmäßige Naturkatastrophen, die für Indonesien auch soziale Katastrophen seien. Bei allen Errungenschaften der letzten 20 Jahre sei Indonesien mit extrem wachsenden Ungleichheiten konfrontiert. Und er stellte die Frage, wie tolerant Indonesien tatsächlich sei.
Im Anschluss an die Begrüßung wurden Gedichte von Widji Thukul, zuerst von Christa Saloh-Förster (Universität Bonn) in Indonesisch, und dann die ins Deutsche übersetzte Version von Karl Mertes (DIG) vorgetragen. Das Werk des indonesischen Dichters kritisiert die Suharto-Regierung und die sozialpolitische Lage des Landes. Thukuls Arbeit wurde unter Suhartos Herrschaft zensiert, der Regierungskritiker verschwand 1998 und ist seither vermisst.
Drei Themenblöcke gliederten den weiteren Verlauf.
Politik: Konsequenzen der Reformpolitik nach 1998
Im ersten Panel berichtete Hendra Pasuhuk (Deutsche Welle) über die politischen Entwicklungen der letzten zwei Jahrzehnte. Bevor sich Indonesien 1999 öffnete und Wahlen mit 48 konkurrierenden Parteien organisierte, herrschte der zurückgetretene Präsident Suharto 32 Jahre. Die Fortschritte zeigen seither, dass sich formale demokratische Prozeduren, Presse-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit sowie regionale Autonomien stabilisiert haben. Doch gewichtige Probleme sind noch präsent: Korruption auf unterschiedlichen politischen Ebenen, die Rolle des Militärs, die Schwäche der politischen Parteien sowie Menschenrechtsverletzungen.
Felix Anderl (Universität Frankfurt) hingegen konzentrierte sich auf die Rolle heutiger zivilgesellschaftlicher Aktivitäten und den Einfluss der begonnenen Demokratisierung auf Frauen-, Arbeiter*innen- und Bäuer*innenbewegungen. Er beobachtete zwei wichtige Zeitströmungen: Nach der Öffnung des Landes haben sich diese sozialen Bewegungen vermehrt auf internationale Ebenen konzentriert, auf Kosten der lokalen Ebene. Diese Tendenz änderte sich in den letzten Jahren jedoch wieder zu Gunsten vermehrten lokalen Engagements.
Yayak, indonesischer Künstler und Aktivist, stellte sein Buch vor, das als Erinnerung an den Terror in Folge des 1965er Umsturzes (Machtergreifung von Suharto) und willkürliche Verfolgung politischer – kommunistischer – Gegner*innen veröffentlicht wurde. Er berichtete von den Schwierigkeiten, mit denen er konfrontiert war. Eine Veranstaltung in Indonesien wurde ihm verboten und seine Publikation unterlag staatlicher Zensur.
Abschließend diskutierte das Plenum unter der Moderation von Sri Tunruang (AK Indonesien) das Konzept von 'Harmonie' sehr kontrovers. Harmonie scheint in Indonesien das wichtigste gesellschaftliche Prinzip zu sein. So soll die nationale Einheit geschützt werden, und das unabhängig von den Kosten, die damit verbunden sein können. Die Debatte der LGBT-Rechte ist zum Beispiel eine Problematik, die gemäß offiziellen Verlautbarungen die nationale Einheit des Landes gefährden könnte.
Religion: Einheit in der Vielfalt - Herausforderung für Identitätspolitik?
Das zweite Panel, moderiert von Karl Mertes (DIG), befasste sich mit dem Thema Religion. Indonesien ist das „Land mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit“ und gilt als pluralistisch und tolerant. Vor diesem Hintergrund erläuterten die drei Referenten Timo Duile (Universität Bonn), Ulrich Dornberg (Misereor) und Gunnar Stange (Universität Wien) die Frage nach der „Einheit in der Vielfalt“ (das indonesische Staatsmotto).
Timo Duile stellte kontroverse Thesen zur Diskussion. Unter anderem sei Indonesien ein anti-säkularer Staat, in dem die zunehmende Bedeutung von Religion die Gesellschaft fragmentiere. Zudem sei der Zusammenhalt des Landes immer stärker von konservativ-reaktionären Gruppen bedroht.
Ulrich Dornberg kritisierte insbesondere die Nutzung von Durchschnittswerten in öffentlichen Auseinandersetzungen und in der Berichterstattung, die nicht die Vielfalt eines Landes widerspiegeln könnten. Eine nationale Minderheit können punktuell zur Mehrheit (z.B. regional) werden: Die kontextuellen Besonderheiten Indonesiens sollten deshalb immer betrachtet werden. Aktuelle Konflikte spiegeln die Spannungen innerhalb von Glaubensgemeinschaften stärker wieder als die zwischen verschiedenen Religionen. Indonesien steht vor großen Herausforderungen, die viel komplexer und komplizierter sind, als sie auf den ersten Blick scheinen.
Gunnar Stange sprach über Missverständnisse und das Verallgemeinerungsproblem von Begriffen und Konzepten im Bereich Religion. Er wies darauf hin, dass 80% aller religiösen Institutionen in Indonesien über keine offizielle Genehmigung verfügen.
Die Diskussion fokussierte sich auf den Terrorismus und unterschiedliche religiöse Gruppen. Doch ist die Dichotomie von moderaten Gruppen und extrem-islamistischen Gruppen viel komplexer: Die Vielfalt der Akteure und religiösen Gruppen spiegelt in der Tat die indonesische Gesellschaft.
Ökologie: Folgen und Herausforderungen derAusbeutung von Ressourcen
Das letzte Panel zum Thema Ökologie wurde von Raphael Göpel (Stiftung Asienhaus) moderiert. Die Referentinnen Andrea Höing (Universität Bonn) und Michaela Haug (Universität Köln) berichteten über die Auswirkungen der Dezentralisierung auf Landrechte und Landnutzung in Indonesien.
Nach einer historischen Einordnung der Ressourcenpolitik gingen sie auf die Folgen der Dezentralisierung, die Entwicklungen neuer Gesetze und deren Auswirkungen in Kalimantan ein. Die Referentinnen berichteten über ihre Erfahrungen im ländlichen Raum Kalimantans und die ökologischen Folgen von Waldbränden, die oft zur Landgewinnung für Plantagen gelegt werden
Inseln wie Sumatra oder Kalimantan sind von den ökologischen und sozialen Folgen der Palmölindustrie katastrophal betroffen. Der Dokumentarfilm Asimetris von Dandhy Laksono zeigte die Auswirkungen des Palmölanbaus und gab einen Einblick in die Palmölindustrie.
Indonesien, als größter Palmöl-Produzent weltweit, erlaube den Verkauf von Land an große Unternehmen, was starke Konflikte mit der Bevölkerung erzeuge. Kleinbäuer*innen verfügen oft nicht über die Möglichkeit, sich gegen Landnahmen zu wehren – sie bräuchten mehr Rechte und internationale Unterstützung.
Diskutiert wurde vor allem die Verantwortung der Europäischen Union bei der Anerkennung von Palmöl als nachhaltiges bzw. nicht-nachhaltiges Produkt, die Rolle der Medien in der Verbreitung von Informationen und die Frage nach der eigenen individuellen Verantwortung gegenüber der Palmöl-Industrie. Das Panel schloss mit dem Statement Michaela Haugs: „Global denken, lokal agieren und vor der Haustür anfangen“.
Die Veranstaltung wurde gemeinsam von AK-Indonesien Aachen, der Abteilung für Südostasienwissenschaft der Universität Bonn, der Stiftung Asienhaus und der Deutsch-Indonesischen Gesellschaft organisiert.