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Myanmar: Presseschau Januar - März

Die Junta zeigt Schwäche, eine Ausbreitung der umkämpften Regionen, 3. Jahrestag des Putsches und internationale Reaktionen

Widerstand und Repression

Die Junta kündigte die Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht an, nachdem Widerstandstruppen das Militär an verschiedenen Fronten unter Druck setzen. Männer im Alter von 18 bis 35 Jahren und Frauen im Alter von 18 bis 27 Jahren sollen zwei Jahre lang dienen, während bestimmte Fachleute bis zu 45 Jahre alt sein und bis zu drei Jahre dienen könnten. Im Ausnahmezustand könnte der Dienst auf bis zu fünf Jahre verlängert werden. In Deutschland berichteten unter anderem der Spiegel und die FAZ.

Die Entscheidung wird als Anzeichen für die wachsende Verzweiflung der Militärführung interpretiert, die auf einen starken Rückgang der Rekrutierung seit dem Putsch im Februar 2021 reagiert. Beobachter befürchten, dass die massenhafte Rekrutierung zu verstärktem Widerstand führen könnte, während Rebellen im Norden des Landes große Fortschritte machen und das Regime weiterhin brutal gegen Zivilisten vorgeht. In einem Beitrag gibt der Spiegel einen Einblick in die Situation von drei Betroffenen.

Im März wurden Regeln implementiert, die auch ehemalige Soldat:innen, welche in den letzten fünf Jahren aus den Streitkräften ausgeschieden sind, verpflichten, für fünf Jahre wieder in die Armee einzutreten, wenn sie dazu aufgefordert werden. Diese Frist könnte auch vom Oberbefehlshaber verlängert werden.

In diesem Kontext kommt es auch zu verstärkten Flüchtlingsströmen über die Grenze nach Thailand. Die Menschen suchen dort in grenznahmen Gemeinden Schutz. Ungefähr 14 Millionen junge Menschen könnten zum Militärdienst verpflichtet werden. Die Zahl der Visaanträge in Thailand ist stark gestiegen. Premierminister Srettha Thavisin betonte, dass die Einwanderer keine Arbeitsplätze wegnehmen würden und dass Thailand weiterhin Arbeitskräfte aus Nachbarländern benötige, sofern sie ordnungsgemäß vorgehen. Gleichzeitig kündigt die Regierung ein verstärktes Vorgehen gegen illegal Einreisende an.

 

Die Junta hat im Rahmen einer neuen Massenamnestie die Freilassung von rund 9600 Gefangenen angekündigt, darunter 114 Ausländer, um die »freundlichen Beziehungen zu anderen Ländern« zu stärken. Anlässlich des Unabhängigkeitstags gibt es traditionell Freilassungen. Erneut befinden sich wenige politische Gefangene unter den Befreiten, die meisten von ihnen standen ohnehin kurz vor Ende ihrer Strafe.

Die jährliche Parade am Armed Forces Day fand in der Hauptstadt Naypyidaw mit deutlich reduziertem Personal und Material statt. Dies wird als Zeichen der Schwäche des Militärs gelesen. Nur 7.750 Soldaten nahmen an der diesjährigen Parade teil. Auch die Konvois schwer bewaffneter Fahrzeuge und Panzer waren deutlich kleiner, während die Flugschau auf zwei Jets beschränkt wurde.

Der politische Gefangene Ko San Lin San starb am 30. Dezember im Pathein-Gefängnis in der Region Ayeyarwady. Seine Familie sagt, er sei zu Tode gefoltert worden. Die Gefängnisbehörden gaben an, der er sei an Hydrozephalus gestorben. Ko San Lin San, 29, wurde während der Vernehmung so schwer geschlagen, dass zwei Holzstöcke brachen, sagte ein Verwandter. Die Familie durfte eine Beerdigung abhalten, durfte aber keine Fotos von seinem Körper machen.

Die Border Guard Force (BGF) scheint sich von der myanmarischen Armee zu trennen. Die BGF-Truppen hatten sich von Frontpositionen zurückgezogen und versammelten sich um die Hauptquartiere der Gruppe in Shwe Kokko. Die Gruppe entstand als Abspaltungsfaktion der Karen National Union (KNU) und unterstand seit 2010 direkt dem Militär. Seit dem Putsch von 2021 hat die BGF der Armee Unterstützung gegen eine wiedererstarkte KNU geleistet. In nachfolgenden Medieninterviews haben BGF-Anführer erklärt, sie wollten im Konflikt neutral bleiben und nur eine "Friedenssicherungsrolle" spielen. Die BGF scheint ihr Geschäft mit Casino-Enklaven weiter zu führen, frei von Druck seitens der Junta und Bedrohungen durch Widerstandsgruppen. Es scheint Bestrebungen zu geben die Gruppe in Karen National Army umzubenennen.

 

Das National Unity Government (NUG) und drei verbündete revolutionäre Organisationen, die Chin National Front, die Karenni National Progressive Party und die Karen National Union, haben zum Jahrestag des Putsches eine gemeinsame Positionserklärung veröffentlicht, in der ihre gemeinsamen Ziele skizziert werden. Sie wollen die Militärdiktatur abschaffen, sicherstellen, dass alle Streitkräfte unter dem Befehl einer gewählten zivilen Regierung operieren, und alle Versuche vereiteln, die Bestimmungen der vom Militär entworfenen Verfassung von 2008 wiedereinzusetzen. Die Zivilgesellschaft begleitete den Jahrestag mit einem silent strike.

Im Februar wurden Passagiere an einem Flughafen in Rakhine verhaftet. Myanmar National Airlines  bestätigte, dass die Flüge wie gewohnt liefen und einige der als "verdächtig" eingestuften jungen Leute überprüft und in ihre Wohnorte in Yangon zurückgebracht wurden. Es wird berichtet, dass seit dem 24. Februar Menschen zwischen 18 und 35 Jahren daran gehindert werden, per Flugzeug von Yangon nach Rakhine State zu reisen.

 

Sechs Brigadegeneräle wurden zum Tode verurteilt oder erhielten lebenslange Haftstrafen, nachdem sie sich Anfang Januar den Widerstandskräften im Nord-Shan-Staat ergeben hatten. Die Generäle waren für die Verhandlungen über die Kapitulation des Regionalen Operationskommandos in Laukkai verantwortlich. The Diplomat fasst den Prozess und Reaktionen des Militärs zusammen.

Auch die Tagesschau berichtete über die Eroberung von Laukkai und charakterisierte sie als einen schweren Schlag für die Militärjunta. Die Stadt ist ein Zentrum des Handels mit China und bekannt für seine hohe Kriminalitätsrate, einschließlich Internetkriminalität, Glücksspiel und Menschenhandel. Die Stadt fiel nach monatelanger Belagerung an die Three Brotherhood Alliance und wird als bedeutendste militärische Niederlage der Junta seit dem Putsch im Februar 2021 bewertet.

Die Dreierallianz aus Arakan Army (AA), Myanmar National Democratic Alliance Army (MNDAA) und Ta'ang National Liberation Army (TNLA) setzen die Junta auch an anderen Fronten unter Druck. Die AA greift die Hauptmarinebasis im Süden des Bundesstaates Rakhine an. Die Region bleibt insgesamt umkämpft, aber die Angriffe auf die Danyawaddy Naval Base in Kyaukphyu stechen heraus. Nicht nur ist die Marinebasis für die Junta wichtig, sie liegt auch in einer chinesischen Sonderwirtschaftszone.

Während in Kunming Waffenstillstandsverhandlungen unter chinesischer Führung abgehalten werden, sind diese räumlich stark begrenzt und Analysten bewerten die Chancen auf einen bleibenden Frieden insgesamt recht niedrig.

 

Außenpolitik

Indien riegelt die Grenze zwischen Manipur und Myanmar zunehmend ab. Sie führen die nationale Sicherheit und die Erhaltung der demografischen Struktur an, um die visafreie Bewegungspolitik mit Myanmar auszusetzen. Derzeit dürfen Menschen innerhalb einer 16 km breiten Zone auf beiden Seiten der Grenze visafrei reisen. Der Innenminister kündigte an einen Grenzzaun bauen zu wollen.

Viele Nichtregierungsorganisationen, internationale Nichtregierungsorganisationen und verschiedene Agenturen der Vereinten Nationen haben ihr Personal aus dem Bezirk Maungdaw im Bundesstaat Rakhine evakuiert. Die Organisationen, die abgezogen sind, umfassen das Hohe Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, den Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen, das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen, das United Nations Department for Safety and Security, das Welternährungsprogramm und andere. Damit sind nur Médecins Sans Frontières, das Internationale Komitee des Roten Kreuz und das Myanmar Rote Kreuz aktiv in der Region.

Der Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten des thailändischen Parlaments hat einen Vier-Punkte-Aktionsplan zu Myanmar vorgeschlagen. Der Plan sieht vor, dass die Regierung ein spezielles Gremium einrichtet, das aus Sicherheits- und Außenpolitiker:innen besteht, um die Situation zu überwachen und eine umfassende Reaktion auszuarbeiten. Zweitens sollte ein Notfallplan entwickelt werden, um auf eine mögliche Eskalation der Kämpfe zu reagieren. Drittens sollte die Regierung die Verteilung humanitärer Hilfe ausweiten, um alle vom Konflikt betroffenen Menschen zu erreichen, und ASEAN sollte einbezogen werden, um umfassende Unterstützung zu gewährleisten. Schließlich sollte das Land sich für den Frieden in Myanmar einsetzen, indem es die Myanmar Troika Plus etabliert, eine Gruppe bestehend aus Thailand, dem ASEAN-Vorsitzenden, China und Indien, um für nachhaltigen Frieden in Myanmar einzutreten. Die thailändische Regierung hat auch Treffen mit der NUG angesetzt.

Die Junta hat das Arbeitsministerium angewiesen, die Auslandsvermittlung durch Arbeitsagenturen ab dem 13. Februar auszusetzen. Dies scheint eine Reaktion auf die Einführung der Wehrpflicht zu sein.

Der belarussische Botschafter in Myanmar führte Gespräche mit drei Junta-Ministern in Naypyidaw. Sie sprachen über den Ausbau der belarussischen Agrarexporte nach Myanmar und den Transfer von Technologie aus Belarus. Belarus ist seit dem Putsch 2021 ein wichtiger Waffenlieferant für Myanmar. Belarus und Myanmar haben eine gemeinsame Militärtechnische Kommission gegründet, die sich jährlich trifft, um den Waffenhandel, Technologietransfers und militärische Ausbildung zu diskutieren.

Kämpfe im westlichen Rakhine haben immer stärker direkte Auswirkungen in Bangladesch. Durch fehlerhaften Mörserbeschuss und Feuer über die Grenze kam es zu einigen Toten und einer Reihe von Verletzten.

 

Rohingya

Der Spiegel gibt mit einer Fotoreihe Einblick in das Leben in den Camps. Dabei begleiten sie die Fotos mit Zitaten von Campbewohner:innen.

Ein Feuer in Cox’s Bazar hat Tausende Rohingya obdachlos gemacht. Etwa 7.000 Menschen wurden von dem Feuer betroffen, das rund 800 Hütten und 120 weitere Einrichtungen beschädigte, darunter Moscheen, Bildungs- und Gesundheitszentren. Es wurden keine Verletzten oder Toten gemeldet.

In den letzten Jahren ist die Kriminalitätsrate in den Lagern stark angestiegen, unter anderem durch sexuellen Missbrauch, Entführung, Erpressung und Mord. Auch Polizeibeamten des Bangladesh Armed Police Battalion wird Gewalt gegen Rohingya vorgeworfen. Eine 22-jährige Frau berichtet von einem Vergewaltigungsversuch durch einen Polizeibeamten. Es bleibt aufgrund bürokratischer Hürden und der Angst vor Vergeltung schwer gegen die Polizisten vorzugehen. Obwohl theoretisch rechtliche Unterstützung durch verschiedene Organisationen verfügbar ist, argumentieren Flüchtlinge, dass in der Praxis Anzeigen selten zu bedeutenden Maßnahmen führen.

Die Junta zwangsrekrutiert Rohingya aus Dörfern und Lagern für Binnenvertriebene. Es wird befürchtet, dass sie als menschliche Schutzschilde eingesetzt werden. Die Militärregierung übt Druck auf Gemeindeführer und Verwalter in Dörfern und Lagern in drei Bezirken aus, um Listen von Männern zwischen 18 und 35 Jahren zu erstellen. Das Militär erkennt Rohingya nicht als Bürger Myanmars an, aber verspricht den Rekruten eine monatliche Gehaltszahlung sowie Lebensmittel und Identitätskarten. Aktivist:innen berichten von mindestens 400 zwangsrekrutierten Männern, die sich nun im Militärtraining befinden, und es wird angenommen, dass weitere folgen werden. Dabei greift das Militär auch auf Häftlinge zurück.

Die Leichen von drei Rohingya-Flüchtlingen wurden vor der Provinz Aceh in Indonesien gefunden, bevor die Behörden die Suche nach Überlebenden von einem gekenterten Boot beendeten. Das hölzerne Boot mit geschätzt 151 Personen an Bord kenterte etwa 19 km vor der Westküste von Aceh. 75 Menschen - 44 Männer, 22 Frauen und neun Kinder, konnten gerettet werden.

 

Wirtschaft

Die Junta hat erneut die Exportregeln geändert, um mehr US-Dollar einzunehmen. Geschäftsleute warnen, dass diese fehlgeleiteten Maßnahmen die wirtschaftliche Krise des Landes nur vertiefen werden. Die Zentralbank hat die Regeln für Devisenerlöse von Exporteuren erneut geändert, wodurch der Betrag, den sie an autorisierte Devisenhändler verkaufen müssen, erhöht wurde. Exporteure von Lebensmitteln und Öl mussten ab Dezember nur noch 35 Prozent ihrer US-Dollar-Einnahmen zu einem von der Zentralbank festgelegten Wechselkurs verkaufen. Nun müssen Devisen wieder vollständig an die Zentralbank verkauft werden. Diese Änderungen, zusammen mit anderen restriktiven Maßnahmen, haben die wirtschaftliche Situation des Landes verschärft.

Justice for Myanmar gibt an, dass die indische Luftwaffe und staatliche Unternehmen ihre Unterstützung der Junta fortsetzten, indem sie militärische Ausrüstung, Infrastruktur und Training bereitstellen. Indien ist nach Russland und China der drittgrößte Lieferant von Waffen und Ausrüstung an Myanmar. Eine Analyse indischer Handelsdaten, Unternehmensmitteilungen, parlamentarischer Berichte und anderer öffentlich zugänglicher Informationen beleuchtet die Geschäftsbeziehungen der myanmarischen Armee mit Indien und offenbart die bedeutende Rolle staatlicher Unternehmen und der indischen Luftwaffe.

In einer weiteren Untersuchung beleuchten sie Australische Bergbauunternehmen. Diese haben sich, entgegen ihrer eigenen Angaben, nicht vollständig aus dem Bergbausektor Myanmars zurückgezogen

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