Widerstand und Repression
Es wurde für die Junta zunehmend schwieriger die Kontrolle über weite Teile des Landes zu halten. Oppositionsgruppen griffen die Junta an strategisch wichtigen Punkten an, wobei ihre Schläge besser und präziser geplant waren. So zerstörten am Abend des 6. Juni Einheiten der Karen National Liberation Army und der People‘s Defense Forces (PDF) die über den Sittang Fluss führende Bonthataw Brücke. Dadurch wurde eine der Hauptverbindungen zwischen Yangon und Naypyidaw zerstört. Angriffe auf wichtige Brücken führen dazu, dass vor allem abgelegene Militärstützpunkte nicht mehr versorgt werden können und damit schwerer zu halten sind.
Auch die Lage für politische Gefangene wurde immer dramatischer. Die Assistance Association for Political Prisoners berichtete, dass es zu willkürlichen Exekutionen von Gefangenen kommt. So seien zwei Gefangene aus dem Daik-U Gefängnis am 27. Juni getötet worden. Ihre Familien wurden erst eine Woche nach dem Vorfall über ihren Tod informiert. Insgesamt ist eine Gruppe von 37 Gefangenen aus dem Gefängnis verschwunden. Sieben von ihnen wurden bisher getötet. Auch andere Gefängnisse melden verdächtige Todesfälle. Am 2. Juli starb im Myingyan Gefängnis Sein Win nach einem Verhör. Laut Mitgefangenen wies er Prellungen am ganzen Körper auf. Zudem ist das Schicksal von 13 Gefangenen ungeklärt, die aus dem Gefängnis gebracht wurden.
500 Zivilist:innen sind im Bawlakhe Township im Kayah Staat gefangen, nachdem die Junta am 27.Juni den Ort besetzt hatte. Laut der Karenni Human Rights Group ist die Kommunikation abgeschnitten und die Bewohner:innen dürfen den Ort nicht verlassen. Die meisten von ihnen haben Schutz in einem Kloster gefunden. Kämpfe können jederzeit ausbrechen und die Bewohner sind in großer Gefahr. Die Stadt Ywar Thit ist strategisch wichtig da die Junta über sie militärische Güter an Außenposten an der thailändischen Grenze liefert.
Myanmar Now zeigte, dass die Junta auf ausländische Journalist:innen zurückgreift um das Narrativ zu kontrollieren. Im Juli erlaubten die Generäle dem scheidenden thailändischen Außenminister Don Pramudwinai Aung San Suu Kyi zu treffen. Als erstes berichtete die wenig bekannte, in Japan ansässige PanOrient News über das Ereignis. Laut Berichten des Portals habe Aung San Suu Kyi in dem Treffen gesagt, dass sie die PDF und die NUG weder anerkennt noch unterstützt. Khaldon Azhari, der den Artikel geschrieben hat, scheint von der Junta beauftragt, ihre Sicht auf die Lage darzustellen. Er traf sich auch mit dem Außenminister des Militärs Than Swe für einen Gedankenaustausch. In einem Interview mit dem Junta-Sprachrohr Global New Light of Myanmar behauptete Azhari, dass alle Berichte in internationalen Medien Fake News seien, die Attacken der Junta auch in einem Studio produziert sein könnten und die Rohingya „illegale Einwanderer aus Bangladesch“ seien.
The Independent berichtete über die Entlassung von Aung San Suu Kyi in den Hausarrest. Dies erfolgte als Teil einer Begnadigung von Gefangenen im Zuge einer Einweihung einer neuen Buddha Statue. Die NUG nennt die Verbesserung ihrer Umstände erfreulich, es ändere jedoch nichts an ihrem Status als politische Gefangene. Mizzima geht genauer auf die Hintergründe der Entlassung in den Hausarrest ein. Demnach hatte die Junta die Bevölkerung bei ihrem Putsch falsch eingeschätzt. Die Öffnung Myanmars habe der Bevölkerung einen besseren Lebensweg aufgezeigt und habe sie auch politisch weitergebildet. Daher sei die Junta jetzt mit massiven militärischen Rückschlägen konfrontiert und es entwickelten sich revolutionäre Kräfte, die die Herrschaft des Militärs nicht länger akzeptieren wollten. Mit dem Hausarrest versucht die Junta lokalen Widerstand und westliche Beschwerden zu beruhigen.
Die Junta verlängerte den seit Februar 2021 geltenden Ausnahmezustand um weitere 6 Monate. Auch die Wahlen sind damit hinfällig. Nay Phone Latt, ein Sprecher der NUG, sagte, die Entscheidung sei erwartbar, da es der Junta einfach nicht gelungen sei die demokratischen Kräfte auszuschalten. Sie hätten keine ausreichende Kontrolle um landesweite Wahlen durchzuführen. Es gab keine Ankündigung, wann die Wahlen stattfinden sollten. Kritiker:innen bemängelten, dass von der Junta durchgeführte Wahlen weder frei noch fair wären, weil jedes unabhängige Medium unterdrückt und Oppositionsparteien aufgelöst wurden.
Außenpolitik
Frontier Myanmar ging auf das ASEAN Außenminister Treffen in Indonesien am 11. Juli ein. Die ASEAN Staaten sind in der Frage gespalten wie mit der Junta in Myanmar umgegangen werden sollte. Laut einem südostasiatischen Diplomaten wurden in den Tagen vor dem Treffen zusätzliche Bemühungen unternommen um die Staatengruppe auf einem gemeinsamen Standpunkt zu vereinen. So hatte im Juni Thailand den myanmarischen Außenminister zu informellen Unterredungen empfangen. Außerdem sind die Möglichkeiten der ASEAN durch das Prinzip der Nichteinmischung begrenzt.
Die ASEAN Parliamentarians for Human Rights verurteilten das Treffen Thailands mit Vertretern der Junta und nannten es einen Betrug am myanmarischen Volk. Es sei auch ein Affront gegen die Einigkeit der ASEAN. Charles Santiago sagte, dass Thailand das Treffen trotz der Ablehnung Indonesiens, Malaysias und Singapurs durchgeführt hat, zeige Thailands Missachtung gegenüber der ASEAN und den Menschenrechten der Menschen Myanmars. Sie kritisieren, dass einige ASEAN Staaten trotz der Verbrechen der Junta, immer noch bereit seien mit ihr zu kooperieren.
In einem Interview mit The Irrawaddy kritisierte die Außenministerin der NUG Zin Mar Aung das Treffen des thailändischen Außenministers Don Pramudwinai mit Aung San Suu Kyi. Laut der Außenministerin stand das Treffen im Widerspruch mit der Entscheidung der ASEAN Staaten nicht mit Myanmar zusammenzuarbeiten, so lange die Junta nicht den Fünf-Punkte Konsens umsetzt. Nur der ASEAN-Vorsitzende und die Sondergesandten für Myanmar hätten ein Mandat Suu Kyi zu treffen. Zudem gab es bereits zuvor Versuche von Offiziellen Chinas, der ASEAN und der UN ein Treffen mit ihr zu arrangieren, die aber von der Junta abgeblockt wurden. Zudem kritisierte die Außenministerin, dass Thailand nur mit der Junta zusammenarbeitet, die Stimmen anderer gesellschaftlicher Gruppen aus Myanmar aber ignoriert. Auch die Inhalte des Treffens müssten kritisch gesehen werden, weil Suu Kyi selbst zu dem Treffen keine Stellung nehmen kann.
Am 20. Juli verhängte die EU eine 7. Runde von restriktiven Maßnahmen gegen sechs weitere Personen und eine Entität. Darunter sind drei Minister, zwei Mitglieder des State Administration Council, ein General sowie No. 2 Mining Enterprise, ein stattliches Unternehmen, das Einnahmen für das Militär erwirtschaftet. Mit den Sanktionen werden die Vermögenswerte in der EU eingefroren, ein Einreiseverbot in die EU verhängt und Personen und Entitäten aus der EU ist es untersagt Überweisungen an die sanktionierten Personen vorzunehmen.
Die South China Morning Post berichtete am 18.Juli, dass die malaysische Polizei das Verschwinden einer myanmarischen Demokratieaktivistin und ihrer Familie untersuchen wird. Menschenrechtsgruppen gehen davon aus, dass sie Opfer einer geplanten Entführung des myanmarischen Militärs geworden sind. Die Aktivistin Thuzar Maung und ihre Familie, die in Malaysia als von der UNHCR anerkannte Flüchtlinge leben, wurden am 4. Juli am helllichten Tag aus einer Gated Community entführt. Maung, eine offene Unterstützerin der myanmarischen Demokratiebewegung, floh 2015 nach Malaysia um der zunehmenden Gewalt gegen Muslime zu entkommen. Human Rights Watch fordert die malaysische Regierung dringend auf die Familie zu finden und ihre Sicherheit zu gewährleisten.
Rohingya
Am 17. Juli hielt das UN Hochkommissariat für Flüchtlinge und das myanmarische Ministerium für Immigration und Bevölkerung ein Treffen in Naypyidaw ab. Dabei wurde die Möglichkeit eines neuen Memorandum of Understanding für die Rückkehr von Rogingya Flüchtlingen in den Rakhine Staat und eine Visaverlängerung für Ausländer und UNHCR Personal besprochen. Myanmar sollte weitere Anstrengungen zur Heimkehr von vertriebenen Rohingyas unternehmen. Myanmar und Bangladesch haben zwar Programme zur Repatriierung aufgelegt, aber so lange Myanmar nicht grundlegende Schritte unternimmt, wie eine Reform des Staatsbürgerschaftsgesetztes, können diese Programme Unsicherheiten nicht lösen.
In einem Bericht vom 13. Juli kritisierte Human Rights Watch, dass Rohingya Flüchtlinge in Camps in Bangladesch zunehmend Opfer von Gewalt werden. Die Regierung von Bangladesch unternehme nicht genug um sie zu schützen. Zwischen Januar und April 2023 zählte Human Rights Watch 26 Fälle von Gewalt, darunter Mord, Entführung, Folter, Vergewaltigung und erzwungene Ehen. Im Jahr 2022 wurden 40 Rohingyas in den Camps getötet, während bereits in der ersten Hälfte von 2023 48 starben. Unter den Getöteten sind besonders viele Gemeindeführer und ihre Familien. Für sie steht kein Strafjustizsystem offen, an das sie sich wenden könnten. So kam es auch nur in drei der 26 Fälle zu Festnahmen. Die Regierung von Bangladesch sieht in der Heimkehr von Rohingyas nach Myanmar den einzigen Weg um ihre prekäre Situation zu lösen. Jedoch existiert derzeit keine sichere Möglichkeit für eine Rückkehr nach Myanmar. So sagt auch Human Rights Watch, dass die Regierung die Rohingyas besser schützen sollte indem sie ein zugängliches Rechtssystem für die Meldung von Verbrechen schafft und Anzeigen direkt verfolgt werden.
Wirtschaft
Die Deutsche Welle berichtete am 25. Juli, dass trotz der zahlreichen Sanktionen, die gegen Myanmar verhängt wurden, der Handel der EU mit Myanmar 2022 gegenüber 2021 um 80 Prozent gestiegen ist. Die Exporte der EU nach Myanmar sind 2022 von 300 Millionen auf 368 Millionen Euro gestiegen. IndustriALL Global Union, ein Schweizer Verband, kritisierte dies. Laut dem Verband bringt jede wirtschaftliche Aktivität von europäischen Firmen in Myanmar ausländisches Geld ins Land. Konsument:innen in der EU würden durch den Kauf von Produkten aus dem Land unvermeidlich die Junta unterstützen. Die Junta nutze diesen Handel auch zu Propagandazwecken um ihre Herrschaft zu legitimieren. Aber es gibt auch den Standpunkt, dass die EU eine Verantwortung gegenüber den Angestellten im Exportsektor hat, wozu besonders der Textilsektor zählt. In diesem Sektor sind besonders viele junge Frauen beschäftigt, von deren Einkommen besonders auf dem Land lebende Familien abhängig sind. Die meisten Beschäftigten in diesen Sektoren sind zudem unter der Schwelle ab der das Einkommen versteuert werden muss. Deshalb profitiert die Junta nicht immer direkt aus diesem Handel.