Repression und Widerstand
Im November veröffentlichte die International Federation of Journalists einen Bericht über den Stand der Pressefreiheit in Myanmar. Sie gehen auf die Änderungen im Strafrecht und die Unterdrückung der freien Meinungsäußerung ein. Am 28. November ruft auch Reporter ohne Grenzen zur Freilassung von zwei Journalisten auf, die sich seit dem 18. November in Gewahrsam befinden. Dabei hebt die Organisation besonders hervor, dass das Nachrichtenportal der beiden Journalisten bisher guten Kontakt zu Junta hatte. Nachdem diese bisher die Verlautbarungen der Militärs verbreitet hatten, wurden sie verhaftet, als sie eine kritische Frage zu den gescheiterten Verhandlungen zwischen der Tatmadaw und der Karen National Union stellten.
Am 2. November berichtete Myanmar Now über Bemühungen der NUG in Landesteilen unter ihrer Kontrolle wieder staatliche Strukturen aufzubauen. Da die Polizei der Junta nur in größeren Städten aktiv ist, soll mit diesen Bestrebungen ein Schritt zurück zur Rechtsstaatlichkeit geschehen. Bisher wurden nur in einzelnen townships (kleine administrative Bereiche, vergleichbar mit Kommunen) Gerichte eröffnet, aber die NUG hofft, dass dies der Beginn eines eigenständigen Rechtsystems ist.
The Irrawaddy ging am 7. November auf die sich verschlechternde Sicherheitslage ein. Sie beschreiben einen extremen Anstieg der Verbrechen in den Großstädten. Da die Sicherheitskräfte des Militärs hauptsächlich gegen den Widerstand vorgehen, erleben dir Bürger:innen einen Zusammenbruch der Rechtsstaatlichkeit. Sowohl Wohnungen wie auch Geschäfte sind zunehmend das Ziel von Räuberbanden, während die Strafverfolgung quasi zum Erliegen gekommen ist.
Anfang des Monats wurde in Thailand ein myanmarischer Geschäftsmann verhaftet. Tun Min Latt, der Geschäftsführer der Star Sapphire Group, hatte enge Geschäftsbeziehungen zur Junta und war unter anderem für den Verkauf israelischer Rüstungsimporte an das myanmarische Militär verantwortlich. Thailändische Behörden werfen ihm Drogenschmuggel und Geldwäsche vor. Im Rahmen der Verhaftung wurde Geld und Vermögen im Wert von ungefähr 50 Millionen US-Dollar sichergestellt.
In einem Meinungsbeitrag für Asia Times schrieb Anthony Davis am 4. November über eine Eskalation im Verhalten der NUG. Als Gründe für die erhöhte Dringlichkeit nennt er die Angst vor einer Legitimierung der Junta durch die geplanten Wahlen unter Militäraufsicht und eine mögliche abnehmende Unterstützung für den bewaffneten Widerstand, je länger der Konflikt dauert.
Am 6. November berichtete die Manila Times, dass mehr als 80 Rohingya festgenommen wurden. Sie versuchten mit einem Boot nach Malaysia überzusetzen. Dabei wurden sie allerdings von Menschenhändlern ausgesetzt. Nach unbestätigten Berichten hatte das myanmarische Militär kurz zuvor bereits 120 Rohingya beim Versuch das Land zu verlassen aufgegriffen.
Frontier Myanmar ging am 10. November auf die Unterschiede zu vorherigen Widerstandsbewegungen gegen das Militär ein. Da Aung San Suu Kyi ohne Kontakt zur Außenwelt im Gefängnis sitzt, ist die aktuelle Bewegung führerlos. Auch wenn die Abwesenheit einer klaren Identifikationsfigur die Bereitschaft der internationalen Gemeinschaft senkt, den Widerstand praktisch zu unterstützen, bringt sie auch Vorteile mit sich. Das Militär hat kein klares Ziel für eine Verhaftung und die Entscheidungsfindung kann offener und gleichberechtigter verlaufen. Gleichzeitig stellt die Auseinandersetzung mit einem technisch und logistisch überlegenen Gegner die dezentral organisierten Gruppen vor weitere Herausforderungen.
Die Junta kündigte am 16. November an, am folgenden Tag 5.774 Gefangene entlassen zu wollen. Dies sollte zur Feier des Nationaltags geschehen. Die Assistance Association for Political Prisoners (AAPP) versuchte diese Entlassungen zu erfassen. Bis zum 18. November konnten sie nur die Befreiung von 72 politischen Gefangenen bestätigen. Alle an diesem Tag Entlassenen stehen darüber hinaus unter der Auflage, zu einem späteren Zeitpunkt erneut für dieselben Vergehen verurteilt werden zu können. In einem Update am 21. November war die Zahl der freien politischen Gefangenen nur auf 402 angestiegen, von denen AAPP 161 unabhängig verifizieren konnte.
Am 28. November verkündete die Arakan Army (AA), dass am 24. November ein temporärer Waffenstillstand zwischen der AA und dem Militär in Kraft getreten war. Die Verhandlungen waren unter Vermittlung der Nippon Foundation geführt worden. Der Sprecher der AA gab an, sie wollten mit diesem Abkommen die Blockade des Militärs gegen die Bürger:innen des Rakhine State beenden, machte aber auch klar, dass dies nur eine vorübergehende Waffenruhe sei.
Außenpolitik
Justice for Myanmar veröffentlichte am 3. November Daten über die Versorgungslinien des Militärs. Sie identifizieren Asia Sun Group und Myanma Petrochemical Enterprise als die Zulieferer des Militärs für Flugzeugtreibstoff. Dabei beziehen sie sich auf den Amnesty International-Bericht Deadly Cargo, der die Informationen von Justice for Myanmar übersichtlich aufbereitet.
In einem Interview mit Reuters gab die indonesische Außenministerin Retno Masurdi am 3. November klar der Junta die Schuld an der aktuellen Situation in Myanmar. „Die Kritik sollte sich nicht an ASEAN richten. Sie sollte an die Junta adressiert sein. Wenn wir darüber reden, wer Schuld hat, wer versagt hat, dann sind das nicht wir, es ist nicht ASEAN. Wir haben unseren Teil erledigt.“
Am 8. November erging eine Entscheidung des Rats der EU, in der weitere Sanktionen gegen Individuen und das State Administrative Council als Ganzes verhängt wurden.
Am 11. November fand der 12. UN-ASEAN-Gipfel in Phnom Penh statt. Bereits im Vorlauf gab es Spekulationen, ob sich auf dem Gipfel die Myanmarpolitik des Staatenbundes ändern würde. Dabei gingen die Kommentator:innen davon aus, dass Myanmar die Agenda des Treffens dominieren würde, aber machten sich keine großen Hoffnungen auf eine grundsätzliche Veränderung.
Die Rede des UN-Generalsekretärs ging auf die Entwicklung in Myanmar ein. Er warnte vor dem Zusammenbruch der politischen, menschenrechtlichen, humanitären und Sicherheitssituation im Land. Er verurteilte die Gewalt und die Angriffe auf Zivilisten und forderte eine Entlassung der politischen Gefangenen. Gleichzeitig betonte er die Bedeutung des 5-Punkte-Konsens und forderte Myanmars Nachbarn auf, durch offene Grenzen den Flüchtlingen aus Myanmar zu helfen.
Die politischen Führer der ASEAN werteten in einem gemeinsamen Beschluss den aktuellen Fortschritt des 5-Punkte-Konsens aus. Sie forderten das Militär auf, an der Implementierung des Plans zu arbeiten. Dazu wurden die Außenminister:innen der ASEAN beauftragt einen konkreten Plan zur Umsetzung aufzustellen. Alle beteiligten Parteien sollen Teil dieses Prozesses sein. Während der Umsetzung wird Myanmar zunächst weiterhin eine unpolitische Repräsentation bei ASEAN-Treffen erlaubt, dieses Recht stehe aber auf dem Prüfstand. Sie riefen alle Parteien zum Ende der Kampfhandlungen auf und betonten, dass alle bewaffneten Gruppen für ihre Verbrechen untersucht werden müssen, sagten aber auch, dass das Militär die größte dieser Gruppen sei. Sie forderten die UN und andere externe Partner auf, den Prozess zu unterstützen.
All dies geschah allerdings unter dem Vorzeichen, dass einige Tage vor dem Gipfel Tun Aung, Kommandant der Luftwaffe Myanmars, zum Vorsitzenden der nächstjährigen ASEAN-Luftwaffenkonferenz berufen wurde. ASEAN zeigte erneut, dass die Ausgrenzung der Junta hauptsächlich politisch und symbolisch ist. In konkreten Kooperationen, gerade in Sicherheitsfragen, wird die Junta weiterhin einbezogen. Myanmar Now veröffentlichte daraufhin am 8. November eine Übersicht der fünf tödlichsten Luftschläge des Militärs und kritisierte die Berufung von Tun Aung.
Am 15. November ging Tanbirul Miraj Ripon in The Diplomat näher auf die gezielten Tötungen in Rohingya-Flüchtlingslagern in Bangladesch ein. Bereits in vorherigen Presseschauen wurden die Ermordungen von Mohibullah und 2 anderen Aktivisten angesprochen. Die bangladeschischen Behörden leiteten jetzt in Reaktion die Operation Root Out ein. 90 Rohingya sollen bereits verhaftet worden sein. Ihnen werden Verbindungen zur Arakan Rohingya Salvation Army (ARSA) vorgeworfen. Die Behörden charakterisieren die Tötungen als Teil eines Machtkampfes, in dem ARSA ihre Kontrolle über die Lager und den Drogenhandel ausweiten möchte.
Die Veröffentlichung eines neuen NGO-Gesetzes in Myanmar rief besorgte Reaktionen hervor. Auch die UN-Organe zeigte große Bedenken über die Einschränkungen, die damit zivilgesellschaftlichen Organisationen auferlegt werden. Die am 28. Oktober verkündete Gesetzgebung des State Administrative Council zwingt sowohl nationale wie auch internationale NGOs sich offiziell zu registrieren. Die unklaren Vorgaben und hohen Strafen von bis zu fünf Jahren Haft sorgen für eine empfindliche Verkleinerung der Räume für die Zivilgesellschaft.
Justice for Myanmar enthüllte am 24. November, dass ein Programm der Max-Planck-Stiftung für Internationalen Frieden und Rechtsstaatlichkeit die Junta Myanmars als Teilnehmer eingeladen hatte. Der Workshop fand vom 28. November bis zum 2. Dezember in Singapur statt und beschäftigte sich mit maritimer Sicherheit und dem Seerecht. Die Junta war eingeladen, drei Repräsentanten zur Teilnahme zu benennen. Diese Einladung wird nur brisanter, wenn man bedenkt, dass der Workshop mit Geldern des deutschen Außenministeriums gefördert wird, die somit Reise- und Unterbringungskosten von myanmarischen Offizieren übernahmen. Die Junta hatte auch bei vorherigen Veranstaltungen der Reihe teilgenommen. Weder das Außenministerium noch die Max-Planck-Stiftung antworteten auf die Anfragen von Justice for Myanmar.