Jüngste Daten des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) legen offen, dass jährlich über sechs Milliarden Tonnen Sand im Meer abgetragen werden. Diese Zahlen waren zuvor nicht bekannt und gehen aus der KI-basierten Datenplattform Marine Sand Watch hervor.
Neue KI-basierte Plattform macht Sandgeschäft sichtbarer
Marine Sand Watch wurde vom Analyse- und Informationszentrum GRID-Geneva, das zum UNEP gehört, entwickelt. Sie basiert auf einer künstlichen Intelligenz, die öffentliche Daten wie automatische Signale von Baggerschiffen sammelt. Die Plattform verfolgt so weltweit die Transportwege der Schiffe. Mit den Positionsdaten und der Geschwindigkeit der Schiffsbewegung können so maritime Abbaugebiete und Entladungen festgestellt und damit der Sandabbau überwacht werden. Mit der Identifizierung der Transportschlepper, der Handelshäfen und der beteiligten Unternehmen gibt es hinzu eine bessere und transparentere Datenlage zum Sandhandel. Die Plattform schafft weiterhin ein besseres Bild über die abgebauten Mengen und dadurch bedingte Küstenveränderungen. Auch Landgewinnungen durch Sand werden dargestellt. Die Plattform erfasst aber nicht alle Aktivitäten, z.B. den kleinen nicht-industriellen Abbau, d.h. vor allem händisch durch Menschen, an den Küsten.
Bei der Veröffentlichung von Marine Sand Watch im September 2023 wurde vor den Folgen des ungezügelten Sandabbaus im Meer gewarnt. „Das Ausmaß der Umweltauswirkungen des Flachwasserbergbaus und der Baggerarbeiten ist alarmierend. Das schließt Folgen für die Biodiversität, der Wassertrübung und der Lärmbelästigung von Meeressäugern mit ein", sagte Pascal Peduzzi, Direktor von GRID-Geneva beim UNEP. Die Plattform ist öffentlich zugänglich und umfasst Daten der letzten zehn Jahre. Der massive und nicht-nachhaltige Abbau von Sand, Kies und Sedimenten bedrohe die marine Artenvielfalt und Biodiversität. Das Fehlen von Sand in Küstengewässern hätte zudem drastische Auswirkungen auf die dort lebende Bevölkerung.
Südostasien ist nachweislich einer der weltweiten Hotspots des Sandabbaus. Aber auch in anderen Regionen wie z.B. der Nordsee und an der Ostküste der USA gibt es massive Aktivitäten.
Abbau in flachen Küstengewässern besonders alarmierend
An den Küsten sind die Folgen des Sandabbaus besonders verheerend. Die negativen Auswirkungen auf die Ökosysteme, z.B. Zerstörung von Nahrungsketten und Brutgebieten von Fischen, treffen auch die Küstenbevölkerung. Zum einen, da Fischer:innen die Lebensgrundlage entzogen wird. Zum anderen, da Sand ein wichtiger Schutzwall für die Küsten darstellt. Fehlt er, würde die Küstenbevölkerung mit zunehmenden Extremwetterereignissen und steigendem Meeresspiegel noch mehr von der Klimakrise getroffen werden.
Neue Zahlen über Abbaumengen im Meer
Jährlich werden laut Marine Sand Watch weltweit zwischen vier und acht Milliarden Tonnen Sediment aus dem Meer und an Küsten gebaggert. Der Mittelwert liege daher bei sechs Milliarden. Laut UNEP nähert sich die Menge der natürlichen Wiederauffüllungsrate (die natürliche Entstehung von neuen Sanden) an. Diese liege bei 10 bis 16 Milliarden Tonnen pro Jahr und ist für den Erhalt der Küsten- und Meeresökosysteme notwendig. Ein Überschreiten würde zu katastrophalen Folgen für die Ökosysteme führen, in einigen Regionen überschreite der Abbau bereits die Wiederauffüllungsrate. Global werden ca. 50 Milliarden Tonnen Sand jährlich abgebaut, der Großteil in Flüssen und an Land.
UNEP warnt seit Jahren vor unkontrolliertem Abbau
Das UNEP fordert erneut internationale Regeln für den maritimen Sandabbau. Regierungen und Industrie sollten Sand als strategisches Material behandeln. Das UN-Programm warnt seit Jahren vor einer Sandkrise und hatte 2019 einen wegweisenden Bericht zu Sand publiziert, der weltweit große Aufmerksamkeit erregte. Sand ist die nach Wasser meistgebrauchte Ressource der Welt, die stets knapper wird. Der Bericht zeigte auf, dass sich der Sandabbau innerhalb von 20 Jahren verdreifacht hatte. Schon vor vier Jahren hatte UNEP international verbindliche Regeln für den Abbau und ein Wandel im Bausektor gefordert.
2022 hatte UNEP in einem weiteren Bericht Empfehlungen zu einem nachhaltigen Sandabbau veröffentlicht. Darin wurde u.a. angeregt, den Sandabbau an Stränden und küstennahen Gewässern zu stoppen. Auch hier wurde aufgerufen, internationale Standards zu etablieren.
Die Stiftung Asienhaus hatte 2021 ein Projekt zu Sandabbau in Südostasien durchgeführt. Aktuelle Entwicklungen zu dem Thema, besonders in Indonesien und Kambodscha, fließen weiter in unsere Arbeit ein.