Sri Tunruang (AK Indonesia Aachen) und Ali Al-Nasani (Raoul Wallenberg Institut) informierten über die Bildungssituation in Kambodscha und Indonesien, Raphael Göpel (Stiftung Asienhaus) moderierte. Nach einer kurzen Begrüßung führte der Moderator in die Thematik ein und stellte die beiden Referent:innen vor.
Indonesien: Großer Inselstaat mit großen Herausforderungen
Sri Tunruang gab zunächst einen Überblick über Indonesien, einschließlich seiner Bevölkerung, Religionen und Geographie. Die Größe des Inselstaats und seine Heterogenität hätten großen Einfluss auf die jeweilige lokale Bildungssituation. So unterscheiden sich die tausenden Inseln massiv in Infrastruktur und wirtschaftlicher Entwicklung. Anschließend erläuterte die Referentin das Bildungssystem, das eine Schulpflicht von 9 Jahren vorsieht, und die Bildungspolitik. Weiter wurden die Möglichkeiten von informellen Lernen durch nichtstaatliche Anbieter wie Moscheen, Kirchen und private Trägern, aufgezeigt.
Der Zugang zur Bildung und insbesondere zur hochwertiger Bildung in Indonesien wäre maßgeblich von vier Faktoren beeinflusst: Die geographische Lage, die wirtschaftliche Lage, das Bewusstsein für die Bedeutung von Bildung und durch Ungleichheiten.
Ungleichheiten im Zugang zu Bildung
So sind Schulplätze begrenzt, was wiederum zu Korruption führe. Landesweit gäbe es deutliche Unterschiede in der Qualifikation der Lehr- und pädagogischen Kräfte, z.T. hätten diese keine richtige Ausbildung. Die Lehrpläne seien oft mangelhaft, ebenso wie die Infrastruktur und Lehrmittel in vielen Einrichtungen. Landesweit werden Prüfungen nicht einheitlich abgenommen, zudem gibt es noch große Lücken in der Digitalisierung,
Anhand von Fotos wurden die erheblichen Unterschiede im Zugang zu Schulen zwischen ländlichen und städtischen Gebieten Indonesiens verdeutlicht. Dabei spiele auch Armut eine große Rolle. Schulkinder müssen in manchen Regionen über Stunden zur Schule gehen, zum Teil müssen sie gefährliche Wege passieren.
Zuletzt zeigte Sri Tunruang noch Möglichkeiten auf, wie man sich selbst aus Deutschland engagieren kann und gab Beispiele von Schulpartnerschaften und anderen Unterstützungsmöglichkeiten. Sie forderte zudem mehr Engagement von der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.
Kambodscha: Roten Khmer brachten Lehrkräfte und Intellektuelle um
Ali Al-Nasani führte zu Kambodscha ein und thematisierte die Auswirkungen der Roten Khmer auf die kambodschanische Gesellschaft und den Bildungsbereich. Die Roten Khmer wollten einen reinen Agrarstaat aufbauen, sie zerstörten den Bildungssektor und brachten Lehrkräfte um. Dies wurde an Zahlen deutlich gemacht. Nach dem darauffolgenden Bürgerkrieg stand das Land vor zahlreichen Herausforderungen beim Wiederaufbau, auch für die Bildung.
Der Referent stellte das kambodschanische Bildungswesen vor und ging danach auf die Lehr- und Unterrichtsmethodik ein. Unterrichtet werde vor allem frontal und mit Auswendiglernen. Körperstrafen gäbe es heute noch. Auch durch Wirtschaftswachstum und internationale Zusammenarbeit sei das Nationale Bildungsbudget von 300 Mio. USD-Dollar (2013) auf 800 Mio. US-Dollar (2018) gestiegen, verglichen mit anderen etwa gleich großen Staaten sei dies aber noch zu wenig.
Große Folgen der Corona-Pandemie für Bildungssektor
Kambodscha ist vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen, vor allem mit Blick auf die Gesundheit der Bevölkerung. Das lag u.a. daran, dass der autoritäre Staat ausreichend Impfstoff besorgte und einen Impfzwang verordnete. Doch die Folgen der Pandemie auf den kambodschanischen Bildungssektor waren groß. In den Schulen wurde auf Online-Unterricht umgestellt. Dies führte zu Problemen: technische Schwierigkeiten begleiten den Unterricht, schlechter Internetempfang oder fehlenden Zugangsgeräte verhinderten die Unterrichtsteilnahme von Schulkindern auf dem Land, und Lehrkräfte waren nicht auf Online-Unterricht vorbereitet. Die durch COVID-19 ausgelöste ökonomische Krise führte zu höheren Abbruchraten an Schulen und Universitäten.
Schlechterer Zugang zu Bildung für Minderheiten
Der Bildungssektor Kambodschas stünde vor einigen Herausforderungen. Bestimmte Gruppen haben verringerten Zugang zu Bildung, wie Indigene, ethnische Vietnamesen, die muslimische Minderheit der Cham und Menschen mit Behinderung. Dazu wurden verschiedene Beispiele aufgeführt. Problematisch sei, dass z.B. Minderheiten in entlegenen Regionen einen weiten Schulweg haben.
Im ruralen Raum führen auch frühe Heiraten und die Präferenz der Landbevölkerung auf landschaftliche Arbeit zu Schulabbrüchen. Zudem brächen viele Jugendliche die Schule ab um zu Arbeiten und damit ihre Familie zu versorgen. Insbesondere Mädchen beenden die Schule, um im großen Textilsektor Lohnarbeit nachzugehen. Neuerdings gäbe es auch Abbrüche durch einen wachsenden Drogenkonsum - vor allem bei Jungen, da Kambodscha ein Drogentransitland ist. Zudem werden an den Schulen Jugendliche diskriminiert, die sich als LGBTQIA+ definieren. Der Unterricht in Pagoden findet ohne jegliche staatliche Kontrolle statt, hier seien die erste Missbrauchsfälle aufgefallen.
Zuletzt gab der Referent einen kleinen Ausblick. Es seien vor allem mehr Investitionen sind nötig: Mehr Schulen auf dem Land, Unterricht in Minderheitensprachen, modernere Ausstattung, verbesserte Aus- und Fortbildung von Lehrkräften. Wichtig sei dabei in längeren Zeiträumen zu denken und zu planen und nicht kurzfristig über nur wenige Jahre. Weiterhin brauche es mehr Stipendien, gerade für marginalisierte Gruppen, sowie gezielte Förderungen von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung, zudem bedürfe es an Berufsausbildungen.
Ähnliche Herausforderungen im Bildungswesen in Indonesien und Kambodscha
Nach den beiden Vorträgen wurde der Raum für Fragen und Kommentare aus dem Publikum geöffnet. Zwischen der Bildungssituation in Indonesien und Kambodscha zeigten sich auf der einen Seite Unterschiede, geprägt durch Vergangenheit, Größe, Lage und Zusammensetzung der Bevölkerung.
Doch viele positive Entwicklungen der letzten Jahre und bestehende Herausforderungen im Bildungsbereich sind ähnlich. Beide Länder haben nur noch eine geringe Analaphtenquote, mit der Ausnahme der von den Roten Khmer betroffenen Generation.
Die frühen Schulabbrüche nach der Grundschule führten aber zu sekundärer Analphabetismus, d.h. Kinder, die schreiben und lesen gelernt haben, vergessen oder verlernen es als Jugendliche oder Erwachsene wieder. Beide Referent:innen betonten zudem das Problem der in beiden Ländern weit verbreiteten Korruption anhand von Praxisbeispielen. Auch die Bedeutung von Bildung werde in beiden Ländern von Teilen der Bevölkerung noch nicht ausreichend wahrgenommen. Daneben seien besonders Armut und die persönliche Familiensituation große beeinflussende Faktoren für den Bildungsweg der Kinder.
Die Teilnehmenden hatten darüber hinaus allgemeine Fragen zu den Ländern selbst, die von den Referent:innen umfangreich beantwortet werden konnten. In der lebhaften Diskussion wurde deutlich das Bildung ein komplexes Thema ist und von vielen Faktoren beeinflusst wird. Diese müssen berücksichtigt und angegangen werden, daneben braucht der Zugang zu hochwertiger Bildung die gemeinsame Anstrengung vieler Akteure.
Die Veranstaltung "Gleiche Chancen für alle? Lernen in Kambodscha und Indonesien" fand am 16. Oktober in Kooperation mit der VHS Bonn statt.
Bericht: Raphael Göpel (Stiftung Asienhaus)