Die zweitägige Veranstaltung war gut besucht: Ungefähr 8.500 Teilnehmer:innen aus 93 Ländern hatten die Möglichkeit an einer Vielzahl von Workshops, Podiumsdiskussionen u.ä. teilzunehmen. Die Schlangen für die Registrierung der Teilnehmer:innen und den Einlass ins Parlamentsgebäude waren dementsprechend enorm. Da die Diskussionsrunde zu Myanmar im letzten Zeitfenster des ersten Tags lag, gab es vorher ausreichend Zeit mit Teilnehmer:innen und Sprecher:innen in Kontakt zu kommen.
Myanmar's forgotten Revolution
Titel und Panel erinnerten stark an unsere Myanmarveranstaltung am 11. Asientag. Die Diskussion zu Reporting on the Junta’s violent and illegitimate rule wurde von Jim Maher, dem Senior Policy Advisor für die Beziehungen des EU-Parlaments in ASEAN, moderiert. Cape Diamond, Emmy-nominierter Journalist und Nachrichtenproduzent, gab eine Zusammenfassung der Entwicklungen seit dem Putsch des Militärs. Das brutale Vorgehen des Militärs und die resultierende Radikalisierung des Widerstands haben das Land in einen Bürgerkrieg geführt. Keine der beiden Seiten kann flächendeckend die staatliche Autorität für sich beanspruchen und das Militär geht mit zunehmender Gewalt und Luftschlägen gegen den Widerstand vor.
Als Nächstes sprach Nyein Chan May, studentische Aktivistin und Mitgründerin der German Solidarity with Myanmar Democracy e.V., über die Situation junger Menschen und die Rolle der Jugend im Widerstand. Studentengewerkschaften haben in der Demokratiebewegung Myanmars schon lange eine tragende Rolle gespielt und die Jugend, deren Zukunft und Lebensplanung durch den Putsch zerstört wurde, ist eine wichtige Säule der freiheitlichen Kräfte. Katie Arnold, Produzentin und Regisseurin von Myanmar's Forgotten Revolution sowie investigative Journalistin, führte in die aktuelle Lage des Widerstands und seiner Fraktionen ein. Während das National Unity Government als zentraler Knotenpunkt auftritt, sind die Minderheiten und die bewaffneten ethnischen Gruppen ein überaus wichtiger Faktor. Viele Teile des Landes werden durch sie gehalten und sie üben dort faktisch staatliche Funktionen aus.
Enttäuschte Hoffnungen und offene Fragen
Nachdem Jim Maher die bisherigen Bemühungen von Seiten der EU zusammengefasst hatte, berichtete Majid Lenz, Länderreferent Myanmar bei der Stiftung Asienhaus, zu den internationalen Reaktionen und möglichen nächsten Schritten seitens der EU. Während die Sanktionen, die Einstellung der Zusammenarbeit mit der Militärregierung sowie die Verurteilung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit gute und wichtige Schritte sind, waren aus seiner Sicht die internationalen Reaktionen insgesamt zu zögerlich und nicht ausreichend. Die anfängliche Hoffnung der Demonstrierenden in Myanmar waren harsch enttäuscht worden. Den Verurteilungen durch UN und EU folgte wenig direktes Handeln, eine Resolution des UN-Sicherheitsrats ließ lange auf sich warten. Viel Verantwortung wird bei der ASEAN und dem wenig aussichtsreichen Fünf-Punkte-Konsens abgeladen. Ein inklusiver Dialog mit demokratischen Kräften über die NUG hinaus ist nötig. Die durch das Militär geplanten Wahlen müssen klar als illegitim benannt werden. Eine Bereitstellung humanitärer Hilfe über alternative Wege ist unabdingbar. Ein globales Embargo gegen die Lieferungen von Flugzeugtreibstoff ist notwendig. Es muss größere Kooperation in der Bereitstellung von Bildung für Geflüchtete und der Vergabe von Visa geben.
Anschließend fragte der Moderator nach den 2022 durchgeführten Hinrichtungen. Nyein Chan May berichtete in einem emotionalen Beitrag über den getöteten Ko Jimmy, der ein Mentor und eine Art Patenonkel für sie war. Als nächstes berichtete Katie Arnold über ihre Arbeit an der Dokumentation, während Cape Diamond die Lage von Journalist:innen im Land und Unterstützungsmöglichkeiten der internationalen Gemeinschaft einordnete.
Da dies die letzte Veranstaltung des Tages war, gab es genügend Platz für Fragen aus dem Publikum. Diese fokussierten sich auf die Rolle der Minderheiten, Möglichkeiten von normalen Bürger:innen die demokratischen Kräfte zu unterstützen und die Rolle der Nachbarländer Myanmars. Nachdem die Veranstaltung um 40 Minuten überzogen wurde, konnten die Teilnehmer:innen noch den persönlichen, informellen Austausch mit den anwesenden Sprecher:innen suchen.
Bericht: Majid Lenz