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Veranstaltungsbericht - Liya Yu über anti-asiatischen Rassismus

Die chinesisch-deutsche Politikwissenschaftlerin Liya Yu war am 27. Januar in der Stiftung Asienhaus zu Besuch, um über anti-asiatischen Rassismus zu sprechen und ihr neues Buch "Vulnurable Minds" vorzustellen.

Die chinesisch-deutsche Philosophin und Politikwissenschaftlerin Dr. Liya Yu war Gast der Anti-Rassismus AG und des China Salons des Asienhauses in Köln. Wie bereits am 8. Asientag beeindruckte sie die Anwesenden mit ihren Einblicken in die inneren Vorgänge um Rassismus und Dehumanisierung wie auch politische Auswirkungen und Instrumente ihnen zu begegnen. Sie sprach über ihr, im Juli 2022 in der Columbia University Press erschienenes Buch Vulnerable Minds und insbesondere über ihren Ansatz der Neuropolitik in Bezug auf anti-asiatischen Rassismus. Anschließend stand sie in einer Diskussionsrunde dem Publikum Rede und Antwort.

Die Anti-Rassismus AG und der China-Salon des Asienhauses begrüßten am 27.01.23 die chinesisch-deutsche Politikwissenschaftlerin Dr. Liya Yu in Köln sowie hybrid zu einer Diskussionsrunde. Liya Yu sprach über ihr, im Juli 2022 im Verlag der Columbia University Press erschienenes Buch Vulnerable Minds und insbesondere über ihren neuropolitischen Ansatz im Umgang mit anti-asiatischen Rassismus.

In Deutschland, wie auch in vielen anderen Ländern feuerte der Ausbruch der Corona-Pandemie anti-asiatischen Rassismus an. Seriöse deutschsprachige Medien verbreiteten stigmatisierende und rassistische Inhalte. Begriffe und Phrasen wie „Chinavirus“, "Grüße aus Wuhan“ und das, was die Autorin fast schon als Schadenfreude über hohe Infektionszahlen in China erlebte, trugen zu ihrer Verbreitung bei, so Yu. Trotz dem absehbaren Ende der Pandemie, bleibt das ursprüngliche Problem bestehen: Stereotype, sexualisierter Rassismus und eine allgemeine Dehumanisierung asiatisch gelesener Menschen gehören für die asiatische Diaspora noch immer zum Alltag. Hier setzt Liya Yu mit einer nachhaltigen Theorie zu anti-asiatischem Rassismus an und untersucht, ob der momentane liberale Diskurs überhaupt zu den Ausgrenzungserfahrungen asiatisch gelesener Menschen passt.

Weiße Männer wie Mill, Habermas und Rawls prägen heutzutage noch immer die Diskurse zu politischen Theorien, Inklusion und Gesellschaftsordnungen der Menschheit. Liya Yu stellte sich in ihrem Leben immer wieder die Frage, wie sie in den von ihnen definierten Räumen als asiatische Frau ihren Platz finden könne. Zusätzlich zu einem Gefühl körperlicher Entfremdung, erahnte sie schon früh, dass Sie im Menschheitsbegriff des Liberalismus nicht inkludiert war. Die Philosophin und Politologin wollte jedoch mitdefinieren, was es heißt Mensch zu sein. In ihrem Buch Vulnerable Minds beschäftigt sie sich unter anderem mit der Frage, wie wir in einer zunehmend gespaltenen Gesellschaft mit politischen Gegnern auf einen gemeinsamen Nenner kommen können. Ein Ansatz, der es Menschen und Gruppen, die sich von politischen Diskursen entfremdet fühlen, ermöglichen soll wieder in Austausch zu treten.

In der hyperdiversen und hypermobilen Welt in der wir heute leben, bedarf es laut Yu eines neuen Gesellschaftsvertrages um demokratische Strukturen zu erhalten und inklusiv zu gestalten. Die Neurowissenschaften könnten gemäß der Autorin ein Fundament zur Aushandlung eines solchen liefern. Die Vorbehalte ihrer Kolleg:innen, Opfer der Determinismusfalle zu werden nimmt Yu ernst. Sie warnt selbst eindringlich davor, Gehirnscans und die daraus entwickelten Daten unkritisch anzunehmen – diese zeigen uns zwar wie unsere Gehirne arbeiten, jedoch nicht wer wir als Menschen sind, so betont sie auch während dieser Veranstaltung. Die durch hochmoderne Technik erarbeiteten Daten dienen ausschließlich der Mechanismus-Erklärung, für Phänomene die allein mit Verhaltensbeobachtungen nicht erklärbar sind. Ein Beispiel, welches viele der Zuhörer und Zuhörerinnen besonders traf, waren wissenschaftlicher Untersuchungen aus den USA, in denen weiße Menschen im Gehirn Reaktionen zeigten die als Anstieg von Angst gedeutet werden, sobald eine Schwarze Person den Raum betrat, auch wenn sie sich selbst nie als rassistisch eingeordnet hätten. Neurologische Geschehnisse sind nur ein Teil des Menschen. Yus neuropolitischer Ansatz, bietet die Chance zur Verknüpfung von rationalen Erkenntnissen der Neurowissenschaft mit der Lehre der Politikwissenschaft, Psychologie und Soziologie, in welcher sich unsere individuelle Haltung spiegeln.

Unser Gehirn, so Yu, sei evolutionär darauf ausgerichtet Menschen in Kategorien einzuteilen. Diese Zugehörigkeit wird bestimmt durch zwei Gruppen: einer inneren und einer äußeren Gruppe. Wir selbst begegnen Angehörigen unserer inneren Gruppe mit mehr Empathie und Menschlichkeit, während wir gegenüber Menschen der äußeren Gruppen weniger hilfsbereit sind, ihnen weniger Empathie entgegenbringen und ihnen eher die Menschlichkeit absprechen. Dieses Konzept beschreibt die Dehumanisierung, und steht im Zentrum von Dr. Liya Yus Forschung. Dehumanisierung zieht eine Reihe schwerwiegender Konsequenzen für politisches und soziales Verhalten nach sich, darunter finden sich eine gesteigerte Aggression zwischen Konfliktgruppen, harscheren Urteilen im Justizwesen und einer Absprechung von Schmerz im medizinischen Bereich, um nur einige Beispiele zu benennen. Die Autorin berichtet eindrücklich, wie neben der erlebten Aggression, es vor allem auch die durch die Dehumanisierung ausgelöste Vernachlässigung ist, die zu Wut in den ausgegrenzten Gruppen führt. Entscheidungen, die sie beeinflussen werden getroffen ohne sie zu bedenken. Die Dehumanisierung von Asiat:innen inkludiert diverse Stereotypen, die Absprache von Emotionalität, Individualität und Kreativität finden häufig Erwähnung in der Literatur.

Als Gegenkonzept stellt Yu die Rehumanisierung vor, die dann möglich wird, wenn wir unsere Gehirne aktiv herausfordern und trainieren. Dafür bedarf es diverserer Darstellungen von Menschen in den Medien, der Auseinandersetzung mit individuellen Geschichten, das Hervorheben von Wärme und Menschlichkeit, sowie die kritische Hinterfragung von Stereotypen statt ihrer Reproduktion. Man muss zivilisatorischer und mechanistischer Dehumanisierung gezielt entgegenwirken, stellt Liya Yu fest. Die größte Herausforderung liegt für Asiat:innen oft darin sich selbst zu humanisieren, dem eigenen internalisierten Selbsthass und Stereotypen entgegenzuwirken und das eigene Denken aktiv zu hinterfragen.

Dr. Liya Yu’s Theorien sind komplex und wir konnten während der Veranstaltung nur einen ersten Schritt in die Auseinandersetzung mit ihnen gehen. Wir empfehlen daher ihr Buch selbst zu lesen, und hoffen auf eine weitere Möglichkeit zu Diskussionen mit ihr in Köln.

Kathrin Sommerfeld

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