Hinrichtungen
Das einschneidende Ereignis des Monats war die Hinrichtung von vier Menschen durch die Junta. Phyo Zeya Thaw, Kyaw Min Yu, Hla Myo Aung und Aung Thura Zaw wurden in Schauprozessen im Januar und April 2022 zum Tode verurteilt. An einem unbestimmten Zeitpunkt über das Wochenende 23.-24. Juli 2022 wurden die Hinrichtungen vollstreckt.
Über die Hinrichtungen wurde auch in Deutschland umfassend berichtet. Hier die Berichte der taz, FAZ, SZ, des Spiegels und der Tagesschau. Die Presseerklärung der Stiftung Asienhaus findet sich hier.
Verschiedene Widerstandsgruppen haben angekündigt in Reaktion auf die Hinrichtungen ihre Versuche die Junta zu stürzen zu intensivieren. The Irrawaddy hat ein Interview mit Phyo Zheya Thaws Mutter geführt. Sie berichtet, dass die Familien keine Vorwarnung erhalten haben und ihnen die Körper nicht ausgehändigt wurden. Sie erzählt auch von ihrem letzten Treffen mit ihrem Sohn.
In den folgenden Tagen kam es laut Medienberichten auch immer wieder zu Störungen und Angriffen gegen die Hinterbliebenen, sowohl durch Sicherheitskräfte, wie auch durch militärnahe Bürger.
Internationale Reaktionen
Die Hinrichtungen haben eine Welle internationaler Empörung hervorgerufen.
Das Auswärtige Amt verkündete, dass die Bundesregierung die Hinrichtungen auf das Schärfste verurteile. Dabei gingen sie besonders auf die Hinrichtungen der beiden bekannten Aktivisten ein. Das Militär wird aufgerufen, das Moratorium über die Todesstrafe wieder in Kraft zu setzen. Darüber hinaus unterstützt die deutsche Regierung die Vermittlungsversuche der UN und ASEAN.
Die EU veröffentlichte ebenfalls ein Statement, dass sowohl in seinen Forderungen, wie auch in der Bezugnahme auf UN und ASEAN ähnlich war. Über den European External Action Service wurde die Pressemitteilung der Außenminister:innen der G7 übermittelt. Auch diese ist inhaltlich sehr ähnlich, bekräftigt aber die Bedeutung der Kooperation zwischen den Sondergesandten der UN und ASEAN.
In einer gemeinsamen Erklärung hatten sich am 25. Juli schon die USA, das Vereinigte Königreich, Australien, Kanada, Neuseeland, Norwegen und Südkorea geäußert. Sie verurteilen die Hinrichtungen und fordern den umfassenden und unabhängigen Zugang zu Gefängnissen und die Einhaltung des ASEAN 5-Punkte-Konsens.
ASEAN veröffentlichte eine Erklärung des aktuellen Vorsitzenden, Kambodschas Premierminister Hun Sen. Sie verurteilt die Hinrichtungen und hebt besonders die Enttäuschung ASEANs, dass ihre Interventionen ignoriert und der Friedensprozess gestört wurde hervor. Dabei bedient sie allerdings weiterhin das Narrativ einer komplexen Situation in der „eine extrem kampflustige Stimmung in allen Ecken Myanmars gefühlt werden kann.“ Malaysias Außenminister verurteilte die Hinrichtungen ebenfalls. Dabei bezeichnet er die Hinrichtungen als Hohn im Angesicht des 5-Punkte-Konsens und geht auch auf den Zeitpunkt, nur eine Woche vor einem angesetzten ASEAN-Treffen, ein. In der Pressekonferenz weitete er auch seine Forderung aus, der Junta keine politischen Repräsentanten bei ministerialen Treffen der ASEAN zu erlauben. Auch die Regierung der Philippinen verurteilte die Hinrichtungen über die gemeinsame ASEAN-Erklärung hinaus.
Die ASEAN Parlamentarians for Human Rights verurteilten nicht nur die „barbarischen Hinrichtungen“, sondern zogen auch die Konsequenz, dass die Junta nicht an der Implementation des ASEAN-Plans interessiert zu sein scheint, sondern sich hauptsächlich Zeit kauft um weitere Menschenrechtsverletzungen zu begehen.
Der UN-Sicherheitsrat verurteilte die Hinrichtungen einstimmig. Dabei forderten sie eine stärkere Umsetzung des ASEAN 5-Punkte-Konsens und wiesen auch auf die Bedeutung der Bemühungen der UN hin. Die Nachrichtenagentur der UN ging in ihrer Berichterstattung genauer auf die Umstände der Hinrichtungen ein.
Al Jazeera ging in ihrer Reihe Inside Story mit einem 25-minütigen Video der Frage nach, wie viel Einfluss internationaler Druck auf die Entscheidungen der Junta in Bezug auf die Hinrichtungen hat. Die Position der Volksrepublik China ist weiterhin, dass sie sich nicht in die internen Angelegenheiten anderer Nationen einmischen. In einem Meinungsartikel in der South China Morning Post zeigt Maria Siow allerdings auf, dass die chinesische Regierung eine Reihe von Gründen hat über die Exekutionen verärgert zu sein.
Repression und Widerstand
Die Angriffe der Junta vertreiben weiterhin Tausende. Am 05. und 06. Juli berichtete Myanmar Now über neue Vorstöße des Militärs. Im Osten der Region Bago gingen die Generäle nach Erfolgen der Karen National Union (KNU) nun auch mit Luftschlägen und Artillerie gegen Ortschaften vor. Laut der KNU wurden annähernd 40.000 Menschen aus 29 Dörfern vertrieben und 4 Zivilist:innen getötet. Das Militär hat auch neue Truppen nach Sagaing verlegt. Nachdem der Nachschub eingetroffen war, flüchteten auch hier mehrere tausend Menschen aus ihren Ortschaften.
In den letzten Presseschauen wurde die zunehmend unsichere Situation in Rakhine angesprochen. Am 04. Juli hatte das Militär einen Luftangriff auf ein Lager der Arakan Army (AA) durchgeführt. Am 18. Juli griff AA daraufhin in zwei Gefechten Junta-Truppen an. Dabei kam es zu Toten unter den Militärs und 14 Soldaten wurden gefangengenommen. Das Transnational Institute geht am 22. Juli in einem Artikel länger auf die angespannte Lage in Rakhine ein. Auch in Yangon kam es weiter zu Gewalt. So wurden in den vier Tagen zwischen dem 14. und dem 18. Juli sechs mit der Junta assoziierte Personen umgebracht, unter ihnen ein Richter und ein Hauptmann der Armee. Auch Mitglieder und Sympathisanten der NLD kamen zu Tode.
Zwischen dem 13. und dem 18. Juli wurden mindestens 30 Lehrer:innen festgenommen. Ihnen werden Verbindungen zu einer Online-Schule vorgeworfen, die mit dem zunehmenden Misstrauen gegen das Junta-geleitete Schulsystem an Beliebtheit gewonnen hatte. Nachdem private Daten der Schüler:innen an die Öffentlichkeit gedrungen waren, wurde der Leiter der Schule verhaftet. Der Schule wird vorgeworfen das öffentliche Bildungssystem gestört zu haben und mit der NUG zu kooperieren.
Die Zunahme an Artikeln über eine mögliche Niederlage der Junta, die letzten Monat zu beobachten war, setzt sich diesen Monat mit Artikeln über die Waffenknappheit des Widerstands fort. Am 04. Juli schrieb Frontier Myanmar über die Ressourcenknappheit der Widerstandskämpfer:innen, die fehlende Unterstützung der internationalen Gemeinschaft und die Versuche der NUG die PDF zu unterstützen. Am 18. Juli erschien ein Artikel in der Defense Post, in dem, auf Basis eines Gesprächs mit einem Karenni Generation Z Army-Mitglied, auf die häufig improvisierten Waffen der Widerstandstruppen eingegangen wird. Da sie nicht in der Lage sind ihre Kämpfer mit konventionellen Waffen auszurüsten, greifen sie auf kommerzielle Drohnen und selbstgebaute Waffen zurück. Am 19. Juli veröffentlichte sowohl The Diplomat ein Interview mit Duwa Lashi La, dem amtierenden Präsidenten der NUG, wie auch The Irrawaddy einen Artikel über fehlende internationale Unterstützung und den Versuch der PDF durch Spenden der Öffentlichkeit selbstgebaute Waffen zu produzieren. Das Interview umfasst auch viele anderen Themen, aber betont auch die fehlende Unterstützung und die Ausrüstung des Widerstands. Auch Voice of America und die Washington Post griffen die Thematik auf.
Außenpolitik
Prak Sokhonn, Sondergesandter der ASEAN, präsentierte Anfang des Monats die Zusammenfassung seines zweiten Besuchs in Myanmar. Er hatte erneut nicht die Möglichkeit, sich mit Mitgliedern der NUG oder Aung San Suu Kyi zu treffen. Er erinnerte die Junta allerdings an den Aufruf der ASEAN die Todesurteile nicht zu vollstrecken und Aung San Suu Kyi wieder in den Hausarrest zu entlassen. Abgesehen von Repräsentanten der Junta, konnte er Mitglieder verschiedener Parteien treffen, die sich „über die schweren Auswirkungen der Gewalt auf Zivilist:innen, einschließlich des Verbrennens von Dörfern, ohne eine klar verantwortliche Organisation“ besorgt zeigten. In The Diplomat bespricht Sebastian Strangio am 07. Juli die Pressekonferenz des Sondergesandten. Auch wenn dieser noch leichten Optimismus über seinen Besuch zeigte, sieht Strangio schon Anzeichen für eine grundsätzlichere Unzufriedenheit mit dem Prozess. So wurde auch ASEANs Entscheidung, Gesandte der Junta von hochrangigen Treffen auszuladen, bestätigt.
Am 03. Juli fand ein offizielles Gespräch zwischen dem Außenminister der Volksrepublik China und dem Repräsentanten der Junta statt. Dies geschah am Rande der siebten Außenministerkonferenz zur Lancang-Mekong Kooperation, die in Myanmar stattfand. Dabei wurde hauptsächlich die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung und Kooperation angesprochen. Außerdem wurde der Prozess eines demokratischen Übergangs und die Implementierung des ASEAN 5-Punkte-Konsens betont.
Thitinan Pongsudhirak beschäftigte sich am 08. Juli in der Bangkok Post mit der Beziehung der Junta zu Thailand. Nachdem Flugzeuge der Junta am 30. Juni in thailändischen Luftraum eingedrungen waren, war Thailands Reaktion überraschend verhalten. Der Artikel führt dies auf die lange und intensive Beziehung der Militärs der beiden Länder zurück. Dabei hebt er die negativen Konsequenzen sowohl für die Menschen Myanmars und Thailands, wie auch für die Lage der Menschenrechte insgesamt hervor.
Die Junta hat im Rahmen des anhaltenden Streits um die Botschaft des Vereinigten Königreichs nun auch den die Botschaft führenden Gesandten ausgewiesen. Am 15. Juli veröffentlicht Frontier Myanmar ein Interview mit ihm. In Australien richtet die NUG ein Repräsentantenbüro ein, das, laut Berichten von ABC News in Anwesenheit mehrerer Mitarbeiter:innen des australischen Außenministeriums eingeweiht werden soll.
Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat im Verfahren über den Genozid an den Rohingya die erhobenen Einreden Myanmars abgelehnt. Damit hat der IGH entschieden, dass Gambia berechtigt ist, die Klage vorzubringen und der IGH berechtigt ist, die Klage zu hören. Somit kann das Verfahren über die inhaltlichen Fragen aufgenommen werden.