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südostasien (3/20):#SOAToo

Die kambodschanische, feministische Punksängerin Vartey Ganiva im Musikvideo ihres neuesten Songs ,Chob Cher‘ © Yab Moung Records

Die Ausgabe zum Thema sexualisierte Gewalt und feministische Gegenwehr in Südostasien wurde durch die #MeToo-Bewegung inspiriert – eine Bewegung, in der nicht Gewalt gegen Frauen, sondern der Widerstand dagegen in den Vordergrund rückt.

 

Editorial

Wir freuen uns daher besonders, dass die Ausgabe mit einer Reihe von Interviews mit Feminist*innen aus Südostasien startet, die sich in sehr unterschiedlicher Weise für die Aufarbeitung und für ein Ende von sexualisierter Gewalt einsetzen. In den nächsten drei Monaten werden diesen ersten Artikeln noch zahlreiche weitere folgen.

Schätzungsweise jede dritte Frau in Indonesien hat sexuelle Gewalt oder Belästigung erfahren, ähnliches gilt für andere Länder Südostasiens. Meist sind die Täter bekannt – es sind Ehemänner und Männer aus dem Freundeskreis und der Verwandtschaft. Oft fängt das Problem damit an, dass es keine gleichberechtigte und offene Kommunikation über Sexualität in der Partnerschaft gibt, wie Wiphaphan Wongsawang von thaiconsent in dieser Ausgabe erläutert. Diese Gewalt im Alltag ist eingebettet in patriarchale ökonomische und politische Strukturen – wie dem Militär – die dominante Männlichkeit strukturell fördern und Männern die Macht über andere geben. Sie wird flankiert von einer organisierten, sexuellen Ausbeutung von Frauen durch Menschenhandel und in der Prostitutionsindustrie.

Bis in die jüngste Gegenwart hinein waren Frauen in Südostasien immer wieder in großem Ausmaß kriegsbedingter sexualisierter Gewalt ausgesetzt. Eine feministische Frauenrechtsorganisation, die seit vielen Jahren zum Thema sexualisierte Gewalt in Kriegen und Konflikten und ihren Folgen arbeitet und sich solidarisch für Überlebende engagiert, ist medica mondiale. Über Karin Griese, Leiterin des Bereichs Trauma-Arbeit, ist die Expertise der Organisation in diese Ausgabe eingeflossen.

Gesellschaftlich verankerte, sexistische und rassistische Gewalt gegen Frauen spitzt sich im Konfliktkontext drastisch zu, was nachhaltige Folgen mit sich bringt. So wurden viele der heute sichtbaren Unterdrückungs- und Ausbeutungsmechanismen gefördert durch die unfassbaren Formen von Gewalt in den vielen Kriegen und Diktaturen, die die Region über Jahrzehnte geprägt haben. Die japanische Besetzung während des Zweiten Weltkriegs, der amerikanische Krieg in Vietnam, die Massenmorde in Indonesien 1965, die Terrorherrschaft der Khmer Rouge in Kambodscha, der jahrzehntelange Bürgerkrieg in Myanmar und viele weitere Kriege und Gewaltregime. In all diesen Konflikten wurde sexualisierte Gewalt gegen Frauen – und zum Teil auch gegen Männer – als Kriegsmittel systematisch eingesetzt, sexuelle Ausbeutung und Vergewaltigungen gefördert oder toleriert.

Wie in vielen anderen Ländern wird die sexualisierte Gewalt in diesen Kriegen und Terrorherrschaften meistens verschwiegen oder tabuisiert. Überlebende und ihre oft unter Gewalt gezeugten Kinder wurden stigmatisiert und sozial ausgegrenzt. Ähnliches war im Kontext des Zweiten Weltkriegs in den deutsch besetzten Gebieten und auch in Deutschland selbst zu beobachten, wo Überlebende sexualisierter Gewalt durch die Wehrmacht, SA und SS und Truppen der Alliierten jahrzehntelang nicht darüber sprechen konnten, was ihnen widerfahren ist. Darauf weist medica mondiale in ihrer aktuellen Kampagne „Niemals nur Geschichte“ anlässlich 75 Jahren Kriegsende in Europa und Asien hin.

Viele der Interviews und Artikel in dieser Ausgabe zeugen davon, dass es mittlerweile Frauen und Bewegungen gibt, in fast jedem Land Südostasiens, die das Tabu brechen und aktiv werden, um Gerechtigkeit einzufordern. Gerade in Indonesien haben sich viele Überlebende zusammengetan, um offen über die Vergewaltigungen und Gräueltaten des Suhartoregimes zu sprechen. In Kambodscha arbeitet Sotheary Yim mit vielen anderen daran, die Zwangsehen und -vergewaltigungen unter den Khmer Rouge, die Hunderttausende betrafen, aufzuarbeiten. In Osttimor verbinden Aktivistinnen die Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt des Krieges und der indonesischen Besatzung mit dem Kampf gegen häusliche Gewalt heute.

Vieles ist noch nicht aufgearbeitet, und bleibt unausgesprochen. Die psychischen und auch Existenz bedrohenden ökonomischen Folgen der zurückliegenden Kriegsverbrechen an Frauen und Mädchen reichen bis in die heutige Generation. Sie prägen unter anderem über die Normalisierung von Gewalt in Beziehungen und die Kultur der Straflosigkeit das heutige Leben von Frauen in Südostasien. Bisher wurde nahezu ausnahmslos keiner der Verantwortlichen für die Vergewaltigungen in den Kriegen und in den Militärdiktaturen zur Rechenschaft gezogen. Viele Männer werden als Helden der Unabhängigkeitsbewegungen geachtet – aber bisher hat keine Frau eine nennenswerte gesellschaftliche Anerkennung des ihr widerfahrenen Unrechts bekommen oder eine Entschädigung erhalten. Und, wie das Beispiel der Rohingya-Frauen zeigt, wird heute immer noch sexualisierte Gewalt systematisch als Kriegsmittel eingesetzt und wird die heutige Generation von Neuem traumatisieren.

Dagegen entstehen heute interessante und hoffnungsvolle Allianzen. Die ,alten‘ Frauen stehen auf und brechen das Schweigen. Sie begegnen dabei jungen Frauen, die im Zeitalter der sozialen Medien gegen sexualisierte Gewalt und Gender-Stereotypisierungen rebellieren. Auch Männer werden einbezogen, die ihr eigenes Verhalten im Kontext einer hegemonialen Männlichkeit hinterfragen. Doch es gibt noch sehr viel zu tun.

Wir wünschen unseren Leser*innen eine erkenntnisreiche Lektüre!

Das Redaktionsteam

 

Zur Ausgabe der südostasien 3/20: #SOAToo. Sexualisierte Gewalt und feministische Gegenwehr in Südostasien

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