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Scam-Netzwerke in Asien: Berichte zur Lage in Kambodscha

Jüngste Razzien bei Online-Glücksspielbetrieben in Kambodscha haben das Ausmaß dieses Problems deutlich gemacht: In den Zentren sind 100 bis 150 Personen in betrügerische Aktivitäten verwickelt. Auf diesem Foto: belagertes Betrugszentrum in Sihanoukville, Kambodscha.
Jüngste Razzien bei Online-Glücksspielbetrieben in Kambodscha haben das Ausmaß dieses Problems deutlich gemacht: In den Zentren sind 100 bis 150 Personen in betrügerische Aktivitäten verwickelt. Auf diesem Foto: belagertes Betrugszentrum in Sihanoukville, Kambodscha. © UNODC / Laura Gil (CC By 2.0 no changes made)

Chinas globale Expansion hat Kehrseiten: Eine Ausgabe der Global China Pulse deckt transnationale Scam-Netzwerke und ihre Verflechtungen auf.

Kambodscha zählt zu den am stärksten betroffenen Ländern der globalen Scam-Industrie. In den vergangenen Jahren hat sich das Land zu einem Zentrum für kriminelle Netzwerke entwickelt, die auf Menschenhandel und Zwangsarbeit setzen, um digitale Betrugsmaschen im großen Stil zu betreiben. Die schwache Rechtsdurchsetzung, weit verbreitete Korruption und die enge Verflechtung mit ausländischen Investor:innen haben diesen Sektor rasant wachsen lassen.

Die Ausgabe „Scammed: Dissecting Cyber Slavery in Southeast Asia“ des Journals Global China Pulse 2024 Nr. 3(1), eröffnet eine neue Perspektive auf Chinas globale Expansion: jenseits von Infrastrukturprojekten und Wirtschaftskooperationen existiert eine Parallelwelt krimineller Netzwerke. Diese zeigen, dass „Global China“ nicht nur aus staatlichen und wirtschaftlichen Akteur:innen besteht, sondern auch aus Schattenökonomien, die tiefgreifende soziale, politische und ethische Fragen aufwerfen. Die Ausgabe bietet Analysen und erschütternde Einblicke in eine (Scam-)Industrie, die weit über die Grenzen Chinas hinausreicht und dennoch untrennbar mit den globalen Dynamiken des Landes verbunden bleibt. Verschiedene Aspekte der Betrugsindustrie in Kambodscha werden in mehreren Artikeln genauer beleuchtet.

Kambodscha ist weiter eines der Zentren der Online-Betrugsindustrie

In Kambodscha floriert diesbezüglich ein skrupelloses Geschäftsmodell: sogenannte Scam-Fabriken, in denen Tausende unter Zwang an groß angelegten Online-Betrugsmaschen arbeiten. Die Opfer – meist Migrant:innen aus Südostasien, aber auch aus Afrika und Südasien – werden mit falschen Jobangeboten angelockt oder regelrecht  unter den kriminellen Banden gehandelt, ihrer Pässe beraubt und systematisch zur Teilnahme an Betrügereien gezwungen. Symbolbild: Arbeitsplatz eines Onlinebetrügers auf den Phillipinen. Auf der Tastatur verbrauchte Sim-karten © UNODC / Laura Gil (No changes made)

Hinter diesen Netzwerken stehen transnationale kriminelle Organisationen, die eng mit lokalen Eliten und korrupten Behörden verflochten sind. Da viele dieser Strukturen von Investitionen und Akteur:innen aus China profitieren, hat sich Kambodscha damit zu einem Knotenpunkt digitaler Kriminalität im Einflussbereich von Global China entwickelt. Diese Machenschaften erzeugen Opfer auf beiden Seiten: die ausgenutzten Arbeiter:innen, die oft gefangen gehalten und misshandelt werden, und die Menschen, die weltweit auf die perfiden Betrugsmaschen hereinfallen. Die folgenden Artikel beleuchten die Mechanismen dieses kriminellen Systems, den geopolitischen Kontext und die weitreichenden Folgen für alle Betroffenen

Berichterstattung hängt vom Vor-Ort-Journalismus ab

In ihrem Artikel Scam Stories Hinge on On-the-Ground Journalism beleuchtet Danielle Keeton-Olsen die entscheidende Rolle lokaler Journalist:innen bei der Aufdeckung der südostasiatischen Cyber-Betrugsindustrie. Während sich internationale Medien oft auf spektakuläre Einzelfälle konzentrieren, waren es regionale Reporter:innen, die bereits in den späten 2010er-Jahren erste Hinweise auf Zwangsarbeit in kambodschanischen Scam-Zentren sammelten. Sie deckten die Verbindung zwischen Menschenhandel, organisiertem Verbrechen und groß angelegten Betrugsmaschen auf – oft unter großem persönlichen Risiko.

Flickr/ EU-Ukranian Cooperation CC BY 2.0

Keeton-Olsen zeigt, wie diese Journalist:innen trotz begrenzter Mittel und repressiver staatlicher Strukturen Pionierarbeit leisteten. Besonders in Kambodscha trugen Medien wie Nikkei Asia und Voice of Democracy dazu bei, die wachsende Scam-Industrie und ihre weitreichenden Folgen sichtbar zu machen. Dabei wird deutlich, dass nicht nur die Betrugsopfer auf der ganzen Welt betroffen sind, sondern auch die Tausenden von Zwangsarbeiter:innen – meist aus China, Südost- und Südasien oder Afrika–, die unter falschen Versprechen oder durch Menschenhandel in die Betrugsfabriken gelangen. Der Artikel verdeutlicht, dass diese Form des Verbrechens weit über einfache „Pig-Butchering“-Scams (Finanzschwindel mit emotionaler Manipulation) hinausgeht und ein komplexes System aus wirtschaftlichen Interessen, politischer Einflussnahme und kriminellen Netzwerken umfasst.

Transnationale organisierte Kriminalität trifft auf eingebettete Korruption: Kambodschas Rolle in Südostasiens Online-Betrugsepidemie

Neil Loughlin untersucht in Transnational Organised Crime Meets Embedded Corruption: Cambodia’s Role in Southeast Asia’s Online Scam Epidemic die enge Verbindung zwischen transnationaler Kriminalität und der tief verwurzelten Korruption in Kambodscha. Er argumentiert, dass die Online-Betrugsindustrie eng mit dem Patronagesystem der Kambodschanischen Volkspartei (CPP) verknüpft ist. Historische Korruptionsstrukturen, die seit der Zeit nach dem Sturz der Roten Khmer bestehen, haben es ermöglicht, dass illegale Kapitalströme mit legalen wirtschaftlichen Aktivitäten verschmolzen sind, was die politische und wirtschaftliche Elite des Landes massiv bereichert.

Loughlin zeigt, dass die kambodschanische Regierung illegale Aktivitäten schützt, indem sie kriminelle Akteure, darunter chinesische Unternehmer, mit kambodschanischer Staatsbürgerschaft ausstattet und so ihre Immunität vor internationalen Strafverfolgungsbehörden sicherstellt. Diese Praxis spiegelt ein in Kambodscha tief verwurzeltes historische Muster wider, bei dem die Elite illegale Ressourcen für den politischen und wirtschaftlichen Gewinn nutzt. Die transnationale Online-Betrugsindustrie ist somit nicht nur ein isoliertes Phänomen, sondern ein Produkt von Korruption und des Patronagesystems in Kambodscha.

Sihanoukville: Aufstieg und Fall einer Grenzstadt

In Sihanoukville: Rise and Fall of a Frontier Citybeleuchtet Ivan Franceschini die rasante Entwicklung der kambodschanischen Küstenstadt Sihanoukville. Die Stadt, einst ein beschaulicher vom Tourismus geprägter Hafenort, erlebte durch massive chinesische Investitionen und den Boom des Glücksspiels eine tiefgreifende Transformation. Franceschini zeigt auf, wie dieser wirtschaftliche Aufschwung mit sozialen und ökologischen Problemen einherging, die die lokale Bevölkerung und das Stadtbild stark beeinflussten. Besonders florierende Kriminalität, der Verlust von kulturellen Identitäten und die zunehmende Umweltzerstörung sind zentrale Themen des Artikels.Panaorama Ansicht der Stadt 2022 CC Uwe Brodrecht (Flickr) CC BY-SA 2.0 (no changes made)

Franceschini verknüpft diese Entwicklung mit breiteren globalen Trends und kritisiert die Auswirkungen von neoliberaler Stadtplanung und unkontrollierter Urbanisierung. Anhand detaillierter Fallbeispiele und einer umfassenden Quellenanalyse liefert Franceschini einen fundierten Beitrag zur Debatte über die negativen Konsequenzen von Kapitalströmen und globaler Stadtentwicklung in Südostasien, wobei er die vielschichtigen Herausforderungen einer solchen Metamorphose hinterfragt.

Die gesamte Ausgabe von Global China Pulse bietet in ihrer Vielfalt einen tiefgehenden Einblick in die unterschiedlichen sozialen, politischen und kulturellen Phänomene der Region und verdeutlicht, wie unterschiedliche asiatische Gesellschaften im Kontext globaler Umbrüche miteinander verknüpft sind.

Bildnachweise: Foto 1  UNDOC / Laura Gil  unter CC By 2.0; Foto 2 UNDOC / Laura Gil; Bild 3 Flickr/ EU-Ukranian Cooperation CC BY 2.0;  Bild 4 Flickr/ CC Uwe Brodrecht  CC BY-SA 2.0

 

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