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„Timor-Leste's Journey of Truth, Justice and Reconciliation“

20 Years on: Determing our own Future

„20 Years on: Determining our own Future“ titelte Asia Justice and Rights (AJAR) seine in Kooperation mit ACbit u.a. durchgeführte Veranstaltungsreihe zu „20 Years Commemoration of Referendum“. Zum Auftakt lud die Menschenrechtsorganisation am 26. August 2019 in Dili ins Centro Nacional Chega! ein.

Das Zentrum ist die Nachfolgeinstitution der nationalen Wahrheitskommission (CAVR) und der bilateralen Wahrheits- und Freundschaftskommission von Timor-Leste und Indonesien (CTF)

An der von Carmeza dos Santos Monteiro moderierten Veranstaltung nahmen teil: Hugo Fernandez / Centro Nacional Chega! (CNC), Manfred Nowak / Global Campus of Human Rights, Patrick Burgess / Asia Justice and Rights (AJAR), Manuela Leong Pereira / Assosiasaun Chega Ba Ita (ACbit)

Überall auf der Welt, so Manfred Nowak, der frühere UN Sonderberichterstatter für Folter, ist ein Transitional Justice Prozess ein langer Weg, der nur Schritt für Schritt nach Vorne führt. „Ich bin tief davon überzeugt, dass Wahrheit – gefolgt von Gerechtigkeit – Voraussetzungen sind, um einen anhaltenden Frieden zu schaffen.“ Es erfülle ihn mit Stolz, dass es ihnen bei den UN gelungen sei, in der Konvention zu gewaltsames Verschwindenlassen das Recht der Opfer von schweren Menschenrechtsverletzungen auf Wahrheit zu verankern. Wahrheitsfindung sei für die Familien der gewaltsam Verschwunden am aller wichtigsten. „ich bin der Meinung, dass es nicht immer Strafjustiz sein muss, auch Ziviljustiz kann einen enormen Beitrag zu Versöhnung und Frieden leisten. Doch müssen die Opfer ebenso eine bestimmte Bereitschaft zur Versöhnung mitbringen.“ betonte Manfred Nowak abschließend.

Aufarbeitungsprozesse in Timor-Leste

Patrick Burgess, Direktor von Asia Justice and Rights, gab einen Überblick zu den umfangreichen Aufarbeitungsprozessen in Timor-Leste. Zusammenfassend konstatierte Burgess: „Weltweit gesehen geht Timor-Leste mit gutem Beispiel voran, doch die Ergebnisse waren nicht immer zufriedenstellend: Der Forderung der UN-Untersuchungskommission nach einem Internationalen Tribunal wurde nie entsprochen, alle Angeklagten vor dem Ad hoc Menschenrechtsgericht in Jakarta, Indonesien, wurden freigesprochen, bzw. ihre Urteile in nächster Instanz aufgehoben. Indonesiens Justiz war nicht unabhängig, Rechtsstaatlichkeit nicht gegeben. Das Hybridgericht in Timor-Leste wiederum konnte nur über die ‚kleinen Fisch‘ richten.“

„Die Einrichtung von Centro Nacional Chega! (CNC) war ein großer Sieg für uns alle“, hob Manuela Pereira, Direktorin der Assosiasaun Chega Ba Ita (Acbit), hervor. Seit 2012 macht sich ACbit zusammen mit AJAR und der Nationalen Opfervereinigung stark für konkrete Schritte bei der Implementierung der Empfehlungen der Wahrheitskommissionen. „Wir arbeiten mit Frauen, die Opfer von Menschenrechtsverletzungen sind und heute noch von den Auswirkungen betroffen sind. Diese Frauen konnten Stigma und Diskriminierung überwinden. Sie engagieren sich heute in ihren Gemeinden als Friedensaktivistinnen und nehmen eine tragende Rolle in der Arbeit mit Gewaltopfern ein. Sie tragen so aktiv zu einem Wandel bei.“

Reparationen gefordert

CNC, mit seiner Aufgabe, sich mit den Opfern der Menschenrechtsverletzungen solidarisch zu zeigen, arbeitet mit Ministerien und NGOs zusammen. „CNC sollte die Führung übernehmen und in Zusammenarbeit mit uns ein transformatives Reparationsprogramm für die Opfer entwickeln“, fordert Manuela Pereira. „Unsere ausgebildeten Gemeindearbeiterinnen könnten ein gutes Bindeglied zwischen CNC und den Betroffenen sein.“

Hugo Fernandez, Direktor des Centro Nacional Chega! führte aus, dass beide Wahrheitskommissionen, CAVR und CTF, zum gleichen Ergebnis kamen: Indonesien trägt für die Menschenrechtsverbrechen in Timor-Leste die Verantwortung. Indonesiens Präsident hat sich nicht entschuldigt, sondern drückte nur sein tiefes Bedauern aus. Aber er hat zugegeben, dass von Indonesien aus schwere Verbrechen begangen wurden. „In Timor-Leste jedoch“, so Fernandez, „sind wir noch immer nicht bereit, die dunkle Seite unserer Vergangenheit anzuschauen.“ Als jüngst ein Interview mit Milizenführer Eurico Guterres im Fernsehen ausgestrahlt werden sollte, gab es so massive Proteste, dass der Sender es zurückzog. „Es hätte durchaus ein Beitrag zur Wahrheitsfindung sein können.“

Solidarität mit den Opfern und Überlebenden

Wahrheit finde sich auch in Chega!, dem Bericht von CAVR. „Doch in den letzten 10 Jahren hat auf der politischen Ebenen niemand sich die Mühe gemacht, den Bericht Seite für Seite zu lesen“, prangert er an. Von den 205 Empfehlungen seien nur ca. 5 % umgesetzt, und bei diesen handelt es sich um so allgemeine Verpflichtungen von Timor-Leste wie zur Ratifizierung der Menschenrechtspakte. „Bis zur Einrichtung des Centro Nacional Chega! 2017 gab es in der Regierungspolitik keinerlei Erwähnung der Opfer von Menschenrechtsverletzungen. Erwähnung fanden bisher die Veteran*innen. Solidarität mit den Opfern ist eine unserer Aufgaben beim CNC, und es liegt noch ein langer Weg vor uns.“ So gebe es bis heute keine genauen Zahlen zu den Opfer, wieviele politische Gefangene es gab. Erfasst seien bisher nur die Veteran*innen. CNC hat nun mit der Registrierung angefangen und diese soll zu Ende des nächsten Jahres abgeschlossen sein. Ebenso arbeite ACbit dankenswerterweise an einer Erfassung aller Opfer von sexueller Gewalt.

„Welchen Sinn macht es, die Wahrheit ans Licht zu bringen, wenn wir dann nicht darauf reagieren?“ Das Problem seit 20 Jahren“, so Fernandes, „ist die Disbalance in unserem historischen Narrativ: Während die Veteran*innen als Held*innen gefeiert werden, bleibt die Frau, die drei Kinder von drei verschiedenen indonesischen Soldaten hat, ausgegrenzt. Und wie können wir unserer jungen Generation die Geschichte des Widerstandes lehren, wenn es keine Schulbücher dazu gibt?“ Es habe 20 Jahre gebraucht, bis das Bildungsministerium Empfehlungen von Chega! ins Kurrikulum aufgenommen hat.

Im Prozess des Aufbaus einer Nation muss sich der Identifikationsraum von einem „Ich und meine Gruppe“ zu einem einschließenden „Wir“ öffnen, um Kreislauf, immer jemand anderem die Verantwortung zuzuschieben, zu entkommen.

Monika Schlicher, Stiftung Asienhaus

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