Anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März hat die Frauenrechtsorganisation Fokupers einen aufschlussreichen Bericht veröffentlicht, der die Land- und Eigentumsrechte von Frauen in Timor-Leste analysiert. Der Bericht "The Access to Justice, Land and Property for Survivors of Gender Based Violence in Timor-Leste" untersucht die Einstellungen der Bevölkerung, gängige Praktiken und rechtliche Rahmenbedingungen im Umgang mit dem Eigentum von Frauen. Er zeigt dabei auf, welche kulturellen, rechtlichen und ökonomischen Faktoren zu Barrieren für die betroffenen Frauen werden.
Wenn Frauen alles verlieren
Frauen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffen sind und sich entscheiden Zuflucht zu suchen, verlieren oft alles, was sie besitzen: ihr Land, ihre Häuser und all ihr Hab und Gut. Fokupers hat in ihrer Arbeit immer wieder festgestellt, dass Frauen nach einer Scheidung, Trennung oder der Flucht vor häuslicher Gewalt häufig der Zugang zu ihrem Eigentum verwehrt wird. Oft verweigern ihre Partner oder deren Familien eine gerechte Aufteilung, zerstören oder verkaufen ihren Besitz. Viele Frauen sind dem Risiko einer vollständigen Enteignung oder Enterbung ausgesetzt, was ihre Existenzgrundlage und Sicherheit gefährdet.
Der Verlust von Land ist besonders gravierend. Im überwiegend ländlich geprägten Timor-Leste stellt Land die wichtigste Ressource dar, die es Frauen ermöglicht ihren Lebensunterhalt durch Landwirtschaft zu verdienen und dadurch ein selbstbestimmtes Leben zu führen. Doch Land hat nicht nur eine wirtschaftliche Bedeutung, sondern verkörpert auch die spirituelle Verbindung zu den eigenen Vorfahren. Wenn Frauen ihr Land verlieren, verlieren sie damit ihre gesamte Lebensgrundlage.
Strukturelle Herausforderungen und die Hürden der Gleichberechtigung
Obwohl Timor-Leste in den letzten Jahren große Erfolge bei der Stärkung von Frauenrechten und der Unterstützung von Überlebenden geschlechtsspezifischer Gewalt erzielt hat, ist der Anspruch von Frauen auf ihr Miteigentum nach wie vor eingeschränkt. Die Schwierigkeit, ihren rechtmäßigen Besitz zu bewahren, ist im Wesentlichen auf zwei Aspekte zurückzuführen: zum einen auf Problematiken im Justizwesen und zum anderen auf die untergeordnete gesellschaftliche Stellung von Frauen.
Timor-Leste zeichnet sich durch eine Pluralität, ein Nebeneinander verschiedener Rechtssysteme aus. Neben der offiziellen Justiz spielt das Gewohnheitsrecht zur Konfliktlösung eine große Rolle. Viele Menschen wenden sich in erster Linie an diese Art der Rechtsprechung, denn die Verfahren der staatlichen Justiz sind oft unverständlich und langwierig. Aus diesem Grund kennen auch viele Frauen weder ihre Rechte, noch erwarten sie irgendeine Form von Entschädigung oder Erbe.
Das Gewohnheitsrecht beruht stark auf Normen, die nicht immer mit den staatlichen Garantien der Gleichberechtigung übereinstimmen und spiegeln die patriarchale Struktur der Gesellschaft wider. In vielen Teilen des Landes werden Männer als natürliche Erben angesehen und es erscheint unmöglich, dass Frauen Landbesitzerinnen sein könnten. Auch die von Frauen geleistete Care-Arbeit gilt nicht als „richtige“ Arbeit und reicht nicht aus, um Ansprüche auf geteilte oder gemeinsam gepflegte Besitztümer wie Häuser, Gärten oder Nutztiere zu erheben. Diese Einstellungen erschweren die Situation von Frauen und verstärken die Auswirkungen von sexualisierter, psychischer aber auch ökonomischer Gewalt.
Wege zur Gerechtigkeit: Schritte zur Stärkung von Frauenrechten
Der Bericht schließt mit konkreten Empfehlungen an die Politik und relevante Stellen zur Verbesserung der Situation. Von besonderer Bedeutung sind vor allem die Verbreitung von Informationen über die Eigentumsrechte von Frauen, Aufklärung über die Funktionsweise der Rechtssysteme und Programme zur Förderung des Landbesitzes bei Frauen. Insgesamt zeigt der Bericht, dass die Praxis nicht den Gesetzen und Resolutionen entspricht, die Geschlechtsgleichheit formal garantieren. Regionale Besonderheiten, soziale Normen und die Eigenheiten des Rechtssystems verhindern eine gleichberechtigte und gerechte Verteilung von Eigentum für Frauen. Diese muss jedoch gewährleistet werden, um die Position der Frauen zu stärken und ihnen eine sichere Zukunft zu ermöglichen.
Imina Hecht
Hier finden Sie den Bericht auf der Website von Fokupers