Vom 9. bis 11. September 2024 besuchte Papst Franziskus Osttimor und feierte mit rund 600.000 Menschen eine Messe unter freien Himmel. Die Kirche in Timor-Leste war in den vergangenen Jahren von Missbrauchsskandalen erschüttert worden. „Wir sind alle aufgerufen, alles zu tun, um jede Art von Missbrauch zu verhindern“, soll Papst Franziskus am Tag zuvor gesagt haben. Er ging jedoch weder auf konkrete Fälle ein, noch räumte er eine Verantwortung des Vatikans ein. „Der Papst hat jetzt den Missbrauch nur indirekt angesprochen. Er hat damit die Opfer im Regen stehen lassen und eine gesellschaftliche Auseinandersetzung vermieden,“ kritisierte Monika Schlicher von der Stiftung Asienhaus gegenüber der taz. „Die Betroffenen sind die einsamsten Menschen Osttimors, denn ihre Missbrauchserfahrungen wollen nicht gehört werden.“
Der Vatikan hatte den früheren Bischof und Friedensnobelpreisträger von 1996, Carlos Filipe Ximenes Belo, im Jahr 2020 wegen Missbrauchs sanktioniert. Dies wurde aber erst im Jahr 2022 bekannt. In Timor-Leste gilt er weiterhin als Nationalheld.In einem anderen Fall war der ehemalige US-Priester Richard Daschbach 2021 wegen Sexualverbrechen in einem Kinderheim in Osttimor zu zwölf Jahren Haft verurteilt worden. Der damalige Präsident und heutige Premierminister Xanana Gusmão stellte sich demonstrativ an seine Seite und betonte die Verdienste Daschbachs im Unabhängigkeitskampf.
Diese Fälle machen zweierlei deutlich, kommentiert Louis Berger in der taz: "Einerseits besteht bei sexualisierter Gewalt häufig eine Art Komplizenschaft zwischen Kirche und Staat. Auch staatliche Institutionen müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein, wenn Missbrauch nicht vertuscht werden soll. Andererseits darf der besondere Kontext des Missbrauchs in der katholischen Kirche nicht vergessen werden. Daschbach und Ximenes Belo nutzten ihre Stellung als Priester aus, um Täter zu werden.Sexualisierte Gewalt ist eben nicht nur eine Frage der Integrität von Personen, sondern auch von Ermöglichungsstrukturen."
Weiterlesen:
taz: Papst in Osttimor: Franziskus feiern trotz Gewalt, 10.09.2024
taz-Kommentar: Sexualisierte Gewalt in Osttimor: Alte Sünden?,10.09.2024