Im Juni 2024 trafen sich rund 5.000 Delegierte in Bonn zur Vorbereitung der COP29 in Baku. Pius Ginting von der indonesischen Umweltorganisation AEER war dabei und reist auch nach Aserbaidschan.
Sie waren im Juni in Bonn beim jährlichen Treffen der ständigen Nebenorgane der UN-Klimakonferenz. Was wurde diskutiert?
Die derzeitigen Zusagen reichen nicht, um das 1,5°C-Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen. Industrieländer fordern ambitioniertere Maßnahmen, während Entwicklungsländer, darunter auch Indonesien, eine höhere Klimafinanzierung verlangen.
Wie beurteilen sie das Treffen mit Blick auf die jetzt anstehende COP?
Ein Klimafinanzierungsziel von jährlich 2,4 Billionen US-Dollar für den Zeitraum von 2024 bis 2030 wurde erörtert. Davon soll ca. 1 Billion US-Dollar aus externen Quellen stammen. Während hier Fortschritte erzielt wurden, war es enttäuschend, dass es nur langsam eine Einigung über die wesentlichen Finanzierungsmechanismen gibt.
Ich hoffe, dass wir in Baku insbesondere bei der Finalisierung und Umsetzung des neuen kollektiven quantifizierten Ziels (New Collective Quantified Goal, NCQG, ein Ziel, dass besonders die Bedürfnisse der Entwicklungsländer berücksichtigt und bestehende Finanzlücken schließt) für die Klimafinanzierung etwas erreichen. Das wäre für Klimaschutz und -anpassung sehr wichtig.
Klimamaßnahmen müssen besonders gefährdete Gemeinschaften und indigene Völker einbeziehen
Abseits des offiziellen Teils waren sie auch im Austausch mit vielen Klimaaktivist:innen anderer Länder. Über was haben sie gesprochen?
Es braucht einen gerechten Übergang (Just Transition), um soziale und wirtschaftliche Ungleichheiten nicht weiter zu vertiefen. Hierbei gab es große Einigkeit, dass Klimamaßnahmen den Bedürfnissen gefährdeter Gemeinschaften und indigener Völker Rechnung tragen müssen. Sie sind oft an vorderster Front von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen.
Wie sehen Sie die Rolle des Gastgeberlandes Aserbaidschan?
Aserbaidschan strebt an, eine führende Rolle bei der globalen Energiewende einzunehmen. Angesichts seiner Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, insbesondere von Öl und Gas, könnte der Gastgeber die Diskussion zu praktikablen Wegen zur Umstellung auf erneuerbare Energien lenken.
Indonesien will bis 2060 klimaneutral werden. Ein beschlossenes Zwischenziel ist die Reduktion der Treibhausgasemissionen um 29 Prozent bis 2030. Ist das realistisch?
Indonesien hat sich diese ambitionierten Klimaziele gesetzt, doch der derzeitige Kurs deutet auf erhebliche Hindernisse bei der Erreichung dieser Ziele bis 2030 hin.
Woran hapert es?
Besonders am Ausbau der erneuerbaren Energien. Bis 2025 wollte Indonesien einen Anteil erneuerbarer Energien von 23 Prozent zu erreichen, aber bis 2022 lag der Anteil nur bei etwa 12,3 Prozent. Dieses Defizit hat die Regierung dazu veranlasst, ihre Gesetzgebung zu überarbeiten und die Erwartungen an erneuerbare Energien zu senken. Im Jahr 2023 lag der Anteil der erneuerbaren Energien am nationalen Energiemix in Indonesien unter dem Ziel.
Die Kohleabhängigkeit bremst Indonesiens Klimaziele
Daneben stellt die anhaltende Nutzung von Kohle ein erhebliches Hindernis für die Erreichung der Klimaziele von Indonesien dar. Kohlekraftwerke für den Eigenbedarf, d.h. speziell für industrielle Zwecke gebaute Kraftwerke, sind weiterhin erlaubt, insbesondere auf Sulawesi und in den Molukken. Die Gesamtkapazität der an den Nickelsektor gebundenen Kohlekraftwerke zeigt, dass z.B. der Energiebedarf dieser Industrie nach wie vor stark von Kohle abhängig ist.
Bei der Reduzierung der Emissionen im Strom- und Industriesektor gibt es zwar Bemühungen im Rahmen von Mechanismen wie der Just Energy Transition Partnership (JETP), die Emissionen im Stromsektor bis 2030 zu begrenzen, aber es bleibt abzuwarten, wie wirksam diese sind, um die wachsende Kohleverstromung zu bremsen.
Wie beurteilen sie die derzeitige Klimapolitik Indonesiens?
Die indonesische Klimapolitik weist einige Erfolge auf, insbesondere bei der Wiederherstellung von Torfgebieten, der Aufforstung und dem Ausbau von Investitionen in erneuerbare Energien. Aber wie gesagt, es fehlt an der Geschwindigkeit. Neben Indonesiens Abhängigkeit von der Kohle ist auch die Entwaldung nach wie vor ein ernstes Problem. Das konterkarriert die Erfolge bei der Aufforstung. Und damit Klimainitiativen wirksam sind oder wirksamer werden, müssen sie politisch und in der Praxis besser durch- und umgesetzt werden.
Im Oktober trat mit Subianto Prabowo ein neuer Präsident an. Für welche Klimapolitik steht er?
Die Frage kommt etwas zu früh. Seine genaue Ausrichtung der Klimapolitik ist noch nicht ganz absehbar.
Welche Erwartungen haben Sie an die COP29 in Baku?
Die Ergebnisse der Klimakonferenz müssen über die üblichen Versprechungen hinausgehen und die Teilnehmenden konkrete Taten folgen lassen. Das neue kollektive quantifizierte Ziel (NCQG) muss operationalisiert werden, zudem benötigen wir deutliche Fortschritte bei den Mechanismen für klimabedingte Verluste und Schäden (Loss and Damage).
Und welche Hoffnungen verbinden Sie damit für die globale Klimapolitik in den nächsten Jahren?
Ich wiederhole mich, aber der Ausstieg aus der fossilen Energie und die Beschleunigung der Umstellung auf erneuerbare Energien ist entscheidend, auch für Indonesien. Während die Industrieländer ihren finanziellen Zusagen nachkommen müssen, sollten die von fossilen Brennstoffen abhängigen Volkswirtschaften neue Maßnahmen ergreifen, um ihre Klimamaßnahmen mitzufinanzieren. Sie könnten z.B. mit der Einführung von Kohlenstoff- und Vermögenssteuern ihre Wirtschaftspolitik mit ihren Klimazielen in Einklang bringen.
Zum Gesprächspartner: Der Klimaaktivist Pius Ginting begleitet die Weltklimakonferenz seit Jahren. Er leitet die indonesische NGO AEER (Action for Ecology and People Emancipation). Die Umweltorganisation setzt sich für Klimaschutz und die Transformation des Energiesektors ein.
Das Gespräch hat Raphael Göpel für die Stiftung Asienhaus im Oktober 2024 geführt.