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UN-Klimakonferenz und G20-Gipfel: „Länder sollten ihre Versprechen einhalten“

Kohleabbau in Indonesien (Foto von Parolan Harahap/Flickr, CC BY-NC 2.0
Kohleabbau in Indonesien (Foto von Parolan Harahap/Flickr, CC BY-NC 2.0)

Der indonesische Umweltaktivist Pius Ginting fordert ein schnelleres Ende der fossilen Brennstoffe und mehr Klimafinanzierung für den Globalen Süden. Ein Gespräch über Klimagerechtigkeit, den G20-Gipfel auf Bali und die UN-Klimakonferenz (COP27) in Ägypten.

Auf der letzten Weltklimakonferenz in Glasgow (COP26) hatten sich die Länder auf einen (schrittweisen) Kohleausstieg geeinigt. Wie ist die Lage der Energieversorgung in Indonesien?

Für einen kompletten und schnellen Kohleausstieg: Zivilgesellschaftlicher Protest auf dem COP27-Gelände in Scharm El-Scheich (Foto: Pius Ginting)Kohle ist in Indonesien weiterhin der wichtigste Energieträger. Zur Versorgungssituation kann ich nur für Java und Bali genauere Angaben machen. Die Insel Java hat 40 % Überkapazität an Strom. Das ist zu viel und kann geändert werden. Die Mehrheit des Stroms wird aus Kohle gewonnen. Hier kann die Energiewende beginnen: Wir müssen die Kohlekraftwerke in Java reduzieren und keine neuen bauen!

Die indonesische Regierung sollte sich landesweit auf den Ausbau der erneuerbaren Energien konzentrieren. Und Indonesien ist weltweit immer noch der größte Kohleexporteur: Kohleabbau und Kohle als Energie müssen beendet werden.

Diese Woche ist der G20-Gipfel auf Bali. NGOs fordern u. a. mehr Klimagerechtigkeit und Zugang zu Impfstoffen für den Globalen Süden. Wie machen NGOs auf ihre Anliegen aufmerksam?

Der Veranstaltungsort und seine Umgebung sind sehr eingeschränkt. Es ist schwierig, größere zivilgesellschaftliche Aktionen auf Bali durchzuführen, auch schon im Vorlauf des Gipfels. Greenpeace wollte beispielsweise einen Fahrradprotest von Java nach Bali organisieren um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen, das wurde von Behörden unterbunden. Auch andere Nichtregierungsorganisationen und Kampagnen haben es schwer, größere Aktionen auf der Insel zu machen.

Welche Ergebnisse sollten die G20 erzielen, insbesondere im Zusammenhang mit dem Energiesektor und der Klimakrise?

Die AG Ressourcen der Stiftung Asienhaus unterstützte Pius Ginting (AEER) bei seinem Deutschlandbesuch in 2021 (Foto: Andrea Hoeing)Ich erwarte, dass die Klimafinanzierung verbessert wird, die G20-Länder sollten mehr für Klimaschutz und -anpassung tun. Sie sollten speziell die Dekarbonisierung des Energiesektors vorantreiben. Es muss größere Schritte weg von den fossilen Brennstoffen geben. Die G20 sollte zudem den Emissionshandel überarbeiten. Er ist kontraproduktiv für die Klimatransformation.

Die Kritik am Emissionshandel und seine Sinnhaftigkeit ist nicht neu. Doch der Handel mit Emissionszertifikaten ist u.a. eines der wichtigsten Klimainstrumente der EU. Manche Leute sagen, das sei besser als nichts?

Ich denke, es ist der verkehrte Weg. Es sollte keinen Emissionshandel geben. Wir sollten uns darauf konzentrieren an den tatsächlichen Emissionen zu arbeiten und sie verringern. Ein konkreter Weg dahin ist der konsequente Ausstieg aus fossilen Brennstoffen.

Zu diesem Thema hat deine NGO AEER kürzlich erneut den Energy Transition Mechanism (ETM) der Asian Development Bank (ADB) kritisiert. Kannst du den Mechanismus erklären?

Der ETM soll den Ausstieg aus der Kohleverstromung in Südostasien unterstützen und zur Energiewende beitragen. Bei der COP26 hat die ADB hierzu eine Partnerschaft mit Indonesien und den Philippinen gestartet. Der milliardenschwere Mechanismus soll Kohlekraftwerke vorzeitig stilllegen, umwidmen und neue Investitionen in erneuerbare Energie tätigen.

Was kritisierst du am ETM?

AEER und andere zivilgesellschaftliche Gruppen denken, dass der ETM eine gerechte Energiewende untergräbt. Er hilft eher den Betreibern der Kohlekraftwerke und ihren Financiers. Auch wer die Gesamtkosten trägt, ist nicht ganz klar.

Der Mechanismus soll das frühzeitige Abstellen von laufenden Kohlekraftwerken fördern. Allerdings bezieht der Mechanismus Kraftwerke ein, die schon seit langem in Betrieb sind. Einige sind schon seit über 10 Jahren am Netz, das ist nicht zielführend. Und die Kraftwerke dürfen mit dem Mechanismus bis zu 15 Jahre weiterlaufen. Das ist zu lange. Aus unserer Sicht sollte der ETM nur für neue Kohlekraftwerke, die seit weniger als zwei Jahren in Betrieb sind, gelten.

Es gibt ein weiteres wichtiges Ereignis, das gerade stattfindet: die COP27 in Ägypten. Auch du nimmst daran teil. Was erwartest du als Klimaaktivist dort?

Zivilgesellschaftliche Gruppen fordern auf dem COP27-Gelände in Scharm El-Scheich eine ambitionierte Klimapolitik zum Erreichen des 1,5-Grad-Ziels (Foto: Pius Ginting)Für uns Aktivist:innen sind die Ergebnisse wichtig. Es sollte ein gemeinsames und starkes Bekenntnis der Nationen geben. Die Industrienationen sollten die (Klima-)Finanzierung für die am wenigsten entwickelten Länder (die sogenannten Least developed countries, LDCs) verbessern und auch Länder wie Indonesien bei der Energiewende unterstützen. Alle Länder müssen schneller zu kohlenstoffarmen Energiesystemen kommen und – ich sage es nochmals – sich zügig von fossilen Brennstoffen, insbesondere der Kohle, verabschieden.

Es sollte klare und verbindliche finanzielle Zusagen des globalen Nordens an die Länder des Globalen Südens geben, insbesondere bei Verlusten und Schäden (Loss and Damage, Verluste und Schäden durch den Klimawandel). Das ist ein wichtiger Punkt. Und schließlich müssen die Versprechen tatsächlich umgesetzt werden. Die Länder sollen sich an ihre Zusagen halten.

Und wenn wir hierzu auf Indonesien schauen, was bedeutet das für das Land?

Zum einen muss Indonesien seine Transformation im Energiesektor beschleunigen und die Abholzung seiner Wälder reduzieren, um weniger Emissionen zu verursachen. Zum anderen ist der Just Transition-Ansatz für unser Land wichtig, die Transformation muss sozial gerecht gestaltet werden. Wir brauchen Programme für die betroffenen lokalen Gemeinschaften als Teil des gerechten Übergangs. Zum Beispiel müssen die Gemeinden in den Kohleabbaugebieten und auch die Arbeiter:innen Alternativen finden, um ihr Einkommen aus anderen Quellen zu beziehen.

Was wünschst du dir für die COP27?

Ich wünsche mir, dass die teilnehmenden Länder, vor allem aus dem Globalen Norden, ihre versprochenen Klimazusagen einhalten und diese nochmal verstärken. Die Welt hat nicht mehr viel Zeit, um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen.

Pius GintingZum Gesprächspartner: Pius Ginting leitet die NGO AEER (Action for Ecology and People Emancipation). Die indonesische Umweltorganisation setzt sich für Klimaschutz und die Transformation des Energiesektors ein.

Das Gespräch hat Raphael Göpel für die Stiftung Asienhaus am 9. November 2022 geführt.

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