Spenden für die Stiftung Asienhaus

Indonesien und der G20-Gipfel im November 2022

Bali hofft, dass der G20-Gipfel den Tourismus wieder ankurbelt (Foto: Hans Permana, Flickr, CC BY-NC 2.0)
Bali hofft, dass der G20-Gipfel den Tourismus wieder ankurbelt (Foto: Hans Permana, Flickr, CC BY-NC 2.0)

Am 15. und 16. November 2022 findet auf Bali das Gipfeltreffen der Regierungschefs der G20 statt. Was erhofft sich die indonesische Regierung von dem Treffen? Wie wird es in Indonesien wahrgenommen? Welche Forderungen hat die indonesische Zivilgesellschaft?

Die „Gruppe der Zwanzig“ ist ein informeller Zusammenschluss von 19 Staaten und der Europäischen Union. Man spricht auch von den „20 führenden Industrie- und Schwellenländern“. Sie trifft sich einmal im Jahr, um sich v.a. über wirtschaftspolitische Maßnahmen abzustimmen. Indonesien hat momentan den jährlich rotierenden Vorsitz der G20 und organisiert daher als Gastgeber das 17. Gipfeltreffen der Regierungschefs der Mitglieder. Das Gastgeberland bestimmt weitestgehend die Agenda, der indonesische Präsident Joko Widodo „Jokowi“ wird die Veranstaltung leiten.

Über den Gipfel haben wir mit dem Politikwissenschaftler Patrick Ziegenhain, der in Jakarta lebt, gesprochen.

Es sind noch zwei Monate bis zum Gipfel auf Bali. Wie spricht die indonesische Bevölkerung im Vorfeld darüber?

Jokowi leitet das diesjährige G20-Treffen auf Bali (Foto: International Maritim Organization, Flickr, CC BY 2.0)Es wird nicht viel darüber gesprochen, die G20 ist kein großes Thema. Die Präsidentschaft und der Gipfel interessieren nur wenige. In einigen Kreisen wird darüber diskutiert, natürlich in der Politik und oder z.B. im akademischen Umfeld. Die Mehrheit der Indonesier:innen kann damit aber wenig anfangen, auch weil Indonesien eher nach innen schaut.

Welche Themen stehen derzeit im Land im Vordergrund?

Momentan beschäftigten sich die Menschen z.B. mit dem stark gestiegenen Benzinpreis. Da die indonesische Regierung die Subventionen für Kraftstoffe gestrichen hat, steigt der Preis nun um etwa 30 %. Hintergrund ist die steigende Inflation, eine Entwicklung, die mit dem Ukrainekrieg zu tun hat. Nun mobilisieren verschiedene Gruppen, darunter Opposition, Gewerkschaften, religiöse Gruppierungen. In diesen Tagen gingen in Jakarta Tausende auf die Straßen.

Zurück zur G20. Wie berichten die indonesischen Medien über Indonesiens Präsidentschaft und den Gipfel?

Die Medien berichten nicht viel darüber, daher erfahren die Menschen wenig über den G20-Gipfel. Die nationalen Medien, zumindest der Großteil, berichten eher über Inlandsthemen. Internationale Nachrichten und Ereignisse sowie globale Themen werden weniger aufgegriffen. Die Veranstaltung findet zwar in Indonesien statt, das Thema jedoch ist ein internationales.

Was werden die Hauptthemen des G20-Gipfeltreffens sein?

Es stehen Themen wie nachhaltige Energiewende und Digitalisierung auf der Agenda. Dazu kommen Gesundheit v.a. COVID und der Zugang zu Impfstoffen für alle, aber auch der Umgang mit den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Mittlerweile kam der Ukrainekrieg dazu. Dabei geht es nicht nur um Politik, sondern auch um dessen Auswirkungen z.B. auf die globale Ernährungssituation.

Im Vorfeld des Gipfels gibt es viele Vortreffen und Arbeitsgruppen. Der Ukrainekrieg war eines der zentralen Themen des Außenministertreffens im Juli. Russlandaußenminister Lawrow kam kurz und fuhr verärgert früher ab. Wie verhält sich Indonesien zum Krieg Russlands gegen die Ukraine?

In der Abstimmung für die Resolution in der UN-Generalversammlung hat Indonesien den Krieg verurteilt. Man bezieht sonst aber keine klare Position oder eine Seite. Die Regierung und Jokowi nennen dabei aber Russland nicht als Verursacher bzw. Aggressor, man verurteilt die Invasion oder Aggression. Indonesien hat darüber hinaus weder Sanktionen zugestimmt, noch diese mitgetragen oder eigene eingeleitet. Für Indonesien ist es wichtig weiterhin mit Russland zusammenzuarbeiten, z.B. im Energiebereich.

Es wird in Indonesien, auch in den Medien, zumeist von der Ukrainekrise oder -problem gesprochen, der Begriff Krieg fällt gar nicht. Jokowi ist in die Ukraine und nach Russland gereist und hat angeboten zu vermitteln. Das wäre ein außenpolitischer Erfolg. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine wollten einige Länder Russland vom G20-Gipfel ausschließen, dem kam man aber nicht nach. Indonesien verhält sich fortwährend neutral. Es hat beide, die Ukraine und Russland, Putin und Selenskji, eingeladen.

Wird Putin kommen oder nicht?

Ob Putin zum G20 Treffen kommen wird, bleibt weiterhin offen (Foto: Antonio Marín Segovia, Flickr, CC BY-NC-ND 2.0)Darüber wird seit Monaten spekuliert. In diesen Tagen hieß es aus Russland, Putin würde persönlich teilnehmen. Auch Jokowi sagte das. Indonesien möchte, dass alle eingeladenen Regierungschefs kommen, auch Putin.

Ich persönlich denke, Putin kommt nicht. Vielleicht schickt er eine Vertretung. Falls doch, wird er es wie sein Minister Lawrow beim G20-Treffen der Außenminister im Juni machen: sich abschotten, seinen kurzen Auftritt machen und direkt danach wieder abreisen, ohne Fragen zu beantworten oder sich in Diskussionen zu begeben. Oder er lässt sich digital zuschalten.

Wie ist die öffentliche Debatte in Indonesien zum Ukrainekrieg?

Viele Menschen betrachten den Krieg eher neutral oder russlandfreundlich. D.h. man glaubt, die USA hat die Nato-Erweiterung vorangetrieben und so Russland zum Krieg gezwungen. Dass die Länder selbstbestimmt entschieden haben der NATO beizutreten, wird nicht gesehen. Viele Indonesier:innen denken, dass Russland in den Krieg gezwungen wurde. Auch bei den Studierenden der Internationalen Beziehungen, mit denen ich an der Universität spreche, ist das die dominante Meinung.

Was sind die Erwartungen im Rahmen der G20-Präsidentschaft „der Indonesier:innen“ an „ihren“ Präsidenten?

Das sind eher kleine Kreise, die Erwartungen oder Hoffnungen haben. Manche Analysten oder Kommentator:innen sprechen von einer neuen Rolle Indonesiens als Vermittler zwischen West und Ost. Da fiel auch der Begriff Friedensmacht. Generell hofft man natürlich, dass das Land sich außenpolitisch auf dem Gipfel profiliert. Und dass sich das Ganze danach wirtschaftlich positiv auswirkt, z.B. in Investitionen, Projekten und Handel, z.B. mit Rohstoffen oder im Energiesektor, und auch für den Tourismus.

Was bedeutet der Gipfel für Bali und seine Bevölkerung?

Für Bali selbst ist der Gipfel ein gutes Signal und er wird von der Bevölkerung, natürlich anders als im Rest Indonesiens, wahrgenommen. Die Balines:innen freuen sich und sind stolz darauf, dass ein so großes Event bei ihnen stattfindet. Der G20-Gipfel bedeutet Prestige und eine große internationale Außenwirkung. Bali bekommt dadurch viel Aufmerksamkeit und damit Werbung. Das Treffen soll auch den Tourismus auf der Insel wiederbeleben.

Wie steht es momentan mit dem Tourismus auf Bali?

Die lokale Wirtschaft und die Menschen auf Bali, die vom Tourismus leben und das sind die meisten, hatten durch die Corona-Pandemie drei harte Jahre. Mittlerweile kommen wieder Tourist:innen, wenn auch noch nicht so viele wie vor der Pandemie. Ob das gut oder schlecht ist, müssen andere beurteilen. Derzeit machen mehrheitlich Menschen aus den USA und Europa sowie Australien auf Bali Urlaub. Die asiatischen Gäste sind noch nicht in großer Zahl zurückgekehrt. Diese haben vor Pandemie über 50% der Besucher:innen auf Bali ausgemacht und kamen vor allem aus China, Südkorea und Japan.

Merkt man schon was vom Gipfel und den Vortreffen auf Bali?

Ich war vor zwei Wochen auf Bali. In Nusa Dua im Süden der Insel, wo der Gipfel stattfinden wird und die laufenden G20-Arbeitstreffen der unteren Ebenen seit Monaten stattfinden, merkt man das schon. Es gibt Absperrungen, die Polizei ist präsent. Aber es ist überschaubar. Sicherlich wird das im November anders sein.

Wie steht die indonesische Zivilgesellschaft zum G20-Gipfel? Welche Forderungen haben indonesische NGOs?

Die großen NGOs werden das Momentum nutzen. Sie werden in Bali sein und mit Protesten und Aktionen auf Missstände aufmerksam machen. Unter dem aktuellen Präsidenten Jokowi stand in den letzten Jahren die wirtschaftliche Entwicklung des Landes im Mittelpunkt. Alles andere wurde dem untergeordnet. Umweltprobleme, Klimaschutz und Menschenrechte - zu den wichtigen Themen die die Zivilgesellschaft beschäftigen, hat die Politik nicht viel gemacht. Daran werden zivilgesellschaftliche Gruppen erinnern und auch entsprechende Forderungen haben.

Über den Interviewpartner:

Patrick Ziegenhain. Foto: privatPatrick Ziegenhain ist Associate Professor an der President University in Cikarang, Großraum Jakarta, im Fach Internationale Beziehungen. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf wirtschaftlichen, politischen und sozialen Entwicklungen in Südostasien und Europa sowie die internationalen Beziehungen beider Regionen. Im Asienhaus war er von 2000 bis 2018 ehrenamtlich im Vorstand der mittlerweile aufgelösten Südostasien Informationsstelle (Verein für entwicklungsbezogene Bildung zu Südostasien) tätig.

Raphael Göpel hat Patrick Ziegenhain am 9. September 2022 für die Stiftung Asienhaus interviewt. Weitere Interviews zur G20-Präsidentschaft und dem Gipfel in Bali folgen, hierzu sind Gesprächspartner aus der indonesischen Zivilgesellschaft angefragt.

Mehr zu Indonesien

Zurück