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Mother Nature Cambodia: Digitaler Aktivismus für Umwelt und Menschenrechte

Mother Nature engagiert sich seit über 10 Jahren für Menschenrechte und die Umwelt in Kambodscha (Foto: Mother Nature Cambodia)

Mother Nature Cambodia setzt sich seit 2012 mit digitalen Kampagnen für Umweltschutz und Menschenrechte ein. Seither geraten sie immer wieder ins Fadenkreuz der kambodschanischen Regierung.

Ihre Kampagnen drehen sich um illegalen Sandabbau, der Verschmutzung von Gewässsern durch Abwasser und Plastikmüll oder dem illegalen Handel mit Tierknochen. Darüber hinaus unterstützen die Aktivist:innen lokale Gemeinschaften bei drohender Vertreibung oder dem Verlust ihrer Lebensgrundlagen. Ihren Aktivismus betreiben sie vor allem digital, mit großer Reichweite. Die daraus entstehende nationale und internationale Unterstützung für ihre Forderungen führt zu gesellschaftlichem Druck, der die Politik zu Veränderungen zwingt.

 „Trotz regelmäßiger willkürlicher Einschüchterungen bemühen wir uns weiterhin, Millionen von Kambodschaner:innen darüber zu informieren, was wirklich im Namen der sogenannten Entwicklung geschieht.“
Mother Nature auf ihrer Webseite

Zwei Kampagnen stehen exemplarisch für die Arbeit von Mother Nature: die Proteste gegen den Bau des Cheay-Areng-Staudamms und ihr aufklärerischer Aktivismus in Bezug auf die kambodschanische Sandindustrie.

Erster Erfolg gegen Umweltzerstörung

Der Protest rund um den Bau des Cheay-Areng-Staudamms durch die chinesische Firma Sinohydro war die erste Kampagne der Gruppierung. Sie brachte ihnen in ganz Kambodscha Bekanntheit und Zustimmung ein. Die jungen Aktivist:innen stellten sich gegen das Staudammprojekt, da der Bau dramatische Auswirkungen auf die umliegenden Umwelt und Gemeinschaften gehabt hätte. Die Proteste der Gruppe, die schon damals zumeist in Zusammenarbeit mit der Zivilbevölkerung stattfanden, reichten von demonstrativen Veranstaltungen wie der Segnung eines Mangrovenwaldes, Protestmärschen oder einer Fahrraddemonstration bis hin zu konfrontativen Protesten in Form einer Straßenblockade, die Regierungskonvois hinderte in das Areng-Tal zu fahren. Letztendlich zwang die landesweite Aufmerksamkeit die kambodschanische Regierung dazu, die Staudammpläne fallen zu lassen. Dadurch wurde nicht nur einer der artenreichsten Regenwälder Südostasiens gerettet, sondern auch Dörfer der indigenen Gemeinschaft der Chong vor Vertreibungen geschützt.

Offenlegung von illegalem Sandabbau

Foto: Mother Nature CambodiaIhre bislang erfolgreichste Kampagne startete Mother Nature im Jahr 2015. Die Gruppe zeigte auf, wie der intensive Sandabbau an Kambodschas Fluss- und Küstengebieten in massiven ökologischen und sozialen Folgen resultiert. Sand wird weltweit zumeist für den anhaltenden Infrastrukturausbau und florierenden Bausektor gebraucht. Durch die Entnahme von Sand aus Flüssen und Seen werden tierische und pflanzliche Lebensräume irreversibel zerstört. Der Rückgang der Biodiversität und damit der Fischbestände schadet wiederum den Lebensgrundlagen der anliegenden Gemeinschaften. Darüber hinaus verlieren Uferkanten an Stabilität, wodurch sich Abrutsche samt Straßen und Häusern häufen.

All diese Auswirkungen, gepaart mit den hohen Sandexportraten der letzten 15 Jahre, haben im autoritär regierten Kambodscha zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen die umweltzerstörerischen Strukturen und Praktiken der Regierung ausgelöst. Denn die Profiteure dieser Industrie sind Regierungsangehörige und Wirtschaftsvertreter:innen. Sie nutzen den illegal abgebauten Sand für großangelegte Infrastrukturprojekte, wie die ING-City in der Hauptstadt Phnom Penh, oder verkaufen ihn am Staatshaushalt vorbei ins Ausland.

Die Aktivist:innen von Mother Nature deckten hierzu Handelsdiskrepanzen auf, indem sie die offiziellen kambodschanischen Exportdaten mit den Importangaben von Staaten wie Singapur oder Indien verglichen. Diese wiesen erhebliche Unterschiede in der Höhe der aus- bzw. eingeführte Sandmenge auf. Durch Film- und Fotoaufnahmen konnten sie überdies beweisen, dass verschiedene Unternehmen mit staatlicher Beteiligung Sand abbauen, ohne die benötigten Lizenzen oder Umweltzertifikate zu besitzen. Der so entstandene gesellschaftliche Druck zwang die kambodschanische Regierung 2016 dazu, zunächst ein partielles und ein Jahr später ein vollständiges Exportverbot auf Sand auszusprechen. Nichtsdestotrotz setzt sich der intensive und zum großen Teil illegale Abbau der kambodschanischen Sandvorkommen leider bis heute fort.

Klassische und moderne Aktivismusformen

Um ein möglichst breites Publikum sowie alle Gesellschaftsschichten zu erreichen, konzentriert sich der Aktivismus von Mother Nature stark auf das Internet. Dementsprechend werden auch die klassischen demonstrativen oder konfrontativen Proteste filmisch begleitet und online verbreitet. Dabei nutzen die Aktivist:innen vor allem soziale Medien (v.a. Facebook und YouTube (aktiv & inaktiv)) als Plattform, um eine alternative Informationsquelle zu den staatlichen Medien zu bieten, ihre regierungskritischen Positionen zu äußern und diese über die Grenzen Kambodschas hinaus zugänglich zu machen.

Mit ihren Videos und Postings, die im Kern die Aufklärung der Bevölkerung anstreben, erreicht Mother Nature zum Teil Millionen Aufrufe, wodurch ihre Forderungen eine (inter-) nationale Wahrnehmung erreichen, die sich in zahlreichen Veröffentlichungen widerspiegelt. So berichteten internationale Medien wie der Spiegel, Le Monde, National Geographic, BBC oder Al Jazeera über ihre Arbeit und Kampagnen.

Mother Natures Aktivismus zeichnet sich durch eine Kombination aus direkten Protesten in Zusammenarbeit mit der Zivilbevölkerung und  aufmerksamkeitserregender digitale Aufklärungsarbeit aus.

Repression gegen Aktivist:innen nimmt zu

Foto: Mother Nature CambodiaAufgrund der öffentlichkeitswirksamen Protestaktionen und direkten Regierungskritik gerät Mother Nature immer wieder ins Fadenkreuz des kambodschanischen Regimes. Zwischen 2015 und 2017 wurden fünf Aktivist:innen für mehrere Monate inhaftiert. Ein Mitbegründer der Gruppe – der spanische Umweltaktivist Alejandro Gonzalez-Davidson – wurde des Landes verwiesen und erklärte: „In Kambodscha wird das Regime in dem Moment, in dem eine Einzelperson oder eine Gruppe sich für den Schutz der Umwelt oder der Menschenrechte einsetzt und besonders, wenn sie andere Menschen dazu inspiriert, ihre Stimme zu erheben, so viele Hindernisse wie möglich errichten, um ihre Arbeit zu behindern“. Im Jahr 2017 wurde schließlich die offizielle Registrierung der Organisation nach einer Einschüchterungskampagne gegen einen weiteren Mitbegründer zurückgezogen.

Doch die Umweltschützer:innen setzten ihren friedlichen Aktivismus fort. Im September 2020 kam es zu weiteren Verhaftungen. Die Aktivist:innen Long Kunthea, Phuon Keoraksmey und Thun Ratha wurden festgenommen und wegen angeblicher Aufwiegelung zu 18 bis 20 Monaten Haft verurteilt. Die damals 20-jährige Long Kunthea hatte verkündet, dass sie alleine zum Haus des Premierministers marschieren wolle, um auf die Auswirkungen der Sandaufschüttungen in Phnom Penh aufmerksam zu machen.

Im Juni 2021 wurden drei weitere Aktivist:innen verhaftet. Ihnen – sowie Kunthea, Keoraksmey und Ratha – wird Verschwörung gegen den Staat vorgeworfen. Dafür droht ihnen bis zu 10 Jahre Haft. Nach internationalem Aufruhr kamen die sechs Umweltschützer:innen im November 2021 vorerst gegen Kaution auf freien Fuß und warten seither auf den Beginn ihres Gerichtsverfahrens. Sie stehen weiterhin unter richterlicher Aufsicht und müssen monatlich bei den örtlichen Behörden vorsprechen. Ihre Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt, so dürfen sie z.B. auch nicht ohne richterliche Erlaubnis reisen und das Land verlassen. Trotz dieser Repressalien engagieren sich die Aktivist:innen von Mother Nature weiter aktiv und friedlich für eine transparente und ressourcenschonende (Umwelt-)Politik.

Internationale Würdigung

Nachdem die Aktivist:innen im Jahr 2021 den Front Line Defenders Award erhielten, verkündete die Right-Livelihood-Stiftung im September 2023, dass Mother Nature Cambodia zu den diesjährigen Preisträger:innen des Right Livelihood Awards zählen. Auch als Alternativer Nobelpreis bezeichnet, würdigt diese Auszeichnung den „furchtlosen und engagierten Aktivismus zur Erhaltung der natürlichen Umwelt Kambodschas im Kontext eines stark eingeschränkten demokratischen Raums“, so Ole von Uexküll, Geschäftsführer des Right Livelihood Awards.

Autor: Jannik Roters studiert Soziologie im Master an der Universität zu Köln. In einer wissenschaftlichen Untersuchung im Rahmen seiner Bachelor-Abschlussarbeit setzte er sich mit dem Aktivismus von Mother Nature Cambodia auseinander.

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